Linken-Chef Klaus Ernst:Mein Haus, mein Porsche, mein Problem

Bei seinem Aufstieg hat sich Linken-Chef Klaus Ernst viele Feinde gemacht. Die Kritik vieler Genossen an seinem Lebensstil hat auch damit zu tun. Die Debatte ist aber verlogen.

Uwe Ritzer

Die Woche über diskutierten sie sich in Gremien die Köpfe heiß, organisierten Aktionen, stichelten gegen Arbeitgeber und konnten vor kämpferischem Übermut bisweilen kaum laufen. Am Wochenende fuhr die Clique junger Münchner Gewerkschafter zum Ausspannen und Feiern nach Ellmau in Tirol, in zwei Berghütten ohne Strom oder fließend Wasser und mit Plumpsklo. "Das hatte Schrebergartencharakter", erzählt einer. "Sozialistische Mietergemeinschaft" nannten sie sich. Es waren die gesellschaftspolitisch bewegten siebziger Jahre, und "der EK" sei immer ganz vorne mit dabei gewesen.

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Wegen seines Lebensstils in der Kritik: Linken-Chef Klaus Ernst

(Foto: ddp)

Später hat er eine dieser Hütten gepachtet; sie hat bis heute keinen Strom. Und ausgerechnet diese Hütte fliegt ihm nun, im übertragenen Sinne, um die Ohren. Als wäre sie, genauso wie sein mehr als 20 Jahre alter Porsche, ein Symbol für protzigen Lebensstil und damit politisch unkorrekt für einen Parteivorsitzenden der Linken. Denn hinter EK verbirgt sich Klaus Ernst. In der IG Metall kürzen sie seinen Namen bis heute ab und drehen dabei die Initialen. "Aus reiner Gewohnheit", sagt Bayerns IG-Metall-Bezirksleiter Jürgen Wechsler. So etwas schafft aber auch Distanz.

Klaus Ernst selbst will in diesen Tagen nicht öffentlich über sich reden. "Er hat pausenlos Termine", wimmelt eine Parteisprecherin Anfragen ab. "Außerdem ist doch schon alles gesagt." Zur Hütte, zum Porsche, zu den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, weil Ernst als Bundestagsabgeordneter Flüge zu Aufsichtsrats- und Gewerkschaftssitzungen gesetzeswidrig dem Steuerzahler berechnet haben soll. Und zu seinem Einkommen, das sich auf mehr als 13.000 Euro im Monat summiert.

Wer über den ob alledem sprachlos gewordenen Klaus Ernst, 55, Näheres erfahren will, muss in das Milieu eintauchen, das ihn prägt, seit er eine Lehre als Elektromechaniker begann und in dem Betrieb gleich eine Jugendvertretung gründete. "Er definiert sich bis heute über die IG Metall", sagt Wechsler, der ihn lange und gut kennt. Kämpferisch sei Ernst immer gewesen, sagt er, konsequent auf der Seite der Schwachen. Ein Vieldiskutierer. "Ein Spitzname von ihm war Ganzkörperrhetoriker", sagt ein anderer Kollege. Er will nicht namentlich zitiert werden, um die alte Freundschaft zu Ernst nicht zu belasten. Denn der Weggefährte sagt auch: "Der Klaus hat eine Art, die manchmal nervt. Er tut, als hätte er die Weisheit mit dem Löffel gefressen."

Vor einiger Zeit, bei einem Landesparteitag der bayerischen Linken, saß Klaus Ernst ganz hinten im Saal. Vor ihm bissen sich seine Parteifreunde in Satzungsfragen fest. Ernst überließ seine Argumente seinen treuen politischen Fußsoldaten. Dem Kleinkram entrückt, sinnierte er über sein Leben als Politiker. Wie er sich in einer Lufthansa-Lounge irgendeines deutschen Flughafens bewusst umgesehen und "lauter so Business-Typen" entdeckt habe, die allesamt "das Handy am Ohr in nichtssagenden Floskeln kommuniziert" hätten. Und wie ihm da klar geworden sei: "Du bist inzwischen genauso." Im Hamsterrad einer "furchtbaren Scheinwelt" (Ernst) aus Sitzungen, TV-Talkshows, Reden, Interviews. Verloren in der eigenen Wichtigkeit. Ohne Zeit für die Berghütte. Im Dienstwagen von Termin zu Termin rasend, anstatt im Oldtimer-Porsche auf Spazierfahrt. Den kurzen Ausflug in sein Inneres beendete Ernst bei jenem Parteitag mit seinem typischen, meckernden Lachen. "Ganz ehrlich, ich bin im Arsch", sagte er dabei.

