Süddeutsche Zeitung

Literatur:Fragen ohne Antworten

Reinhard Kaiser-Mühleckers schlicht erzählter Antiheimatroman "Enteignung" wird beherrscht von einer sommerlich aufgeheizten Atmosphäre des Geheimnisvollen, die beständig für Spannung sorgt.

Von Florian Welle

"Was wird das jetzt? ... Was tust du?" Das sind nur zwei von vielen Fragen, die Reinhard Kaiser-Mühlecker seinen Ich-Erzähler Jan, einen in sein Heimatdorf zurückgekehrten Journalisten, an sich stellen lässt. Auf die aber nie Antworten folgen. Mit diesem Trick gelingt dem Autor zweierlei: Sein schlicht erzählter Antiheimatroman "Enteignung" wird beherrscht von einer sommerlich aufgeheizten Atmosphäre des Geheimnisvollen, die beständig für Spannung sorgt. Und er beglaubigt Jan als Melancholiker, der gelangweilt durch sein Leben driftet - dass er einst beruflich erfolgreich war und nun für ein von der Zeitungskrise gebeuteltes Lokalblatt schreibt, ist ihm gleichgültig. Doch Vorsicht ist geboten. Jan, der sich darüber wundert, "wie tief Menschen empfinden können", zeigt in Bezug auf seine zwei Affären, die Lehrerin Ines sowie die mit dem kürzlich auf dubiose Weise enteigneten Schweinemastbauern Flor verheiratete Hemma, erstaunlich viel Emotionen: Scham, Eifersucht, Zorn. Am Ende sind zwei Menschen tot, und Jan kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihm "etwas vorgespielt" wurde, "von dem ich nicht wusste, was es sollte".

Diese Rezension ist zuerst am 11. August 2020 in der SZ erschienen.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2020
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