Linkspartei:Spezialist für Seitenwechsel

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Die Leipziger Linke wollte ihn zum Landtagskandidaten machen. Doch die Vorgeschichte des Maximilian M. passt schlecht ins Liebknecht-Haus: Er machte einst Karriere bei den Rechten.

Christiane Kohl

Drei rote Fahnen flattern vor der gründerzeitlichen Fassade im Wind, die im Süden der Leipziger Innenstadt steht. Auch drinnen in dem geschichtsträchtigen Haus dominiert die Farbe der Revolution: Rote Plakate hängen an den Wänden, und wenn sich die Gelegenheit ergibt, verteilen die Hausherren auch gerne mal ihren Vorzugswein - ein Spätburgunder mit tiefrotem Etikett, gelesen auf einem Weinberg bei Trier, der einst der Familie von Karl Marx gehörte.

Rote Zone aus Tradition: Das Liebknecht-Haus in Leipzig. (Foto: Foto: www.seyboldtpress.de)

Der Revolutionstheoretiker soll anno 1874 sogar persönlich in dem Leipziger Haus gewesen sein - zu Besuch bei Wilhelm Liebknecht, einem bekannten Sozialdemokraten, dessen Sohn Karl nach dem Ersten Weltkrieg zusammen mit Rosa Luxemburg die Kommunistische Partei begründete.

Mithin handelt es sich um historisch tiefrotes Gelände. Und so war es nur folgerichtig, dass der Leipziger Stadtverband der Linkspartei hier vor Jahren seine Zentrale eingerichtet hat. Der Ortsverein gilt mit seinen etwa 1700 Mitgliedern als größter Stadtverband der Linken im Bundesgebiet, auch im Vergleich zu den anderen Leipziger Parteien - ob SPD oder CDU - ist der Linksverband der mit Abstand mitgliederstärkste Ortsverein.

Hier zählen noch alte marxistische Werte, man hält leninistische Grundsätze hoch - und mit Rechtsabweichlern wird gewöhnlich nicht lange gefackelt. Doch ausgerechnet in der linientreuen Leipziger Linkszentrale ging womöglich lange ein Maulwurf der Rechtsextremen unbehelligt ein und aus - oder ist der Mann eher als eine Art politisches Chamäleon zu betrachten?

Auch bei der CDU heuerte er bereits an

"Nennen Sie mich Maximilian M.", erklärt der Mann mit Brille und kurzem Haar, der angeblich mal Theologie studiert und Journalist gelernt hat. Dass er vor Jahren noch als "Mario M." firmierte - auch das gehört zu seinem Verwirrspiel. Mal kandidierte Mario M. für die rechtsextremen Republikaner, mal war er bei der NPD; mal gründete er eine Gruppierung namens "Vereinigte Rechte", und einmal heuerte der Politwanderer sogar bei den CDU-Sozialausschüssen an.

2005 tauchte der Mann dann bei der Leipziger Linken auf, wo er sich fortan Maximilian nannte. Drei Jahre lang war er im Leipziger Linksspektrum präsent, zeitweise führte Maximilian M. die WASG, die "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit", die sich mit der Linkspartei vereinigte - er sollte sogar Landtagskandidat der Linkspartei werden.

Vergangene Woche wurde seine bewegte Polit-Vergangenheit jedoch an Hand von zwei Fotos gelüftet: Da sah man Mario M., den Rechtsextremen, 1999 als Aktivisten im Stuttgarter Kommunalwahlkampf; und ein späteres Bild aus Leipzig zeigte Maximilian M., den Linken, beim 70. Geburtstag eines verdienten Genossen der DKP. Schon zuvor, Ende 2007, hatte sich Maximilian M. allerdings mit der Leipziger Linken überworfen, nachdem er 150 Euro Weihnachtsgeld für Hartz-IV-Empfänger gefordert hatte.

Die Parteiführung fand das "utopisch". Daraufhin hatte ihm der Linken-Vorstand vorgeworfen, sich als "Spitzel des Verfassungsschutzes" in die Partei eingeschmuggelt zu haben. Das sächsische Innenministerium dementierte jedoch umgehend jegliche Zusammenarbeit mit Mario alias Maximilian M. Hingegen berichtet ein Linkspartei-Genosse aus dem westfälischen Sauerland, dass sich Mario M. einst seiner Beziehungen zum Geheimdienst gerühmt habe.

