Linkspartei:Gewonnen und doch verloren

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Das leichte Plus kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Linke in allen Ost-Bundesländern von der AfD abgehängt worden ist. Im Verhältnis zu den Rechten gibt es nun einiges zu klären.

Von Robert Probst, München

Auf eine griffige Formel vermochte den Abend keiner der Spitzenleute zu bringen, das Ergebnis dürfte aber in etwa so zusammenzufassen sein: Die Linke hat gewonnen, aber gemessen an den eigenen Erwartungen doch verloren. Besonders in Ostdeutschland dürften einige fassungslos verfolgt haben, wie sie dort von der AfD überholt wurden. Das Bittere für die Linke: Hunderttausende Stimmen für die Rechtspopulisten kamen von der eigenen Klientel. Darin sah Fraktionschef Dietmar Bartsch die besondere Botschaft: "Schlussfolgerung ist, dass der Rechtsruck, den diese Wahl gezeigt hat, für uns eine besondere Herausforderung ist."

Gesucht wird eine Strategie für die Rückgewinnung der nach rechts verlorenen Wähler

Die Linke war bisher, das wird oft vergessen, die größte Oppositionspartei im Bundestag. Jetzt hat sie zwar leicht dazugewonnen - von 8,6 auf 9,2 Prozent der Zweitstimmen -, doch der Anspruch war eindeutig: zweistellig. Und die Umfragen sahen auch lange Zeit eher günstig aus. Nun ist man wieder einstellig und hat zudem den Status der Oppositionsführerschaft nach gerade mal vier Jahren wieder eingebüßt. Das nächste Ziel: drittstärkste Kraft im Bundestag - verfehlt. Die rote Laterne, das ist ein gewisser Trost, haben aber wieder die Grünen. Auf der Habenseite stehen noch: fünf Abgeordnete mehr als 2013, insgesamt sind es nun 69 - das zweitbeste Linkenergebnis überhaupt nach 2009 (11,9 Prozent, 76 Mandate). Und fünf Direktmandate wurden auch gewonnen; die vier in Berlin wurden verteidigt (Gregor Gysi, Gesine Lötzsch, Petra Pau und Stefan Liebich) und eines in Leipzig erobert (Sören Pellmann).

An absoluten Zweitwählerstimmen hat die Linke ordentlich zugelegt: Von 3 755 699 vor vier Jahren auf nun 4 296 762. Das ist ein Plus von 541 063. Dass die prozentuale Zunahme nur so gering ausfällt, liegt auch an der steigenden Wahlbeteiligung. Doch mit Blick auf die neuen Bundesländer, die einstige Domäne der Linken, dürfte es einigen Parteimitgliedern am Sonntagabend schwummrig vor Augen geworden sein.

Man war dort einst - zumal bei Landtagswahlen - Dimensionen von deutlich mehr als 20 Prozent, manchmal mehr als 30 Prozent gewöhnt. Jetzt ist man vom ersten Stock, wenn man so will, geradezu in den Keller der Realität durchgereicht worden. In Thüringen, wo die Linke den Ministerpräsidenten stellt: 19,6 Prozent, ein Minus von 6,6 Punkten. In Brandenburg, wo man mit der SPD regiert: 17,2 Prozent, ein Minus von 5,3 Punkten. In Sachsen-Anhalt: 17,8 Prozent, ein Minus von 6,2 Punkten; in Sachsen: 16,1 Prozent, ein Minus von 3,9 Punkten, und in Mecklenburg-Vorpommern: 17,8 Prozent, ein Minus von 3,7 Punkten. Nur in Berlin konnte die Partei leicht um 0,3 Punkte auf 18,8 Prozent zulegen - und dort in der Großstadt auch die AfD hinter sich lassen (12,6 Prozent). In allen anderen einst neuen Ländern: AfD vor der Linken.

Es zeigte sich wieder einmal, dass die beiden Parteien an den Rändern des politischen Spektrums um ähnliche Wählerschichten buhlen. Mehr als 430 000 Wähler verlor die Linke nach einer Rechnung von Infratest dimap an die Alternative für Deutschland. Dazu kamen 70 000 Stimmen, die an die FDP gingen und 70 000 an "Sonstige". Kompensiert werden konnte der Verlust allerdings durch den Hinzugewinn zahlreicher SPD-Wähler (380 000) und Grünen-Anhänger (140 000). Auch von der Union (70 000) und von bisherigen Nichtwählern (230 000) kamen laut Infratest neue Linken-Stimmen hinzu.

Jetzt könnte die Linke natürlich mit Recht darauf verweisen, dass die Alternative für Deutschland bei der Union (mehr als eine Million) und bei der SPD (500 000) noch viel mehr abgesahnt hat - doch das spezielle Problem besteht in Ostdeutschland, wo AfD und Linke um die Menschen konkurrieren, die Angst vor dem Abstieg, der Armut oder der ungewissen Zukunft haben. Dass die Linke keinen richtig passenden Ansatz fand, diese Menschen an sich zu binden, konnte man schon im Wahlkampf beobachten, als vor allem Sahra Wagenknecht auf eine schärfere Form des Umgangs mit Flüchtlingen und kriminellen Migranten drang, ihr große Teile der Partei aber nicht folgen wollten.

"Fluchtursachen bekämpfen - nicht Flüchtlinge", hieß es im Wahlprogramm. Und das Werben für einen höheren Mindestlohn von zwölf Euro, eine solidarische Mindestrente von netto 1050 Euro und eine "echte" Mietpreisbremse kam zwar bei einem Teil der Bürger gut an, konnte aber dem Zulauf der Rechtspopulisten offenbar nichts entgegensetzen. Das Großthema soziale Gerechtigkeit verfing ebenso wenig wie bei der SPD. Nicht zuletzt deshalb stehen der Partei nun wohl ein paar Auseinandersetzungen über den richtigen Umgang mit der Flüchtlingspolitik bevor - womit gleichzeitig die Strategie für die Rückgewinnung der an die Rechtspopulisten verlorenen Wähler festgelegt werden wird: scharfe Abgrenzung von den Nicht-Linken oder ein populistischer Überbietungswettbewerb.

Auffällig bei der Analyse ist, wie wenig Über-60-Jährige (acht Prozent) noch die Linke wählen. In der Altersgruppe liegen Union (40 Prozent), SPD (24), AfD (10) und FDP (10) vorn, nur die Grünen sind schlechter (sechs Prozent). Auch die Arbeitslosen sehen sich vorwiegend bei SPD (23), AfD (21) und Union (20) besser vertreten als durch die klassische Klientelpartei (elf Prozent). Nur bei einem Punkt ist die Linke am Ziel: Genauso viele Männer wie Frauen (neun Prozent) stimmten für sie.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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