Süddeutsche Zeitung

Linke stellt Präsidentschaftskandidatin vor:Frau Klarsfeld jagt nach Anerkennung

Vielleicht war es doch keine so gute Idee der Linken, die Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten zu nominieren. Zu offensichtlich ist, dass sie nun nur die Anerkennung einfordert, die ihr zusteht. Hinzu kommt eine für Linke befremdliche politische Präferenz: Klarsfeld outet sich als Anhängerin von Nicolas Sarkozy.

Thorsten Denkler, Berlin

Sie hört nicht mehr allzu gut, weshalb ihr Linke-Fraktionschef Gregor Gysi die Fragen der Journalisten noch mal mit eigenen Worten wiederholt. Das kann ihr schwerlich angelastet werden. Die als Nazi-Jägerin bekannt gewordene Beate Klarsfeld, die die Spitze der Linken hier in der Bundespressekonferenz als ihre Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten vorstellt, ist 73 Jahre alt.

Ihr zur Seite sitzen Gysi und die Parteivorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch. Klarsfeld ist vor allem die Kandidatin von Lötzsch. In einem eher peinlichen als konstruktiven innerparteilichen Findungsprozess hat sich überraschenderweise Lötzsch durchgesetzt.

Oskar Lafontaine wollte Klarsfeld nicht. Der starke Mann der Linken wollte eine Persönlichkeit fürs Soziale, den Armutsforscher Christoph Butterwegge. Als der gemerkt hat, dass es auf eine Kampfkandidatur zulaufen könnte, hat er abgewinkt. Am Montagmorgen zog sich dann noch die Linken-Abgeordnete Luc Jochimsen zurück. Beate Klarsfeld blieb übrig. So werden bei der Linken Kandidaten nominiert.

Jetzt, zwei Tage später bei ihrem Auftritt in Berlin, soll alles wieder gut sein. Bisher hat sich niemand despektierlich zu der Kandidatur geäußert. Am Morgen noch hatte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle Klarsfeld als ehrbare Person bezeichnet, deren Integrität er nicht anzweifle. In Mannschaftsstärke tauchte die Linke mit Beate Klarsfeld in der Bundespressekonferenz auf. Motto: Seht her, wir stehen wirklich und ganz ehrlich alle hinter ihr.

Sie sieht sich als "gute Deutsche"

Klarsfelds Lebensleistung wird inzwischen allseits anerkannt. Sie hat alte Nazi-Größen verfolgt, sie hat geholfen, manche hinter Gitter zu bringen und in anderen Fällen verhindert, dass diese sich ungehindert in der Politik breitmachen können. Legendär ist ihre Ohrfeige, die sie 1968 Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf dem Berliner CDU-Parteitag verpasst hat. Sie bestieg das Podium, schlug das frühere NSDAP-Mitglied Kiesinger und rief: "Nazi, Nazi, Nazi!"

Klarsfeld wurde noch am selben Tag zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, aus dem später vier Monate auf Bewährung wurden.

Als das "wichtigste Ergebnis" ihrer Arbeit wertet sie die Verurteilung des SS-Offiziers Klaus Barbie am 4. Juli 1987. Klarsfeld war es, die den "Schlächter von Lyon" Anfang der siebziger Jahre in Bolivien aufspürte. Ihr ist es zu verdanken, dass der Verbrecher Barbie gefasst und verurteilt wurde.

Überall - nur nicht in Deutschland

Sie sehe sich als "gute Deutsche", sagt sie nun in Berlin. Ihre Motivation sei immer gewesen, gegen das verheerende Bild der Deutschen im Ausland zu kämpfen. Immer an ihrer Seite: ihr Mann Serge, dessen Vater in Auschwitz ermordet wurde.

In Frankreich, in den USA, in Israel - überall erhielt Klarsfeld für ihr Engagement höchste Ehrungen. In Deutschland nicht. Es muss eine späte Genugtuung sein, dass sie jetzt als Kandidatin um das Amt des Bundespräsidenten nominiert wurde. Das scheint es ihr fast egal zu sein, von wem. Gefährlich egal sogar.

Es gibt nicht allzu viele Gemeinsamkeiten zwischen ihr und der Linken. Das bestreitet auf dem Podium auch niemand. Klarsfeld sei keine "linke Kandidatin" sondern eine "überparteiliche Alternative", erklärt Klaus Ernst. Erstaunlicher ist, wie wenig Klarsfeld offenbar über die Partei weiß, von der sie sich hat aufstellen lassen.

"Na und?"

Klarsfeld ist eine glühende Verfechterin des Staates Israel. In der Linken aber gibt es antiisraelische bis antisemitische Stimmen. Das aber interessiert sie verblüffenderweise gar nicht. Gefragt, was sie etwa von der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke halte, die das Existenzrecht Israels gerne mal indirekt in Frage stelle, antwortet sie, sie kenne die Frau gar nicht. Zudem sei doch ihre einstimmige Nominierung im Parteivorstand der Linken Beweis genug, "dass die Linke hinter meiner Position zu Israel steht". Wenn sie sich da mal nicht täuscht.

Klarsfeld geht es nicht um Politik. Ihr ist auch egal, dass die Partei, vor deren Karren sie sich spannen lässt, vom Verfassungsschutz beobachtet wird: "Ich wurde mein Leben lang beobachtet, na und?"

Es taucht auch die Frage auf, ob sie bei ihren Recherchen gegen Nazis mit der Stasi zusammengearbeitet habe. Ja, sie habe in den achtziger Jahren Zugang zu DDR-Akten bekommen. Aber das habe doch nichts mit Stasi zu tun gehabt. "Ich bin doch kein Spitzel." Zumindest aber hat sie wohl nicht so ganz genau hingeschaut, mit wem sie zusammenarbeitete, um ihre Ziele zu erreichen.

"Er hat mich schon zweimal ausgezeichnet"

Das macht sie offenbar auch jetzt nicht. Sie will Anerkennung, höchste Anerkennung. Mehr eigentlich nicht. In Frankreich unterstützt die Deutsch-Französin Klarsfeld Staatspräsident Nicolas Sarkozy in dessen Wiederwahlkampagne. "Er hat mich schon zweimal ausgezeichnet", sagt sie, als reiche das als Begründung.

Sarkozy ist das Gegenteil von links. Er tritt für die konservative UMP an. Angela Merkel unterstützt ihn im Wahlkampf. Die französischen Linken kritisieren Sarkozy auch deshalb, weil er Tausende Sinti und Roma aus Frankreich hat ausweisen lassen. "An dieser Stelle sind wir uns uneinig", sagt Fraktionschef Gysi zur französischen Polit-Präferenz der Kandidatin Klarsfeld.

Das Amt des Bundespräsidenten sieht sie übrigens so: "Nach dem, was ich geleistet habe, wäre das die höchste Annerkennung, die ich bekommen könnte."

Das Klarsfeld Anerkennung verdient hat, stellt niemand in Frage. Aber das Präsidentenamt als Lohn für ihre mutige Jagd auf alte und neue Nazis - das geht dann doch etwas zu weit. Klarsfeld läuft womöglich Gefahr, dass sie mit ihrer Kandidatur für die Linke jene Anerkennung verspielt, die ihr zustehen müsste. Verdient hätte sie das nicht.

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