Linkspartei und Verfassungsschutz:Ganz normale Radikale

Die Linke hat vor allem ein Problem mit ihren Inhalten, nicht mit der Verfassungstreue. Ihr Entwurf für ein Grundsatzprogramm kann nicht ernsthaft als Manifest zum Umsturz der grundgesetzlichen Ordnung gedeutet werden.

Daniel Brössler

Nach dem Leipziger Urteil über die Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz hat eine Debatte über die Treue der Linken zum Grundgesetz an Fahrt gewonnen. In hohem Tempo führt diese Debatte nun in die falsche Richtung. So gerät aus dem Blick, dass von der Partei tatsächlich eine Gefahr für das politische System der Bundesrepublik ausgehen kann - selbst dann, wenn sie den Boden des Grundgesetzes nicht verlässt. Über die künftige Rolle der Linken wird schon nächstes Jahr alles Wesentliche nachzulesen sein. Nicht im Verfassungsschutzbericht, sondern in ihrem neuen Grundsatzprogramm.

Linkspartei und Verfassungsschutz: Was in Frage steht, ist nicht so sehr die Verfassungstreue der Linken, als vielmehr ihre Regierungsfähigkeit

Was in Frage steht, ist nicht so sehr die Verfassungstreue der Linken, als vielmehr ihre Regierungsfähigkeit

(Foto: ap)

Der Entwurf für dieses Programm redet zwar "Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe" das Wort, kann aber selbst bei höchster Wachsamkeit nicht ernsthaft als Manifest zum Umsturz der grundgesetzlichen Ordnung gedeutet werden. Enthalten ist ein Aufruf zur Überwindung des Kapitalismus, wodurch sich die Linken durchaus an den Rand des Parteienspektrums stellen, nicht aber außerhalb des Grundgesetzes. Zutreffend verweisen sie darauf, dass der Schutz des Kapitalismus keinen Verfassungsrang genießt.

Was in Frage steht, ist nicht so sehr die Verfassungstreue der Linken, als vielmehr ihre Regierungsfähigkeit. Verfassungstreue allein sagt wenig darüber aus, ob die Partei auch in eine Regierung eintreten kann. Es steht der Linkspartei also frei, radikale Forderungen zu postulieren. Aber: Je radikaler sie ausfallen, desto weniger sind SPD und Grüne in der Lage, mit der Linken ein Regierungsbündnis zu bilden. Die Linken würden zur reinen Blockademacht mit allen Konsequenzen für die Stabilität im Land. Das ist in der Partei jenen, die eine Regierungsbeteiligung anstreben, genauso bewusst wie den Freunden der permanenten Opposition. Der Kampf dieser Fraktionen ist eröffnet, und er wird im Wesentlichen entschieden auf drei Feldern.

Da ist erstens die Eigentumsfrage. Im ersten Entwurf, von den damaligen Vorsitzenden Oskar Lafontaine und Lothar Bisky vor einigen Monaten vorgelegt, wird die Linke auf den Kampf "für die Veränderung der Eigentumsverhältnisse" verpflichtet. Es gäbe keinen Platz mehr für "strukturbestimmende Großbetriebe"; sie wären "demokratisch" zu vergesellschaften. Würden SPD und Grüne auf Basis dieser Kampfansage mit den Linken koalieren, könnten sie auch gleich Sahra Wagenknecht zur Wirtschaftsministerin machen. Das Beispiel zeigt: Man muss den Boden des Grundgesetzes nicht verlassen, um seine totale Regierungsunfähigkeit zu demonstrieren.

Ihren zweiten Konflikt geht die Linke beim Thema Europa ein. Der Entwurf des Grundsatzprogramms bekennt sich zwar zur Europäischen Union, wiederholt aber die notorisch bekannte Ablehnung des Lissabon-Vertrags. Der Partei wird es freilich nicht gelingen, die in jahrelangen mühsamen Verhandlungen zwischen 27 Staaten ausgehandelten Spielregeln der EU zu ignorieren. Die Linke fühlt sich indes recht wohl mit ihrem liebgewonnen "Ja, aber"; sie hält sich ein Hintertürchen offen, durch das sie jederzeit mit populistischer Polemik gegen Brüssel losmarschieren kann.

Am Ende aber sind es die militärischen Themen, bei denen sich die Linke am stärksten von ihrem Selbstverständnis entfernen müsste. Bisher zielt die Partei darauf ab, den größten Staat der EU in eine Art Island verwandeln. Nach ihrem Willen soll sich Deutschland an keiner Kapitel-VII-Mission der Vereinten Nation beteiligen, also jenen Einsätzen, mit denen die Völkergemeinschaft gegen eine Bedrohung des Friedens vorgeht. Demnach müsste die Bundeswehr nicht nur raus aus Afghanistan, sondern aus jeglicher Verantwortung für Friedensmissionen vom Balkan bis Sudan.

Zwischen Radikalität und Realismus lässt die Linke noch viel Raum. Für ein Urteil über diese Politik wird der Verfassungsschutz nicht gebraucht.

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