Linke gegen Verfassungsschutz:"Das hat mit Rechtsstaat nichts zu tun"

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"Offen extremistisch": Der Verfassungsschutz wird die Linke weiter überwachen. Dagegen klagt nun ihr Spitzenpolitiker Bodo Ramelow. Er erklärt bei sueddeutsche.de, weshalb die Partei notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen wird.

Florian Fuchs

Konstantin Wecker ist dafür, Frank Bsirske auch und Peter Sodann sowieso: Die Linke darf nicht länger vom Bundesverfassungsschutz beobachtet werden. 51 mehr oder minder Prominente haben dies erst vergangene Woche in einem öffentlichen Aufruf gefordert.

Kapitalismus abschaffen? Forderungen wie bei einer 1.-Mai-Demonstration in Berlin erheben auch einzelne Mitglieder der Linken. Der Verfassungsschutz traut der Partei deshalb nicht so recht. (Foto: ddp)

Nun steht eine Grundsatzentscheidung an: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt am Mittwoch über die Klage von Bodo Ramelow, der vom deutschen Geheimdienst bespitzelt wurde. Die Linke erhofft sich bei dem Verfahren ihres Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag auch Aussagen darüber, ob die Beobachtung der gesamten Partei rechtens ist.

Es ist ein zäher Kampf, den Ramelow da auf sich genommen hat. Der Verfassungsschutz sammelte mehr als zehn Jahre Informationen über ihn. Die Begründung: Ramelow, von 2005 bis 2009 für die Linke im Bundestag, gehöre zum Spitzenpersonal der Linken, die insgesamt unter Beobachtung stehe.

Der Politiker hat mit seiner Klage dagegen bisher in allen Instanzen recht bekommen. Zuletzt im Februar 2009: Da entschied auch das Oberverwaltungsgericht Münster, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Bespitzelung einzustellen habe.

"Nichts, was vor Gericht Bestand hätte"

Glücklich ist Ramelow dennoch nicht. Das Urteil von Münster hat aus seiner Sicht nämlich einen gravierenden Schönheitsfehler: Die Richter betonten, dass es sich um einen Einzelfall handle. Die Linke als Gesamtpartei dagegen dürfe weiterhin überwacht werden. Es lägen "tatsächliche Anhaltspunkte" vor, dass die Partei "Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundform" verfolge.

Damit liegt das Oberverwaltungsgericht auf einer Linie mit der Argumentation des Verfassungsschutzes. Und Bodo Ramelow kann sich darüber im Gespräch mit sueddeutsche.de gar nicht genug aufregen: "Es hat nichts mit einem Rechtsstaat zu tun, wenn wir bespitzelt werden. Es gibt dafür keinen Anlass und die Beobachtung hat bis heute ausnahmslos nichts hervorgebracht, was vor Gericht Bestand gehabt hätte."

Der Verfassungsschutz hat naturgemäß eine andere Meinung. Zwar wehrt eine Sprecherin mit Verweis auf das schwebende Verfahren alle Fragen von sueddeutsche.de ab. Der Präsident der Behörde jedoch, Heinz Fromm, hat erst im Mai wieder mehrmals betont, dass es für ihn momentan nicht in Frage komme, die Beobachtung einzustellen.

Die Gründe für diese Haltung, die "tatsächlichen Anhaltspunkte" also, liefert der Verfassungsschutzbericht 2009: Die Linke, heißt es darin, akzeptiere in ihren Reihen Gruppierungen, die "offen extremistisch" seien. So strebe etwa die "Kommunistische Plattform" mit ihren 1100 Mitgliedern eine Gesellschaft an, in der die "Herrschaft des kapitalistischen Privateigentums überwunden und dessen reale Vergesellschaftung erreicht wird". Und der Gruppierung "Sozialistische Linke" gefalle ein "demokratischer Sozialismus".

Nicht wirklich neues oder brisantes Material. Härter sind da schon die Vorwürfe, die aus dem tagespolitischen Geschäft kommen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) zum Beispiel tut sich gerne als Hardliner hervor: "Die Linke hat weiterhin ein ungeklärtes Verhältnis zur Gewalt und es fehlt eine klare Distanzierung von der Diktatur in der DDR."

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Bodo Ramelow kann darüber nur den Kopf schütteln. Er will sauber unterschieden haben zwischen der Parteilinie und "dem Quatsch, den Einzelne daherreden". Die Linke habe sich inzwischen oft genug zum Rechtsstaat bekannt.

"Ich verteidige das Recht meiner Partei, über verschiedene Ansichten debattieren zu dürfen": Bodo Ramelow, Fraktionsführer der Linkspartei im thüringischen Landtag, klagt gegen den Bundesverfassungsschutz. (Foto: ddp)

Über die als extremistisch bezeichneten Gruppierungen innerhalb der Linken sagt er: "Ich verteidige das Recht meiner Partei, über verschiedene Ansichten debattieren zu dürfen. Ob jemand von Klassikern wie Engels oder Marx seinen Sozialismus ableitet oder wie ich aus der Bibel, ist doch egal. "

Wenn Einzelne aus dem linken Spektrum allerdings die Verfassung außer Kraft setzen wollten oder gewaltbereit seien, dann müsse man natürlich dagegen vorgehen, sagt Ramelow. "Aber dafür brauche ich keinen Geheimdienst, der mit V-Leuten arbeitet und bespitzelt. Das kann man mit normalen Methoden regeln."

Von den anderen Parteien solle niemand mit den Fingern auf die Linkspartei zeigen, die hätten auch manchmal Probleme in den eigenen Reihen. "Ich erinnere nur an Martin Hohmann", sagt Ramelow. Der Politiker hatte 2003 mit einer antisemitischen Rede für mächtig Ärger gesorgt, woraufhin ihn erst die CDU-Bundestagsfraktion ausschloss und dann seine Partei.

Ramelow wäre es am allerliebsten, wenn Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf Bundesebene einen Kurswechsel des Verfassungsschutzes veranlasse. So wie einige Bundesländer inzwischen die Beobachtung auf Länderebene eingestellt haben: Saarland und Bremen im Jahr 2008, Rheinland-Pfalz 2009.

Nordrhein-Westfalen dagegen, wo sich die Minderheitsregierung von SPD und Grünen auf die Linke stützt, will die Partei weiterhin beobachten lassen. Und auch auf einen Kurswechsel von de Maizière darf Ramelow kurzfristig nicht hoffen. "Die Beobachtung wird so lange stattfinden, wie es einen Anlass dafür gibt", sagt der Innenminister.

Verfassungsschutzpräsident Fromm gibt wenigstens einen Hinweis darauf, wann es keinen Anlass mehr geben könnte: Wenn das neue Grundsatzprogramm, das die Linke gerade erarbeitet, eine Beobachtung überflüssig mache. Das wiederum stößt Ramelow sauer auf. "Wenn Herr Fromm bei uns Mitglied werden sollte, kann er gerne mitdiskutieren. Ansonsten gestalten wir unser Programm selbst, und er soll sich raushalten."

Vorsorglich kündigt Ramelow schon einmal den Gang zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe an. Dort liegt ohnehin bereits eine Klage der Linken gegen die Bespitzelung. Und wenn bei seinem Verfahren auch dann noch keine Grundsatzaussagen über die Beobachtung der gesamten Partei herausspringen sollten, dann wartet der Europäische Gerichtshof. "Da gibt es ein vergleichbares Urteil gegen den schwedischen Geheimdienst", berichtet Ramelow, "da bekam der Kläger sogar eine Entschädigungszahlung."

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