Süddeutsche Zeitung

Friedensdemonstration:"Eine unfassbare Relativierung des Faschismus"

Im Bundesvorstand der Linken gibt es massive Kritik an der "Täter-Opfer-Umkehr" bei der Friedensdemonstration von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer. Parteivize Katina Schubert wirft Wagenknecht vor, nicht gegen Entgleisungen vorgegangen zu sein.

Von Boris Herrmann

Nach dem "Manifest für den Frieden" von Sahra Wagenknecht und der dazugehörigen Kundgebung am Samstag in Berlin manifestiert sich die Spaltung bei der Linkspartei. Die stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert sagte der Süddeutschen Zeitung: "Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt: Wer einen Aufruf startet, der querfronttauglich ist, erntet Querfront." Bei der Demonstration vor dem Brandenburger Tor, zu der die Linken-Politikerin Wagenknecht gemeinsam mit der Publizistin Alice Schwarzer aufgerufen hatte, waren auch zahlreiche Teilnehmer aus dem rechten und rechtsextremen Milieu anwesend. Es habe sicher sehr viele Menschen gegeben, die einfach für Frieden auf die Straße gehen wollten und von prominenten Namen angezogen wurden, sagte Schubert: "Aber diese Demonstration hatte nichts mit linker Politik, gar mit linker Friedenspolitik zu tun."

Amira Mohamed Ali, die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, sprach dagegen von einem "wichtigen Zeichen, dass sehr viele Menschen wollen, dass wir aus der Kriegs- und Aufrüstungslogik ausbrechen und es stattdessen konsequente diplomatische Initiativen braucht". Mohamed Ali sagte, ihre Eindrücke würden sich mit den Angaben der Veranstalter decken, dass "mindestens 50 000 Menschen" vor Ort waren. Die Berliner Polizei schätzte die Teilnehmerzahl auf 13 000. Unmittelbar nach der Veranstaltung hatte Mohamed Ali ihre Begeisterung mit einem "Wow!" auf Twitter zum Ausdruck gebracht. "Da war nix wow", entgegnet nun Schubert, die auch Landesvorsitzende der Linken in Berlin ist.

Die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan hatten sich bereits im Vorfeld von der Kundgebung distanziert, weil ihnen eine klare Abgrenzung nach rechts fehle. Wagenknecht, die seit geraumer Zeit mit ihrem Parteiaustritt kokettiert, wehrt sich gegen den Vorwurf. Parteivize Schubert kritisierte Wagenknecht jedoch nicht nur für die Querfront-Bildung, sondern auch für die mangelnde Solidarität mit der Ukraine und die Verharmlosung des Kriegstreibers Wladimir Putin. "Die Täter-Opfer-Umkehr zog sich durch die Reden, soweit ich sie verfolgt habe", sagte Schubert.

Kein Wort über russische Panzer im Einsatz

Wagenknecht hatte in ihrer Rede unter anderem gesagt: "Wir wollen nicht, dass mit deutschen Panzern auf die Urenkel jener russischen Frauen und Männer geschossen wird, deren Urgroßeltern tatsächlich von der Wehrmacht auf bestialische Weise millionenfach ermordet wurden." Von den russischen Panzern, die in der Ukraine eingefallen waren, sprach sie nicht. Ins Zentrum ihrer Kritik stellte sie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. "Von all den grünen Panzernarren fühlen wir uns nicht vertreten", sagte Wagenknecht.

Schubert sagte: "Gleichsetzungen von Baerbock mit Hitler, wie sie unter den Teilnehmenden zu sehen waren, wurden nicht von der Bühne zurückgewiesen. In meinen Augen eine unfassbare Relativierung des Faschismus." Schubert hat auch ein praktisches Interesse an guten Beziehungen zu den Grünen. Sie sondiert derzeit in Berlin über eine Neuauflage der rot-grün-roten Koalition.

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