Linken-Politiker Bodo Ramelow im Interview:"Ernst hat die Führungsdebatte völlig vergeigt"

Was ist mit ihm? Bodo Ramelow gilt als Pragmatiker, der große Erfolge mit der Linken gefeiert hat. Doch die Führung der Bundespartei wolle er nicht übernehmen, sagt der Fraktionschef in Thüringen im SZ.de-Interview. Die Führungsdebatte sei "misslungen", Schuld daran sei der amtierende Parteichef Klaus Ernst. Seine Traumlösung für dessen Nachfolge ist das Duo Wagenknecht/Bartsch.

Antonie Rietzschel

Bodo Ramelow, 56, ist seit 2009 Fraktionsvorsitzender der Linken im thüringischen Landtag. Bei der Landtagswahl im selben Jahr führte der gebürtige Niedersachse die Partei zu ihrem besten Ergebnis auf Landesebene (27,4 Prozent) und wurde hinter der CDU zweitstärkste Kraft. Ramelow, der als Pragmatiker gilt, wurde damals als Ministerpräsident einer rot-rot-grünen Regierung gehandelt, doch die SPD zog es vor, mit der Union zu koalieren.

SZ.de: Herr Ramelow, inzwischen gibt es mehrere Kandidaten für den Posten des Parteichefs. Was ist eigentlich mit Ihnen, lockt Sie das Amt gar nicht?

Bodo Ramelow: Ich will Ministerpräsident von Thüringen werden. Ich bin Thüringer und hier verwurzelt. Außerdem bin ich der drittbekannteste Politiker im Bundesland. Warum soll ich einen erfolgreichen Weg, auf dem ich mich wohlfühle, verlassen? Ich brauche niemanden, der mich wie eine Schachfigur hin und her schiebt. Politik muss auch Spaß machen.

SZ.de: Und das tut sie als Bundesvorsitzender nicht?

Ramelow: Das ist einfach nicht mein Weg.

SZ.de: Die Führungsdebatte hat die Linke zurück in die Schlagzeilen geführt. So viel Aufmerksamkeit gab es lange nicht. Nutzt der Machtkampf der Partei?

Ramelow: Das kommt darauf an, was wir aus dieser Aufmerksamkeit machen: Mit der Kandidatur von Katja Kipping und Katharina Schwabedissen als weibliche Doppelspitze findet ja derzeit eine positive Öffnung der Partei statt.

SZ.de: Inwiefern?

Ramelow: Offenbar gelingt es über die beiden Frauen, deutlich zu machen, wie eine wertplurale Spitze aussehen muss.

SZ.de: Für die sie ja immer geworben haben, indem Sie das Duo Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch vorgeschlagen haben.

Ramelow: Und dafür bin ich immer kritisiert worden. Dabei können wir uns als Partei nur besser aufstellen, wenn wir unsere Pluralität als Reichtum wahrnehmen.

SZ.de: Braucht die Linke einen Generationenwechsel?

Ramelow: Der steht ja sowieso an. Wichtig ist, dass die Linke innerparteilich neu startet und nicht nur neue Gesichter präsentiert. Wir haben einen Aufbruch dringend nötig. Der letzte Vorstand hat die Partei zwei Jahre lang strömungspolitisch verwaltet. Dabei haben sich Strömung A und Strömung B gegenseitig in Schach gehalten. Das Ergebnis war Stillstand.

SZ.de: Könnte das Duo Kipping und Schwabedissen den Stillstand beenden?

Ramelow: Ich traue ihnen diese Kraft zu. Wir haben den Aufbruch Ost-West nicht geschafft, beide Kräfte konnten nicht zusammengeführt werden. Kipping und Schwabedissen können das schaffen, weil sie beide eine explizite Ost-West-Sicht haben.

"Jetzt hat er die Killerdebatte"

SZ.de: Aber fehlt da nicht Bartsch? Den hatten sie zuletzt als Schlüsselfigur bezeichnet.

Ramelow: In Linkspartei gibt es keine Nachfolgedebatte

Kandidatur für den Bundesvorsitz ausgeschlossen: Der thüringische Fraktionsvorsitzende Bodo Ramelow will keine Schachfigur sein, die man hin und her schiebt.

(Foto: ddp)

Ramelow: Er bleibt auch die Schlüsselfigur. Wenn er nicht Bundesvorsitzender wird, kann er auch noch andere Ämter im Vorstand übernehmen. Zum Beispiel das des Bundesgeschäftsführers.

SZ.de: Ist Bartsch nicht automatisch der Verlierer, wenn er in Göttingen nicht zum Bundesvorsitzenden gewählt wird?

Ramelow: Überhaupt nicht. Es kommt darauf an, wie die Gewinner mit ihm umgehen. Wenn er, der als erster seine Kandidatur angekündigt hat, als Opfer auf dem Silbertablett durch den Saal getragen wird, dann ist das einfach eine Unkultur.

SZ.de: Was heißt das konkret?

Ramelow: Der, der gewählt werden will, muss darauf achten, dass er nachher nicht in ein Siegesgeheul ausbricht. Das gilt auch für die Antikapitalistische Linke und die Sozialistische Linke. Es darf niemand über den anderen triumphieren. Stattdessen müssen wir unsere Kräfte bündeln.

SZ.de: Trotz ihrer Sympathie für die weibliche Doppelspitze favorisieren Sie weiterhin das Duo Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch ...

Ramelow: ... ja, weil sie die Pluralität der Partei abbilden.

SZ.de: Das tun Schwabedissen und Kipping doch auch.

Ramelow: Aber ich werde jetzt nicht in deren Lager überlaufen. Ich bin den beiden Frauen sehr dankbar dafür, dass sie den Damm gebrochen und Debatten angeregt haben. Aber ich unterstütze die geschlechtsspezifische Besetzung der Führungsspitze. Heißt: Mann und Frau. Angesichts der völlig misslungenen Debatte der letzten Tage, die vor allem von Männern geführt wurde und signalisierte, dass die Frauen nicht wichtig sind, könnte ich mich allerdings trotzdem mit einer weiblichen Doppelspitze anfreunden. Allerdings steht dem ganz klar die Satzung im Weg, die eine geschlechtsspezifische Besetzung vorsieht.

SZ.de: Warum braucht es überhaupt diese Absprachen vor der Wahl? Wäre es im Piraten-Zeitalter nicht angebracht, die Doppelspitze ergebnisoffen wählen zu lassen?

Ramelow: Ein Parteitag soll auch das Signal des Aufbruchs setzen. Da finde ich es kontraproduktiv, mit 100 Kandidaten anzutreten. Das müssen Leute sein, die miteinander umgehen können. Deswegen wäre es mir auch lieber gewesen, wenn wir das alles schon im Januar/Februar vorbesprochen hätten. Dann hätte die Diskussion auf Basis eines konkreten Vorschlags stattfinden können. So stelle ich mir eine Führungsdebatte vor. Die hat Klaus Ernst völlig vergeigt, weil er immer gesagt hat, dass wir keine Personaldebatte führen. Jetzt hat er die Killerdebatte.

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