Die Polizei hat einen mutmaßlichen Rädelsführer der linksextremen Szene in Thüringen festgenommen. Er werde der Leipziger Gruppe um die bereits verurteilte Studentin Lina E. zugerechnet, bestätigten Sicherheitskreise der Süddeutschen Zeitung. Zuerst hatte die Bild-Zeitung berichtet.
Johann Guntermann gilt Staatsschützern als Kopf der linksradikalen „Hammerbande“ – so nennen die Ermittler die Gruppe, die immer wieder gezielt Jagd auf vermeintliche und tatsächliche Rechtsextreme gemacht und mehrere Menschen teils schwer verletzt haben soll, manchmal mit Schlagstöcken, auch mit einem Hammer. Spätestens im Sommer 2018 soll sich die militante Gruppe in und um Leipzig formiert haben. Dort und in anderen Orten in Sachsen und Thüringen suchten sie sich den Ermittlern zufolge ihre Ziele. Mal eine rechte Szenekneipe, mal einschlägig bekannte Neonazis. In Leipzig brachen sie einem Kanalarbeiter in einer offenbar spontanen Aktion den Schädel – weil er eine Mütze eines unter Neonazis beliebten Labels getragen hatte.
Es gibt Ermittlungen wegen einer Serie von Überfällen in Budapest
Lina E., der die Ermittler ebenso eine herausgehobene Rolle zuschrieben, wurde im November 2020 festgenommen. Ihr Lebensgefährte Johann Guntermann dagegen tauchte unter, ebenso andere mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der Gruppe.
Vom 26. März 2021 an wurde Guntermann per Haftbefehl gesucht. Aufzufinden war er für die Fahnder lange nicht, dabei ermittelte beim Landeskriminalamt in Dresden eine eigens eingerichtete Sonderkommission „Linx“. Aber die Angriffe gingen weiter. Im Februar 2023 fuhren den Ermittlern zufolge mindestens sieben Mitglieder der Gruppe nach Budapest, wo zu diesem Zeitpunkt ein Aufmarsch von Rechtsextremen stattfand. Am Rande der Demonstration sollen die Linksradikalen Jagd auf mindestens fünf Teilnehmer gemacht haben, sie unter anderem mit sogenannten Totschlägern angegriffen haben.
Ermittler wollen auf Überwachungsvideos, die einige der Taten zeigen, auch Johann Guntermann erkannt haben. In Ungarn und in Deutschland wurden Fahndungen und Ermittlungsverfahren gegen weitere Personen eingeleitet, die an den Überfällen beteiligt gewesen sein sollen. Zwischenzeitlich fahndeten das Bundeskriminalamt und das LKA Sachsen nach mehr als einem Dutzend Verdächtiger. Die Soko „Linx“ wurde im Sommer 2023 um zehn weitere Ermittler aufgestockt.
Guntermann galt als besonders brutal und skrupellos
Ein hochrangiger Sicherheitsbeamter sagte vergangenes Jahr einmal, ihn erinnerten die Brutalität der Angriffe und das offenbar organisierte Untertauchen an die Zeiten der RAF. Johann Guntermann galt laut einer Gefährdungsbewertung des BKA als besonders brutal, skrupellos und professionell. Auf seine Finger soll er den Schriftzug „HATE COPS“ tätowiert haben.
Das LKA setzte Zielfahnder auf die Gesuchten an, mit ersten Erfolgen. Im Dezember 2023 nahm die Polizei die verdächtige Maja T. fest. Inzwischen wurde T. unter umstrittenen Bedingungen nach Ungarn ausgeliefert. Im Mai dieses Jahres folgte die Festnahme von Hanna S., der die Bundesanwaltschaft auch versuchten Mord vorwirft. Und erst vor zweieinhalb Wochen nahm die Polizei einen Mann fest, der Kampftrainer der „Hammerbande“ und auch an einem Überfall 2019 beteiligt gewesen sein soll. Der Deutsche Tobias E., der noch im Februar vergangenen Jahres nach den Angriffen in Budapest gefasst wurde, hatte sich diesen Januar vor einem ungarischen Gericht bereits schuldig bekannt, Mitglied in einer kriminellen Vereinigung gewesen zu sein. Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. Gegen eine Berlinerin, die unter Auflagen auf freiem Fuß ist, wird noch verhandelt.
Johann Guntermann sollen Zielfahnder jetzt in einem Regionalzug bei Weimar gefasst haben. Mitte 2023 hatten Bundesanwaltschaft, BKA und LKA die Suche nach ihm noch einmal intensiviert, unter anderem mit Fahndungsaufrufen im Netz. Für Hinweise, die helfen würden, den 31 Jahre alten mutmaßlichen Anführer der „Hammerbande“ aufzuspüren, hatten die Fahnder zuletzt bis zu 10 000 Euro Belohnung ausgesetzt.
Ein paar Monate vorher, im Mai 2023, war in Dresden das Urteil gegen seine mutmaßliche Komplizin und Partnerin Lina E. gefallen. Das Oberlandesgericht verurteilte sie zu fünf Jahren und drei Monaten Haft. Auch drei Mitangeklagte bekamen Haftstrafen. Lina E. kam allerdings vorerst unter Auflagen frei; sie hatte schon zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft gesessen. Den Rest ihrer Strafe muss sie verbüßen, sollte das Urteil rechtskräftig werden. Sowohl Lina E.s Verteidigung als auch die Bundesanwaltschaft hatte Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof will darüber am 6. Februar verhandeln.