Süddeutsche Zeitung

Linke-Spitzenkandidatin Schwabedissen im Interview:"Hoffentlich wachen die Deutschen rechtzeitig auf"

Endspurt in NRW: Zwei Tage vor der Wahl warnt Katharina Schwabedissen davor, dass die Finanzkrise in Deutschland zu griechischen Verhältnissen führen könnte. Im SZ-Gespräch erklärt die Spitzenkandidatin der NRW-Linken, worauf sie die schlechten Umfragewerte ihrer Partei zurückführt - und lässt durchblicken, dass sie gegen Oskar Lafontaines Rückkehr in den Linken-Vorsitz ist.

Oliver Das Gupta

Katharina Schwabedissen, Jahrgang 1972, machte eine Ausbildung zur Krankenschwester, danach studierte sie Geschichte und Philosophie. Ab 2004 engagierte sie sich in der WASG, 2008 wurde sie zur Landessprecherin der nordrheinwestfälischen Linken gewählt. Schwabedissen zählt sich zum linken Flügel der Partei. Zur Landtagswahl am 13. Mai tritt sie als Spitzenkandidatin ihrer Partei an. Die Aussichten, den Wiedereinzug ins Düsseldorfer Parlament zu schaffen, sind mau: Umfragen sehen die Linke derzeit bei unter fünf Prozent.

Süddeutsche.de: Frau Schwabedissen, in Schleswig-Holstein flog die Linke aus dem Landtag und ein ähnliches Schicksal droht den Genossen an Rhein und Ruhr. Warum sinkt der Zuspruch für Ihre Partei?

Katharina Schwabedissen: Ich glaube, wir knacken die fünf Prozent. Die Umfragen besagen, dass unsere Themen von der Mehrheit der Bürger als wichtig empfunden werden. Aber uns ist es offenbar nicht gelungen, ausreichend Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Wir hätten stärker vermitteln müssen, was wir im Landtag hier in NRW auf den Weg gebracht haben. Wir sind in den letzten Jahren als junge Partei von einem Wahlkampf in den nächsten gestolpert, ohne uns tief genug im Land verwurzeln zu können. Aber für eine Analyse ist nach der Wahl Zeit. Jetzt machen wir Wahlkampf.

SZ: Eine mögliche Erklärung wäre auch, dass viele Bürger sagen: Die Linken wollen ja gar nicht regieren, sondern opponieren nur. Was sagen Sie denen?

Schwabedissen: Dass wir sehr wohl mit SPD und Grünen koalieren würden, wenn die Inhalte stimmen. Aber mit uns sind Kriegseinsätze, Sozialabbau und Kürzungen bei den Menschen eben nicht zu machen.

SZ: Über Kriegseinsätze wird ja nicht in NRW entschieden. Und sparen kann die Linke doch: Im Bundesland Berlin hat eine rot-rote Koalition jahrelang einen knallharten Sparkurs gefahren.

Schwabedissen: Ja, aber was ist das Ergebnis gewesen? Unsere Wähler haben uns abgestraft. Viele Berliner Genossen und Genossinnen sehen auch, dass es Fehler gegeben hat. Eins muss klar sein: Wir dürfen zentrale Inhalte niemals opfern. Dinge, die wir im Wahlkampf versprechen, müssen eingehalten werden.

SZ: Die Piraten haben gute Chancen, in den Düsseldorfer Landtag einzuziehen - auch auf Kosten der Linken...

Schwabedissen: ... die Piraten nehmen gerade allen Parteien Stimmen weg.

SZ: Was haben die Piraten, was der Linken abgeht?

Schwabedissen: Die Piraten sind beliebig, die Linke ist klar. Die Linke vertritt klar die Interessen von Menschen, die sozial geschwächt sind. Bei den Piraten ist überhaupt nicht klar, wofür und für wen die stehen. Momentan punkten die Piraten aber auch wegen dieser Beliebigkeit. Jeder kann etwas bei denen finden, was ihm gefällt. Wenn es um Blockaden gegen Castor-Transporte geht oder um Nazi-Aufmärsche, dann ist die Linke da und nicht die Piratenpartei. Die tun so, als wären sie Protestpartei, dabei sind höchstens einzelne Piraten in der Protestbewegung verankert.

SZ: Die Piraten fordern wie die Linke ein bedingungsloses Grundeinkommen. Nehmen die Ihnen die Butter vom Brot?

