Linke: Programmentwurf vorgelegt:Lafontaines Vermächtnis

Als hätten Lafontaine und Wagenknecht den Programmentwurf allein geschrieben, manifestiert sich darin eine Strategie der maximalen Abgrenzung. Aber will die Linke das?

Thorsten Denkler, Berlin

Wer den beiden da oben zuhört, der kann den Eindruck gewinnen, es sei alles in Butter in der Linken. Die Noch-Parteichefs Lothar Bisky und Oskar Lafontaine - beide treten Ende Mai ab - stellten an diesem Samstag den ersten Entwurf für ein Grundsatzprogramm der Linken zunächst dem Parteivorstand, dann der Öffentlichkeit vor.

Alles sei gut, so darf Bisky verstanden werden. Er erwarte zwar geradezu eine hitzige Debatte in den kommenden Monaten. Doch die Grundzüge des Entwurfs würden nicht in Frage gestellt werden.

Es ist ein hart linkes Programm, das die Programmkommission in den vergangenen Wochen ausgearbeitet hat. Sie hat augenscheinlich alles daran gesetzt, auf der politischen Linken größtmögliche Originalität für sich beanspruchen zu können.

Bisky bemüht dafür einen Vergleich aus den Gebieten Glücksspiel und Verwurstung, um den neuen Unterschied zu den Mitbewerbern deutlich zu machen. Manche, die im politischen Raum von sich behaupteten links zu sein, hätten "mit Sozialismus soviel zu tun wie Pik mit Aspik". In dem Moment schaut Lafontaine auf und wagt schmunzelnd einen Blick auf Biskys Manuskript. Es ist nicht ganz klar, was ihn mehr amüsiert: Der Vergleich selbst oder Biskys Versuch, es mal mit einem Scherz zu versuchen. Der Programmentwurf ist zum Glück komplett spaßfrei.

Obwohl: Manche dürften durchaus für einen Scherz halten, was da aufgeschrieben steht. Ein Scherz jedoch, der die Qualität von Biskys Aspik-Vergleich kaum erreichen dürfte.

Verstaatlichung der Schlüsselindustrien gefordert

Es sind vor allem die Passagen zur Neuordnung der Ökonomie in diesem Land, die auch Mitglieder der Linken ratlos erscheinen lassen.

Als hätten Lafontaine und Erz-Kommunistin Sahra Wagenknecht allein den Programmentwurf geschrieben, wird darin eine Verstaatlichung nahezu sämtlicher Schlüsselindustrien und der privaten Großbanken gefordert. Privater Besitz wird nur noch als gut anerkannt, wenn er klein und mittelständisch ist. Die Linke wolle "kapitalistisches Eigentum überwinden", so steht es im Programmentwurf.

Zumindest dieser Eckpfeiler des Programmentwurfs aber dürfte in der Linken noch für Zündstoff sorgen.

"Der vorliegende Text für einen Programmentwurf der Partei Die Linke erweckt den Eindruck, als läge die Alternative in einer umfassenden Verstaatlichung", heißt es in einer Stellungnahme aus dem Landesverband Sachsen-Anhalt, die sich wie ein Brandbrief liest. Verfasser ist Birke Bull, der nicht nur Vize-Landeschef ist, sondern auch Mitglied der Programmkommission.

Mit dieser Verstaatlichungsrhetorik werde "das Kind mit dem Bade ausgeschüttet", schreibt Bull. Die Linke dürfe nicht die "vorhandenen Potentiale privaten Eigentums" ignorieren. Nicht Verstaatlichung, sondern soziale, demokratische und ökologische Regeln seien die Alternative zu grenzenloser Rendite.

Wie ein Henker vor dem Opfer

Lafontaine aber bleibt dabei: Wer der Linken vorwerfe, sie wolle Enteignung, der betreibe "Verleumdung", sagt er. Dann lächelt er sanft, wie ein Henker der seinem Opfer weismachen will, dass es schon nicht wehtun wird. "Wir wollen Enteignung rückgängig machen", sagt Lafontaine sanft.

Wer behaupte, das Vermögen von BMW sei von der Eigentümerfamilie Quandt geschaffen worden, der irre. "Es ist von zigtausenden Arbeitnehmern geschaffen worden." Es grüßt der alte Populist Lafontaine.

Der Programmentwurf entspricht eins zu eins seiner Vorstellung, dass sich die Linke nur in maximaler Abgrenzung zur SPD und den Grünen wird behaupten können. Das gilt für die Frage der Wirtschaftsordnung ebenso wie für die von Krieg und Frieden.

Viele wollen mitregieren

Hier entspringt der Kernstreit in der Linken. Einbetonierte Grundsätze lassen Linksbündnisse unmöglich erscheinen. Viele in der Linken aber wollen lieber mitregieren, anstatt das Feld dem selbsternannten bürgerlichen Lager zu überlassen.

Bisky bleibt hart, als die Frage nach der Bündnisfähigkeit aufkommt: "Wenn die Bündnisfähigkeit an Krieg gebunden ist, wird es keine Bündnisfähigkeit geben", sagt er und setzt noch laut ein "Punkt!" hinterher.

Lafontaine dagegen scheint ansatzweise verstanden zu haben, dass das künftig nicht mehr allein in seiner Hand liegt. Die Linke sei "zu Kompromissen bereit". Was dann wie ein Drohung klingen soll, ist doch auch eine Art Erkenntnis, dass mit dem Rückzug des Saarländers sich die Linke wohl von der Lafontaine-Partei zur Mitgliederpartei entwickeln könnte: "Die Kompromisse müssen so sein, dass sie von unseren Mitgliedern getragen werden", sagt Lafontaine.

Deutlicher hätte er die Dimension seines angekündigten Machtverlusts nicht beschreiben können.

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