Großbritannien:Truss gesteht Fehler ein, verteidigt aber Verharren im Amt

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"Ich bin eine Kämpferin, keine Drückebergerin", feuert die britische Premierministerin Lizz Truss Labour-Chef und Oppositionsführer Keir Starmer entgegen, als dieser ihren Verbleib im Amt in Frage stellt. (Foto: House Of Commons/PA Wire/dpa dpa)

Die britische Premierministerin steht enorm unter Druck. Am Mittag musste sie sich im Unterhaus der Häme vieler Labour-Abgeordneter aussetzen. Trotz der lauter werdenden Rufe nach ihrem Rücktritt will Truss weitermachen.

Die britische Premierministerin Liz Truss hat sich erstmals seit ihrer demütigenden Kehrtwende in der Steuerpolitik im Parlament den Fragen der Abgeordneten gestellt. Für die Vorsitzende der Konservativen steht im Unterhaus viel auf dem Spiel: Ein schwacher Auftritt könnte die Regierungschefin weiter schwächen und ihren möglichen Sturz beschleunigen.

"Ich habe sehr deutlich gemacht, dass es mir leidtut und dass ich Fehler gemacht habe, aber das Richtige unter diesen Umständen ist es, Änderungen vorzunehmen - was ich getan habe", so Truss auf die Frage eines Abgeordneten, warum sie noch im Amt sei. Es sei nun wichtig, mit der Arbeit weiterzumachen und für das britische Volk zu sorgen.

Nachdem von der Regierung ohne Gegenfinanzierung angekündigte Steuererleichterungen schwere Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst hatten, war zunächst Kwasi Kwarteng als Finanzminister zurückgetreten, wenig später hatte sein Nachfolger Jeremy Hunt die Erleichterungen Stück für Stück rückgängig gemacht.

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Die Tories glaubten, Liz Truss könne das zerstrittene Land führen. Stattdessen polarisiert die Premierministerin mit ihren ideologischen Ansätzen - und sie steht vor dem Aus.

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Auch wenn sich die Märkte inzwischen etwas beruhigt haben, gilt Regierungschefin Truss sechs Wochen nach ihrem Amtsantritt politisch bereits als so gut wie erledigt. Einer Umfrage zufolge haben 80 Prozent der Briten eine negative Meinung von ihr. Mehr als die Hälfte der Mitglieder der Konservativen wünscht sich ihren Rücktritt.

"Warum um alles in der Welt sollte man den Tories jemals wieder die Wirtschaft anvertrauen?", fragte Labour-Chef und Oppositionsführer Keir Starmer im Parlament. Es sei nicht zu erklären, dass Truss im Amt bleiben soll. "Ich bin eine Kämpferin, keine Drückebergerin", feuerte die Premierministerin zurück.

Bei einer Kabinettssitzung am Dienstag hatte Truss eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben: Die Steuererleichterungen seien zu schnell gekommen und zu weitgehend gewesen, sagte die Premierministerin einem Sprecher zufolge. Sie habe aber versichert, weiterhin vollkommen ihrer Wachstumsagenda verpflichtet zu sein.

Dennoch beharrten Labour-Abgeordnete am Mittwoch immer wieder darauf, dass Truss die Wirtschaft ins Chaos gestürzt habe. Warum sie erwarte, dass die Bürger den Preis für ihre Fehler bezahlen, wollte ein Oppositioneller wissen, der auf Medienberichte anspielte, denen zufolge der neue Finanzminister Jeremy Hunt einen Sparkurs einzuschlagen gedenkt.

"Wir stehen vor sehr, sehr schwierigen wirtschaftlichen Zeiten," so Truss, die betonte, dass sie ihre jüngsten Entscheidungen "im Interesse der wirtschaftlichen Stabilität" getroffen habe.

Die 47-jährige Truss steht im Parlament Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei gegenüber, der derzeit in allen Umfragen klar führt. Starmer genoss es sichtlich, Truss mit den Pannen der vergangenen Wochen zu konfrontieren. Ob sie wohl zur Veröffentlichung einer Biografie über sie um Weihnachten herum noch im Amt sei, witzelte er.

Bereits vor der Parlamentssitzung hatten fünf Abgeordnete der konservativen Tories öffentlich Truss' Ablösung gefordert, viele weitere äußerten ihren Unmut Medienberichten zufolge intern. Erwartet wird, dass sich die konservative Fraktion vor einem Sturz der Premierministerin auf einen Nachfolgekandidaten einigen will, um ein weiteres zeitraubendes Auswahlverfahren mit Befragung der Parteimitglieder zu vermeiden.

Als Favorit gilt Ex-Finanzminister Rishi Sunak, der im Rennen um Boris Johnsons Nachfolge im Sommer gegen Truss unterlegen war. Ebenfalls als aussichtsreich gelten die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Penny Mordaunt und Verteidigungsminister Ben Wallace. Auch der heutige Finanzminister Hunt wird ins Spiel gebracht.

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