Linke:Lafontaine provoziert seine Partei mit Forderung nach Obergrenze für Flüchtlinge

  • Ex-Linken-Chef Lafontaine fordert Obergrenzen für Flüchtlinge. Sonst müsse als Folge der Nachzug von Familienmitgliedern begrenzt werden.
  • Viele Linke sind entgeistert über diesen Zwischenruf.
  • Einer Umfrage zufolge kann sich ein erheblicher Teil der Linke-Anhänger vorstellen, eine Partei mit Nähe zu Pegida zu wählen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es war eine dieser Wortmeldungen, wie sie die Linken besonders lieben. Mitten im Streit über Familiennachzug für Asylbewerber forderte Ex-Linksparteichef Oskar Lafontaine Obergrenzen für Flüchtlinge. Es sei "menschlicher", die Zahl der Schutzsuchenden "durch feste Kontingente in Europa zu begrenzen", schrieb Lafontaine auf seiner Website. "Ein stetig ansteigender Zuzug dagegen hätte zwangsläufig zur Folge, dass der Nachzug von Familienmitgliedern begrenzt werden müsste."

"Offene Grenzen für alle" - diese Forderung der Linken stößt an ihrer Basis oft auf Widerspruch

Obergrenzen für Flüchtlinge? Viele Linken sind entgeistert über den Zwischenruf aus dem Saarland. "Die Position von Lafontaine wird in der Linken nicht geteilt", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken im Bundestag, Petra Sitte. Auch die Innenpolitikerin Petra Pau, die sich seit Jahren für Flüchtlinge einsetzt und deshalb bedroht wird, distanzierte sich. "Wir haben in der Gesellschaft einen aufbrausenden Rassismus", sagte Pau. Jede Nacht gehe eine Flut von Beschimpfungen über Politikern und der Kanzlerin nieder, mit der Pau sich solidarisiere. Wo "rassistischer Aufruhr" herrsche, dürfe die Politik keine Ängste schüren. "Namentlich die CDU zündelt erheblich." Aus "allen anderen Parteien" kämen aber problematische Beiträge. Gemeint: auch die Linke. Die fordert im Parteiprogramm "offene Grenzen für alle Menschen", stößt damit aber auf wachsende Widerstände.

Nicht nur bei ihren älteren ostdeutschen Stammwählern, sondern auch bei Arbeitslosen und Geringverdienern, die angesichts der Flüchtlinge um billige Wohnungen und Jobs fürchten. Nach einer Forsa-Umfrage vom Januar konnten zehn Prozent Linken-Wähler sich vorstellen, eine Partei mit Nähe zu Pegida zu wählen. Unter den Bundestagsparteien hatte die Linken-Basis demnach die größten Schnittmengen mit Rechtspopulisten.

Von manchen Wählern muss die Linke sich wohl verabschieden

"Natürlich versuchen wir, das auch mit unserer Klientel zu diskutieren", sagt Petra Sitte. "Aber die einfache Lösung ist da eben oft die schönere Lösung." Von manchem Wähler müsse die Linke sich "verabschieden". Parteichefin Katja Kipping erlebt in Dresden immer öfter, dass an linken Infoständen über Ausländer hergezogen wird, gern von älteren Damen. Gleichzeitig werde die Linke im Landtag für ihre Unterstützung von Geflüchteten beschimpft: "Die Lage spitzt sich gefährlich zu." Im Büro des Abgeordneten Jan Korte in Bitterfeld flog ein Gullideckel durchs Fenster.

Die Ressentiments kommen von außen, aber auch von innen. Und während Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow die Willkommenskultur zelebriert, vermeidet Fraktionschefin Sahra Wagenknecht jede Solidaritätsadresse an Flüchtlinge. Mal forderte sie die Kanzlerin auf, sich mehr für Rentner und Alleinerziehende einzusetzen. Mal warnte sie vor Kürzungen in Kommunen. "Ich will nicht, dass diejenigen, denen es schlecht geht, noch zahlen müssen für Flüchtlinge", sagte sie der SZ. Dass solche Warnungen überzogene Ängste schüren können, weist sie zurück. "Die Gefahr der Mietsteigerung besteht. Solange der öffentliche Wohnungsbau nicht massiv aufgestockt wird, sind das keine irrationalen Ängste."

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