CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat mit Äußerungen zur Migrationspolitik in seiner Partei Unmut ausgelöst. Ihm wird eine zu große Fokussierung auf das Thema vorgeworfen. Linnemann hatte in einem Interview mit der Schwäbischen Zeitung gesagt, die Ampel-Koalition patze „bei den drei wichtigsten Themen, die da lauten: Migration, Migration, Migration. Dadurch haben wir an allen Ecken und Enden – von den Krankenhäusern über den Wohnungsmarkt bis in die Schulen – eine komplette Überforderung unseres Landes“.
Der Arbeitnehmerflügel der CDU kritisiert diese Äußerung. Der stellvertretende Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Dennis Radtke, sagte der Süddeutschen Zeitung: „Wir dürfen uns als Union thematisch nicht eindimensional aufstellen.“ Die Migrationspolitik sei wichtig, „aber andere Themen brennen genauso“. Das gelte zum Beispiel für die Themen „bezahlbarer Wohnraum, Kita-Betreuung, Pflege oder Lebenshaltungskosten, die bis weit in die Mitte hinein die Lohnerhöhungen aufgefressen haben“. Radtke ist Europaabgeordneter, er soll im September Nachfolger von Karl-Josef Laumann an der Spitze der CDA werden.
Die Äußerung von CDU-Generalsekretär Linnemann erinnert an eine Einlassung des damaligen CSU-Chefs und Bundesinnenministers Horst Seehofer, der im September 2018 von der Migration als „Mutter aller Probleme“ gesprochen hatte.
Linnemann hat in dem Interview jetzt auch gesagt, Deutschland stehe „vor zwei ganz großen Herausforderungen, von denen alles andere abhängt: Migration und Wettbewerbsfähigkeit“. Alle anderen Fragen, „angefangen bei der Klimapolitik bis zur Sozialpolitik“, könnten nur beantwortet werden, wenn „diese beiden Herausforderungen endlich angegangen und auch bewältigt werden“ würden.
Radtke findet dagegen, dass man die Sozialpolitik nicht hintanstellen darf. In Deutschland stünden gerade „Hunderttausende Jobs auf der Kippe – wer da einseitig auf Migration setzt, spielt am Ende nur der AfD in die Karten“. Die Menschen hätten „das Vertrauen in den Staat verloren und fühlen sich im Alltag alleingelassen. Wenn wir das nicht adressieren, ebenso klar wie empathisch, dann kommen wir nicht vom Fleck als Union“.
Radtke empfiehlt die NRW-CDU als Maßstab
Radtke sitzt seit mehr als zehn Jahren auch im Landesvorstand der nordrhein-westfälischen CDU. Vorsitzender der Landespartei ist Ministerpräsident Hendrik Wüst, der zusammen mit den Grünen regiert. „Meine CDU in NRW steht bei 38 Prozent – das sollte für uns überall der Maßstab sein, damit stabile Zweier-Koalitionen möglich sind“, sagte Radtke mit Blick auf die Umfragewerte der Union im Bund. Dort stehen CDU und CSU derzeit nur bei etwa 30 Prozent. Allerdings gehen in den bundesweiten Wert auch die schlechten Zahlen der CDU im Osten Deutschlands ein.
Bei der Europawahl Anfang Juni war die AfD in allen fünf ostdeutschen Bundesländern vor der CDU gelandet. „Wir müssen feststellen, dass die arbeitende Mitte Rechtsaußen gewählt hat – wir haben die Arbeiterinnen und Arbeiter verloren“, sagte Unionsfraktionsvize Sepp Müller nach der Wahl. Seiner CDU riet er: „Ich kann uns allen nur empfehlen, nicht nur bei den Unternehmern zu sitzen, sondern auch mit den Arbeitnehmern und Betriebsräten zu reden. Wir müssen der arbeitenden Mitte ein Angebot machen und uns stärker um soziale Themen kümmern.“ Das sehen Dennis Radtke und sein Arbeitnehmerflügel ähnlich.