Schwabedissen: Nein, denn wir sind das Original. Aber wir sehen uns genau an, ob wir Punkte bei den Piraten entdecken, die wir noch nicht aufgegriffen haben oder mit denen wir uns noch intensiver beschäftigen sollten. Aber natürlich hatten wir in unserer Programmdebatte im letzten Jahr liquid democracy.

SZ: Was sagen Sie den Bürgern am Wahlkampfstand, wenn die Sie fragen: Warum braucht Deutschland die Linke in den Parlamenten?

Schwabedissen: Wir sind die Stimme für soziale Gerechtigkeit - auch aus der Opposition heraus. Schon vor Jahren haben wir uns für Mindestlöhne eingesetzt. Damals lachten uns die anderen aus. Inzwischen diskutiert sogar die CDU darüber. Ich will mich nicht darüber beschweren, stelle aber fest: Die Linke setzt aus der Opposition heraus Themen, die später allen Menschen zugutekommen. Wir erkennen und benennen Lösungen oft früher, auch die aktuelle Krise ist ein gutes Beispiel.

SZ: Die Deutschen merken von dieser Krise bislang nicht so viel.

Schwabedissen: Aber in anderen Teilen Europas brennt es lichterloh. Und dann wählen die Leute die Linke, wie man jetzt in Griechenland sieht, wo unsere Schwesterpartei zweitstärkste Kraft wurde und über die Regierungsbildung verhandelte.

SZ: Müssen in Deutschland erst griechische Verhältnisse herrschen, damit die Linke reagiert?

Schwabedissen: Natürlich nicht! Die Linke will eben verhindern, dass wir solche Zustände bekommen. Wir wollen gerade nicht, dass Millionen Menschen in Armut gerissen werden, während die Reichen ihr Vermögen aus dem Land schaffen. Das sollten wir uns auch hier gut ansehen. Wir können jetzt etwas tun, aber dazu brauchen wir eine andere Politik. Ich hoffe sehr, dass die Deutschen rechtzeitig aufwachen.

SZ: Inwieweit schwächt Sie die Debatte um die Führung der Bundespartei?

Schwabedissen: Gar nicht. In NRW führen wir diese Debatte nicht, wir gucken uns das höchstens irritiert an. Es wird in den Medien ja auch etwas dramatisiert, außerdem ist so eine Debatte ja auch nicht wirklich schlimm. Wir sind eine junge Partei - jünger als die Piraten - die sich auch erst mal finden muss.

SZ: Im Juni wählt die Linke auf dem Göttinger Parteitag eine neue Parteiführung. Wen wünschen Sie sich als Doppel-Spitze?

Schwabedissen: Ich würde gerne zwei junge Leute an der Parteispitze sehen. Und ich hätte gerne einen Gesamtvorstand, der gut miteinander arbeitet.

SZ: Welche "Jungen" haben das Zeug für den Vorsitz?

Schwabedissen: Über Namen sprechen wir zuerst innerhalb der Partei, bevor wir es außerhalb tun. Sie können aber gerne bei uns mitdiskutieren - wenn Sie in die Partei eintreten.

SZ: Einer jungen Parteispitze müsste auch eine Verjüngung der Partei folgen. Der Altersschnitt der Linken ist ziemlich hoch.

Schwabedissen: Sie meinen, die Linke könnte aussterben? (lacht)

SZ: Das haben Sie gesagt.

Schwabedissen: Es ist richtig, dass wir viele ältere Mitglieder in Ostdeutschland haben. Aber es kommen auch viele junge Leute zu uns. Was uns in erster Linie fehlt, sind Menschen zwischen 30 und 45. Das hat sicherlich damit zu tun, dass diese Generation eher unpolitisch ist oder Parteien misstraut...

SZ: ...oder lieber bei den Piraten andockt....

Schwabedissen: Mal sehen, wie lange die dort bleiben! Der Hype um die Piraten wird enden. Und das Problem des hohen Altersschnitts haben viele Parteien, nicht nur die Linke.

SZ: In zwei Tagen wählt NRW. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was passiert, wenn Sie es nicht in den Landtag schaffen?

Schwabedissen: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube auch, dass wir es schaffen. Und wenn nicht, dann geht das Leben weiter. Der Politik werde ich auf jeden Fall erhalten bleiben. Am 17. Mai stehen ja schon die Bankenproteste in Frankfurt an ...

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