Vergleich mit dem Säulenheiligen

Da war er noch lange nicht Parteivorsitzender. Vielleicht hat er einfach sein persönliches Bremspedal nicht gefunden. Wer mit 15 Jahren daheim auszieht, weil er es mit dem prügelnden Stiefvater nicht aushält, muss zäh sein, stark und ehrgeizig. So einer will nicht bis zur Rente als Elektromechaniker in einer Firma für Messtechnik arbeiten. 1979 geht Ernst nach Hamburg, studiert Volkswirtschaft und Sozialökonomie. Klaus Zwickel, der spätere Bundesvorsitzende, holt ihn 1984 zu sich nach Stuttgart und schickt ihn in den Aufsichtsrat von Porsche - daher die Vorliebe für die Automarke. 1995 lässt sich Ernst zum Ersten Bevollmächtigten der IG Metall in Schweinfurt wählen. Eine Industriestadt am fränkischen Main, 53.000 Einwohner. Ernst avanciert zum lokalen Gewerkschaftsfürsten, der seine Arbeitertruppen im Griff hat, der führt, begeistert, beherrscht und der perfekt zwischen kämpferischen Reden und pragmatischer Verhandlungskultur balanciert.

Ganz sicher wäre Schweinfurt Klaus Ernst irgendwann ohnehin zu eng geworden; da hätte es keiner Agenda 2010 des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder bedurft. Sie wurde Ernsts Sprungbrett in die große Politik. 2004 schart er Agenda-Gegner aus den Gewerkschaften um sich und gründet die WASG. Plötzlich ist auch das Medieninteresse an dem kleinen Gewerkschafter ganz groß. Die TV-Scheinwerfer lassen den Mann im stets feinen Tuch leuchten, der in seiner weichen Münchner Sprachfärbung so gewandt und knackig austeilen kann. "Ihn treibt auch die öffentliche Popularität an", sagt Jürgen Wechsler.

Dass er immer mehr polarisiert, ist Klaus Ernst egal. Selbst dann noch, als IG-Metaller ihn anraunzen, er solle nicht Parteipolitik in die Gewerkschaftsarbeit tragen, sondern umgekehrt. Bei den Linken geht das so weiter. "Er ist ein Genie darin, sich Feinde zu machen", sagt Sepp Obermeier, ein altgedienter Linker aus Oberbayern. Aber nicht jeder vertrage "dieses kracherte Auftreten, dieses ,Hoppla, jetzt komm ich'". Dabei sollten die ihm doch alle dankbar sein. Ernst sieht die Fusion von WASG und PDS als sein Werk, so oft wie er mit "dem Oskar" und "dem Gregor" telefoniert und beide zur gemeinsamen linken Sache überredet hat.

Als Oskar Lafontaine sich im Frühjahr 2010 vom Parteivorsitz zurückzieht, kassiert Klaus Ernst den vermeintlich verdienten Lohn. Er registriert nicht, dass sich weite Teile der Partei schon von ihm abgewandt haben. Sein bayerischer Landesverband etwa ist tief gespalten, und das hat viel mit ihm zu tun. Man hat Ernst auch nie verziehen, dass er nicht als Spitzenkandidat in die Landtagswahl 2008 zog und den Eindruck hinterließ, dass Bayern ihm zu popelig geworden war. Aber auch zur spröden Frust-Befindlichkeit vieler Ost-Linker passt der schneidige Klaus mit seinem forschen Wessi-Auftreten nicht.

Die Kritik vieler Genossen an seinem Lebensstil ist Folge all dessen, aber auch verlogen. Schließlich lebt der linke Säulenheilige Oskar Lafontaine bis heute auf viel protzigerem Fuß als Ernst, ohne dass sich ein Linker daran störte. Ernsts Ko-Parteichefin Gesine Lötzsch kommt momentan auch deshalb gut weg in der Partei, weil sie demonstrativ in einem Plattenbau in Berlin-Lichtenberg wohnt. Klaus Ernst käme es nie in den Sinn, in einen Plattenbau zu ziehen. Dann schon lieber in eine Berghütte.

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