Süddeutsche Zeitung

Linkspartei und Verfassungsschutz:Fragwürdige Überwachung

Der Verfassungsschutz will die Linke weiter beobachten. Doch rechtfertigt die angebliche Gefahr das drastische Mittel der Überwachung?

Daniel Brössler

Parteien werden in regelmäßigen Abständen einer Tauglichkeitsprüfung unterzogen. Die Bürger geben ihr Urteil ab, das nennt sich dann Wahl. Bei der Bundestagswahl im vergangenen September haben mehr als fünf Millionen Deutsche die Linkspartei für gut befunden.

Nun hat Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm daran erinnert, dass die Linkspartei der Kontrolle noch einer Instanz unterliegt - nämlich seiner. Fünf Millionen Deutsche verschaffen einer Partei nicht zwingend ein demokratisches Gütesiegel. Das lehrt die deutsche Geschichte. Fünf Millionen Deutsche können aber gute Argumente verlangen, wenn der Partei ihrer Wahl die demokratische Gesinnung abgesprochen wird.

Fromm räumt ein, dass die Linkspartei für den militanten Linksextremismus praktisch keine Rolle spielt. Seine Kritik richtet sich gegen Zusammenschlüsse innerhalb der Linken, denen er Extremismus vorhält. Ein Blick in ihre Pamphlete weist die Gruppierungen mit Namen wie "Marxistisches Forum" und "Sozialistische Linke" in der Tat als extrem und vor allen Dingen als extrem spinnert aus.

Ihr Einfluss auf die Gesamtpartei ist indes begrenzt, was die gründliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz auch bereits ergeben haben dürfte. Fromm muss abwägen, ob die angebliche Gefahr das drastische Mittel der Überwachung wirklich rechtfertigt.

Unentschuldbar ist, dass Fromm sich in die Programmdebatte der Partei einmischt. In der Linken tobt derzeit ein Streit, der darüber entscheiden wird, ob die Partei ihr Heil künftig in der ideologischen Schmollecke oder in Regierungsbündnissen sucht. Das Urteil der Wähler darüber muss die Partei mehr fürchten als das der Verfassungsschützer.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2010
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