Süddeutsche Zeitung

Linkspartei:Auf der langen Suche nach sich selbst

Als Neinsagerin ist die Linkspartei unübertroffen, konstruktive Politik muss sie hingegen erst noch lernen. Dabei hat die Partei zwei Probleme: eines mit ihrem Programm - und eines mit dem Personal.

Daniel Brössler

Während der Sommerpause durfte die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, eine aus ihrer Sicht erfreuliche Entdeckung machen. Die Chancen für Rot-Rot-Grün, erfuhr sie, stehen gar nicht schlecht.

Zu diesem Zweck musste sie allerdings eine Bildungsreise nach Skandinavien unternehmen. In Schweden etwa wollen Sozialdemokraten, Sozialisten und Grüne bei der Parlamentswahl im Herbst gemeinsam die Konservativen von der Macht verdrängen. Zurück in der Heimat muss Lötzsch die Wirklichkeit nun umso trister erscheinen.

Der Graben, der Linke von SPD und Grünen trennt, wirkt tiefer denn je. Und während die grüne Konkurrenz in den Umfragen abhebt und auch die SPD punktet, kann die Linke als Einzige in der Opposition nicht profitieren von der Schwäche der schwarz-gelben Regierung.

Fast ein Jahr nach ihrem Triumph bei der Bundestagswahl steckt die Linkspartei in der Krise. Dieses Eingeständnis müsste auf der Tagesordnung diese Woche ganz oben stehen, wenn Vorstand und Landeschefs am Montag zusammenkommen und die Bundestagsfraktion ab Mittwoch in Klausur geht.

Personal und Programm - beides bereitet der Linken Probleme

Streng genommen hat die Linke nur zwei Probleme: eines mit ihrem Personal und das andere mit ihrer Programmatik. Seit Mai soll die Partei von Lötzsch und ihrem Ko-Vorsitzenden Klaus Ernst geführt werden. Begonnen aber haben die beiden damit noch nicht. Vor allem Ernst sorgte in der Partei für Diskussionen bislang nur mit der Höhe seiner Bezüge und wegen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die sich mit seinen Reiseabrechnungen als Bundestagsabgeordneter beschäftigt.

Ernst will nun zumindest auf eine Fraktionszulage verzichten, fühlt sich aber ansonsten im Recht. Zweifel, ob der Bayer der richtige Mann ist an der Spitze einer linken Partei, werden bleiben. Solange die Linken-Führung ihre Kraft aber für Selbstverteidigung benötigt, bleibt sie politisch bedingt angriffsbereit.

Anders ist nicht zu erklären, wie genügsam sie trotz einer völlig neuen Lage mit alten Themen und Feindbildern hantiert. Während die SPD geschickt das Image sozialer Kälte abstreift und die Grünen erstaunlich erfolgreich frische Antworten versprechen, legt sich langsam der Staub auf die linken Programme gegen Hartz IV oder die Rente mit 67.

Lafontaines Vermächtnis

Ausgerechnet in dieser Lage müssen sich die Linken nun auch noch auf die Suche nach ihrer Identität machen. Der Ex-Chef Oskar Lafontaine hat seiner Partei den Entwurf für ein Grundsatzprogramm hinterlassen, dem führende Linken-Politiker eben erst wieder bescheinigt haben, er sei nicht der Zukunft zugewandt. Während den einen der Entwurf also zu unmodern in schlichter Kapitalismuskritik verharrt, ist er den anderen noch nicht marxistisch genug.

So sieht es danach aus, als seien die Linken fürs Erste mit sich selbst beschäftigt. Brauchen sie dafür zu lange, erledigt sich Rot-Rot-Grün, zumindest in Deutschland, ganz von selbst.

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SZ vom 06.09.2010/mob
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