Süddeutsche Zeitung

Linkes Liederbuch:Bartsch-Hymnen fürs Lagerfeuer

Über diesen Mann singen Linke Lieder: Dietmar Bartsch, Stellvertreter unter vielen Stellvertretern im Fraktionsvorstand, wird offenbar in umgetexteten Schlagersongs und Disco-Hits als der wahre Anführer der Partei gepriesen. Nicht nur deshalb muss sich mancher Konkurrent ärgern.

Dietmar Bartsch hat es nicht leicht mit seiner Partei: Im Frühjahr vergangenen Jahres wandte sich Gregor Gysi vorübergehend von ihm ab, weshalb die Linke nicht Bartsch, sondern den bis dato eher unbekannten Bernd Riexinger zu ihrem Chef machte. Und in der neuen Fraktion ist Bartsch nur einer von vielen Stellvertretern im Vorstand - ein für ihn unbefriedigender Kompromiss, an dem er als Vertreter des Reformerlagers auch noch mitgearbeitet hat, um die machthungrige Sahra Wagenknecht und die West-Linken ruhig zu stellen.

Dennoch scheint Bartsch beliebt zu sein in seiner Partei. So beliebt, dass sie ihn in Liedern als wahren Anführer preist. Zwölf Seiten ist das "Liederheft" stark, dass nach Informationen der Welt unter Linken kursiert. Es trägt den Titel: "Bartschismo o muerte!" Das bedeutet, so die Welt:

"Eine Anspielung auf die Formel, mit der Fidel Castro seine Reden zu beenden pflegte ('Socialismo o muerte! Patria o muerte! Venceremos!'). Das Titelbild zeigt im Stil sozialistischer Kunst Arbeiter, die vor aufgehender Sonne die Hände zum Pakt zusammenlegen. Die Unterzeile legt nahe, für wen das Heft bestimmt ist: 'Lieder für fröhliche Bartschisten.'"

Alte Arbeiterlieder, Schlagersongs aber auch Disco-Hits wie "Ey, was geht ab" wurden offenbar auf die parteiinterne Situation umgetextet. Auf das Neue-Deutsche-Welle-Lied "Ich will Spaß", reimten die Bartschisten demnach:

Ich zieh die Kipping aus dem Verkehr ich jag van Aken vor mir hier ich will Bartsch Dietmar Bartsch Dietmar Bartsch und wars auch schlecht 2010 scheißegal es wird schon gehen die wollen Bartsch Dietmar Bartsch Dietmar Bartsch

Auch West-Linke wer in den Liedern verballhornt, selbst der Parteivorsitzende Bernd Riexinger. Ihm widmen die Songschreiber eine neue Version von "Sascha, ein aufrechter Deutscher" der Toten Hosen:

"Jetzt lässt Bernd die Sau erst raus und geht in das Karl-Liebknecht-Haus dort führt er seine Linie ein, heißt: jeder Bartschist ist ein Schwein.

Dann prangert er Genossen an ein jeder tut halt, was er kann. Beim Thema ,Linke Gründlichkeit' da weiß er voll Bescheid."

Im Mai 2013 soll das "Liederheft" auf der Veranstaltung "Pfingsten mit der Linken" am Werbellinsee in Brandenburg verteilt worden sein. Die Welt beschreibt die Veranstaltung als eine "Mischung aus PDS-Jugendcamp und Saufgelage der Ost-Landesverbände". Dort hätten Teilnehmer die Lieder gesungen.

Einer der Verfasser der Liedtexte soll Mark Seibert sein, Angestellter in der Bundesgeschäftsstelle und langjähriger Vertrauter Bartschs. Der bestreitet jedoch, hinter den Zeilen zu stecken. Und auch Bartsch wusste nach eigenen Angaben nichts über "Bartschismo o muerte". Das Liederbuch sei ihm nicht bekannt, an besagtem Pfingsttreffen habe er in den vergangenen Jahren nicht teilgenommen, erklärte er der Zeitung.

Umso freudiger dürfte er dann wohl überrascht gewesen sein. Ob Bartsch nun plant, 2014 mal wieder einen Pfingst-Abstecher an den Werbellinsee zu machen? Denn immerhin: Sich mit freundlichen Lobgesängen am Lagerfeuer die Politikerseele streicheln lassen - davon können die Konkurrenten in der eigenen Partei nur träumen.

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