Linke wehrt sich gegen Beobachtung:"Der Geheimdienst wird parteipolitisch benutzt"

Heftiger Schlagabtausch im Bundestag zur Überwachung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz: Die Abgeordneten der Linken geben sich kampfeslustig, werfen Schwarz-Gelb vor, die Geheimdienste parteipolitisch zu instrumentalisieren. Unterstützung erhalten sie von SPD und Grünen. Bundesinnenminister Friedrich hingegen verteidigt die Beobachtung der Linke-Parlamentarier.

Kathrin Haimerl

Die Regierungsbank ist ziemlich leer, dafür ist die Linksfraktion fast vollzählig zur Aktuellen Stunden an diesem Donnerstag im Bundestag erschienen. Die Stimmung ist gut, Gesine Lötzsch flüstert ihrem Ko-Vorsitzenden Klaus Ernst etwas ins Ohr, der grinst breit. Und die Stimmung wird noch besser, als ihr erster Redner, der Datenschutzbeauftragte Jan Korte, ans Pult tritt.

Bundestag

"Das ist ein Pfeifenverein und dabei bleibe ich": Linke-Fraktionschef Gregor Gysi (re.) und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bei der Aktuellen Stunde zur Überwachung der Linke-Parlamentarier im Bundestag.

(Foto: dpa)

Es geht in dieser aktuellen Stunde im Bundestag um die Überwachung linker Mandatsträger durch den Verfassungsschutz. Auf der einen Seite die Linksfraktion, die, wie es der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl ausdrückt, in "Kampfesstärke" erschienen ist. Auf der anderen Seite: Bundesinnenminister Friedrich, der der CSU angehört und die aktuelle Aufregung nicht so ganz verstehen will.

Am Wochenende berichteten mehrere Medien, dass neben elf Landtagsabgeordneten auch 27 Bundestagsabgeordnete der Linken unter Beobachtung stehen, also ungefähr ein Drittel der Fraktion. Dies sorgte nicht nur seitens der Linken für Kritik, während die Union die aktuelle Praxis rechtfertigte und sie Korte zufolge in den vergangenen Tagen "besonders engagiert und geifernd" gegen die Linke gehetzt habe.

Die Emotionen waren in den vergangenen Tagen hochgekocht. Wieso diese 27? Die Auswahl der Abgeordneten schien ziemlich willkürlich. Auf Friedrichs Liste finden sich zahlreiche Mitglieder des pragmatischen Flügels, etwa die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Zudem fällt auf, dass viele der Betroffenen einst der PDS beziehungsweise der SED angehörten.

An diesem Donnerstag stellt die Linke dem Parlament die Frage: Dürfen demokratisch gewählte Abgeordnete überwacht werden? Und: Wie verhält es sich mit Parlamentariern, die im Parlamentarischen Kontrollgremium sitzen, das seinerseits die Geheimdienste überwachen soll?

Der Datenschutzbeauftragte der Linksfraktion, Korte, fährt gleich richtig auf: Der Geheimdienst würde "parteipolitisch benutzt, um eine Opposition zu beobachten: Das ist schlicht antidemokratisch." Beim Verfassungsschutz handele es sich um eine "politische Geheimdienstbehörde, die Sie in Stellung gebracht haben", sagt er und deutet in Richtung Innenminister Friedrich, der gelangweilt in seinen Unterlagen blättert.

Korte weiter: "Ich weiß nicht, ob das bei Ihnen angekommen ist. Aber seit 1990 gibt es die DDR nicht mehr." Die "Kalte-Kriegs-Rhetorik" auf Seiten von Schwarz-Gelb entbehre jeglicher historischer Grundlage und sei "intellektuell erbärmlich". Begeisterung auf Seiten der Linksfraktion, Empörung bei den wenigen Abgeordneten auf der Regierungsbank.