Was auch immer stimmen mag, die Geschichte, die der Mann selbst erzählt, klingt schillernd genug. Als Mario Hans Maximilian M. wurde er 1963 im ostdeutschen Brandenburg geboren. Wenige Wochen später will er mit seinen Eltern in die Schweiz gekommen und in Basel getauft worden sein.

Zu Beginn der achtziger Jahre - genau weiß Herr M. das heute nicht mehr - sei er dann in die DDR zurückgegangen, "nach Ostberlin", wie er berichtet. Dort will er das Fachabitur gemacht und anschließend Theologie und Philosophie studiert haben. Als Vikar im Kirchendienst habe er dann eines Tages versucht, die DDR zu verlassen.

Von der Tschechoslowakei aus sei er "mit Kollegen" über die Grüne Grenze nach Bayern gegangen und bei Tirschenreuth angekommen. "Wir waren schon drin in der Bundesrepublik", sagt Maximilian M., doch der Bundesgrenzschutz habe die Flüchtlinge nicht entdeckt, deshalb hätten die Tschechen leichtes Spiel gehabt, sie wieder zurückzuholen. Das sei im Herbst 1988 gewesen. Kurz darauf sei er nach Berlin ins Stasi-Gefängnis gekommen.

Später habe er in Leipzig, Bautzen und Chemnitz gesessen, bis die Bundesrepublik ihn nach insgesamt zehn Monaten Gefängnis freigekauft habe. Im Westen will M. im Justizvollzugsdienst angefangen haben - "im Gefängnis Stuttgart-Stammheim", wie er behauptet. Dort will man aus Datenschutzgründen jedoch keine Auskunft dazu geben.

In Stuttgart hatte M. auch Kontakt bekommen zu den Republikanern - "alles seriöse gutbürgerliche Leute", wie er fand. Die Reps fanden offenbar auch Gefallen an ihm, denn er kandidierte 1992 für den Landtag auf der Liste der Republikaner und trat auch als Oberbürgermeisterkandidat für die Rechten in Stuttgart an.

Einige Jahre später gehörte M. zu den Gründern einer rechten Splitterpartei namens "Vereinigte Rechte" (VR), deren Bundesvorsitzender er wurde. Als solcher schloss er 1999 ein Wahlabkommen mit der NPD. "Das war mein Fehler", meint M. heute, "aber die Basis wollte es damals so." Einige Zeit später soll er durch antisemitische Äußerungen im bayerischen Kitzingen aufgefallen sein. Nach einer darauffolgenden Hausdurchsuchung verabschiedete er sich von den Rechtsextremen - angeblich mit Hilfe eines Aussteigerprogramms des Bundesinnenministeriums.

Volontariat beim Rundfunk

Was folgte, war ein Zickzack-Kurs zwischen rechts und links: Im Frühjahr 2001 kandidierte M. noch für die VR als Bürgermeister im ostsächsischen Örtchen Lauta, im Winter desselben Jahres machte er ein Praktikum in der Bundeszentrale der PDS. Angeblich hatte er sich bei allen Parteien beworben - doch nur die Linken antworteten. Zuvor schon hatte M. nach eigenen Worten "ein Volontariat bei einem bekannten Rundfunksender in München" gemacht.

Bald schrieb er Beiträge in PDS-Zeitschriften wie dem Disput, während es im Stuttgarter Landtag zeitgleich noch eine parlamentarische Anfrage wegen seines Engagements bei den Rechtsextremen gab. Nach einer Stippvisite bei der PDS im bayerischen Aschaffenburg schloss er sich 2004 den Genossen im sauerländischen Arnsberg an - jetzt als Dr. phil Mario M.

Bald kassierte das örtliche Amtsgericht den Doktortitel, und der damalige PDS-Vorsitzende in Arnsberg, Dietmar Schwalm, stellte den Genossen wegen seiner rechten Vergangenheit zur Rede: "Er erklärte mir sinngemäß, dass er im Auftrag des Verfassungsschutzes tätig gewesen sei", erinnert sich Schwalm heute. Der Sozialarbeiter hatte vor Monaten die Leipziger Genossen über das Vorleben von Mario M. informiert. Den mittlerweile um den Mann entstandenen Wirbel kann Schwalm nicht verstehen: "Für mich war das nur ein kleiner Hochstapler."

© SZ vom 29.01.2009/che - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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