Konflikt mit Russland:Kaliningrad-Krise spitzt sich wieder zu

Konflikt mit Russland: Wie gelangen Güter von Russland in die Enklave Kaliningrad? Darüber schwelt ein Streit.

Wie gelangen Güter von Russland in die Enklave Kaliningrad? Darüber schwelt ein Streit.

(Foto: IMAGO/Mikhail Golenkov/IMAGO/SNA)

Litauen will weitere EU-Sanktionen auf dem Transitweg von Russland in die Exklave durchsetzen. Die Freigabe einer Turbine für Nord Stream 1 soll indes Vorwand für Gas-Lieferstopp beseitigen.

Von Stefan Kornelius und Roland Preuß, Berlin

Der Konflikt um die EU-Sanktionen gegen die russische Exklave Kaliningrad eskaliert wieder. Die EU-Kommission und die Regierung Litauens haben sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung trotz intensiver Verhandlungen auf keine neue Richtlinie für die Kontrolle von sanktionierten Gütern auf dem Transitweg zwischen Russland und der Exklave verständigen können. Damit ist am Sonntag planmäßig die zweite Sanktionsstufe für den Güterverkehr in Kraft getreten. Betroffen sind nun Alkohol und Zement.

Der Streit um die Anwendung der Russland-Sanktionen auf die Exklave schwelt seit fast zwei Wochen, nachdem die Kommission in einer Weisung klargestellt hat, dass sanktionierte Güter auch auf der Transitstrecke zwischen Russland und der Exklave Kaliningrad aufgehalten werden können. Betroffen war zunächst vor allem Stahl, nun kommt in der zweiten Stufe Zement hinzu. Während Teile der Kommission und vor allem der Auswärtige Dienst der EU diese Sanktionsinterpretation inzwischen für falsch erachten, drängt Litauen auf die Beibehaltung. Russland hat indes mit schweren Konsequenzen gedroht, sollte das Transitabkommen nicht eingehalten werden.

In der Debatte über einen möglichen Lieferstopp russischen Gases an Deutschland weckte eine Entscheidung der kanadischen Regierung indes Hoffnung auf eine Entspannung der Lage. Kanada werde "eine zeitlich begrenzte und widerrufbare Erlaubnis" geben, damit eine gewartete Siemens-Turbine für die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland geliefert werden könne, erklärte der zuständige kanadische Minister Jonathan Wilkinson am Wochenende. Ohne die nötige Gasversorgung würde die deutsche Wirtschaft sehr leiden, und die Deutschen wären möglicherweise nicht in der Lage, im Winter ihre Wohnungen zu heizen, sagte Wilkinson. Kanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte die Entscheidung.

Der russische Energiekonzern Gazprom hatte Mitte Juni seine Gaslieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 reduziert und dies mit Verzögerungen bei der Reparatur von Gasverdichtern begründet. Laut dem Energietechnikkonzern Siemens Energy konnte eine in Kanada überholte Turbine bisher aufgrund der Russland-Sanktionen nicht nach Europa geliefert werden.

Moskau bestreitet, Gaslieferungen als Druckmittel einzusetzen

Russland hatte am Freitag angekündigt, im Fall einer Rückkehr der Turbine wieder mehr Gas zu liefern. "Wenn die Turbine nach der Reparatur kommt, dann erlaubt das eine Zunahme der Umfänge", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Peskow bestritt erneut, dass Russland sein Gas als politisches Druckmittel einsetze.

Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatten Moskau ebendies vorgeworfen und erklärt, dass sie die Begründung mit der Turbine für einen Vorwand halten. Nach diesem Verständnis würde die Lieferung der Turbine keine entscheidende Besserung bringen, weil Moskau den Gasfluss mit neuen Vorwänden drosseln oder stoppen könnte. An diesem Montag werden die Gaslieferungen durch Nord Stream 1 vorerst eingestellt, um die im Sommer üblichen Wartungsarbeiten vorzunehmen. Habeck befürchtet, dass Gazprom danach gar kein Gas mehr liefern könnte.

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