Als Innenminister Friedrich ans Rednerpult tritt, kräuselt er die Stirn. Friedrich stützt sich bei seiner Argumentation auf Gerichtsurteile. Als Beispiel nennt er das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes NRW aus dem Jahr 2009, wonach bei der Linkspartei zahlreiche Anhaltspunkte vorlägen, dass sie ein kommunistisches System anstrebe, das mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sei.

Markige Worte, keine Lösung

Dann führt er ein Zitat von Sahra Wagenknecht an, in dem sie linke, autonome Truppen für unterstützenswert hält, was Friedrich vor Wut rot werden lässt: "Das ist unerträglich!", schimpft er. Der Linke fehle es in weiten Teilen an einer klaren Abgrenzung von Gewalt. Friedrich nennt starke Verbindungen zu ausländischen Guerilla-Organisationen wie der PKK, sowie unzureichende Distanzierungen zu Unrechtsstaaten: "Da werden Jubelbriefe, Liebesbriefe an Diktatoren geschrieben, auch das ist unerträglich!", ruft Friedrich.

Zudem gebe es offen linksextremistische Zusammenschlüsse in der Linken, wie das Marxistische Forum und die Kommunistische Plattform. "Wir können erkennen, auch am Beifall der Abgeordneten, welches Gewicht diese Chaoten in der Partei haben", ruft Friedrich. "Hallo, hallo! Aufwachen!", schallt es dem Innenminister von Seiten der Linksfraktion entgegen.

Die Auswahl der beobachteten Parlamentarier auf der Liste erklärt Friedrich an diesem Donnerstag erneut damit, dass diese entweder Mitglied einer offen extremistischen Teilvereinigung seien oder eine "herausgehobene Funktion" in der Partei hätten. Eine Steilvorlage für den Linke-Parlamentarier Steffen Bockhahn, der ebenfalls auf der Liste steht. Er zählt Betroffene auf - alles keine Funktionsträger in der Partei. "Sie belügen das Parlament!", ruft Bockhahn.

Unterstützung erhält Bockhahn von der SPD: Deren Innenexperte Dieter Wiefelspütz bezeichnet die Liste als "massive Verletzung" des Prinzips der Verhältnismäßigkeit und als rechtswidrig. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, sagt, die Liste sei "nicht frei von Peinlichkeiten".

Friedrich fährt sich mit der Zunge über die Lippen. Er kontert mit dem Argument, schon eine Woche vor Bekanntwerden der Liste habe er den Verfassungsschutz damit beauftragt, die Liste zu überprüfen. Auch der FDP-Innenexperte Stefan Ruppert räumt ein: "Ich glaube, die Liste muss überarbeitet werden."

Der Linke-Abgeordnete Bockhahn sitzt auch im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Aufgabe hat, die Tätigkeit der Geheimdienste zu überwachen. Ein Aspekt, den Volker Beck, der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, aufgreift: "Da versucht der Geheimdienst, seine eigenen Kontrolleure zu beobachten!" Das tangiere die Integrität der parlamentarischen Demokratie. Der Grünen-Politiker schlägt deshalb vor, dass bei der Aufnahme von Beobachtungen gegen einen Abgeordneten ein parlamentarisches Gremium zustimmen muss, um so die Kontrolle des Parlaments gegenüber den Geheimdiensten zu stärken.

Ganz am Ende darf Fraktionschef Gregor Gysi, der ebenfalls auf der Liste der beobachteten Abgeordneten steht, noch einmal kräftig mit dem Bundesverfassungsschutz abrechnen. Über Jahre hinweg sei es "diesem komischen Bundesamt" nicht gelungen, die Neonazi-Mordserie aufzuklären, stattdessen seien gleich mehrere Mitarbeiter hauptberuflich damit beschäftigt, Abgeordnete seiner Fraktion zu überwachen.

Eine Lösung hat auch er nicht parat, dafür aber markige Worte: "Deshalb sage ich, die sind balla balla und ein Pfeifenverein!", so Gysi.

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