Linke Mehrheit im Senat:Sarkozy und die Kammer des Schreckens

Den konservativen Senat in Frankreich gibt es nicht mehr: Sozialisten, Kommunisten, Grüne und andere Linke haben mit dem Oberhaus der Republik eine konservative Bastion eingenommen. Der Wahlausgang ist mehr als eine Palastrevolution: Präsident Sarkozy und seine gaullistische UMP-Partei haben das ländliche Frankreich verloren.

Stefan Ulrich, Paris

Es gibt dieses andere Frankreich, weit entfernt vom imperialen Glanz und globalen Getriebe der Metropole Paris. Es ist das Land der Platanenplätze und stillen Kanäle, der Kirchtürme, Landschlösschen, Natursteinhäuser, Hortensienbüsche, Stopfleber, Provinznotabeln, der endlosen Sommerferien und wehmütigen Erinnerungen. Charles Trenet hat es besungen, dieses liebliche Frankreich, la douce France, das sich "in zärtlicher Sorglosigkeit" wiegt und auch die Träume der stolzesten Pariser durchzieht.

Sarkozy

Frankreichs Präsident Sarkozy bei einer Rede in Paris: Dass die Linke den Palais du Luxembourg eingenommen hat, ist eine schwere Schlappe für Frankreichs Konservative.

(Foto: AP)

Dieses ländliche Frankreich ist, allem Wandel zum Trotz, zutiefst konservativ geblieben. Politisch wird es vom französischen Senat verkörpert, der seit mehr als einem halben Jahrhundert stets von der Rechten dominiert worden war. Mochten die Sozialisten mit François Mitterrand den Staatspräsidenten stellen oder bei den Wahlen zur Nationalversammlung triumphieren - der Senat blieb konservativ. Dafür sorgte das Wahlrecht, denn: Das Frankreich der Provinz stellt die meisten jener Wahlmänner, welche dann die Senatoren bestimmen. Die Sozialisten haben zu Recht immer von einer "demokratischen Anomalie" gesprochen.

Nun aber gibt es diesen konservativen Senat nicht mehr. Sozialisten, Kommunisten, Grüne und andere Linke haben bei der Wahl am Sonntag das Oberhaus der Republik erobert. Sie können diesen Sieg am kommenden Sonntag mit der Wahl des Senatspräsidenten, des zweithöchsten Mannes im Staate, krönen. Das alles ist mehr als eine Palastrevolution im Palais du Luxembourg, dem Sitz des Senats. Der Wahlausgang zeigt, dass sich etwas dramatisch verschiebt in Frankreich: Präsident Sarkozy und seine gaullistische UMP-Partei haben la douce France verloren.

Natürlich hat die Niederlage viele Väter und viele Gründe. So sind die Lokalpolitiker über eine Gebietsreform verärgert, die ihnen die Regierung übergestülpt hat; und dann ist da die Wirtschafts- und Finanzkrise, die den Unmut über die Herrschenden in Paris nährt. Das alles kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einen Hauptverantwortlichen für das Wahldebakel der Konservativen gibt: Präsident Nicolas Sarkozy. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2007 hat seine gaullistische Partei Kommunal-, Départements- und Regionalwahlen zum Teil krachend verloren. Dies schlägt sich nun im neuen, linken Senat nieder. Die Überraschung von diesem Sonntag ist Ausdruck einer Wechselstimmung von rechts nach links, die das ganze Land durchdringt.

Sarkozy mag sich noch so sehr auf internationaler Bühne abmühen, er mag Libyen befreien, die Nahost-Politik durcheinanderwirbeln und, vereint mit Angela Merkel, die Euro-Rettung versuchen - all das nützt nichts mehr. Die Franzosen haben sich abgewandt von ihrem Staatschef, und es ist zweifelhaft, ob sie sich ihm bis zur Präsidentschaftswahl 2012 wieder zuwenden werden.

Linke gegen Schuldenbremse

Der Mann im Élysée-Palast muss sich fragen, was er mit all dem politischen Kapital angefangen hat, über das er 2007 verfügte. Damals gewann Sarkozy nicht nur die Präsidentschaftswahl, er verfügte auch über eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments. Er dominierte die Gaullisten und weckte mit seinem Versprechen, Frankreich beherzt zu modernisieren, große Hoffnungen. Zugleich band er Linke und Grüne in sein Kabinett ein und schwächte so seine Gegner. Sarkozy schien beste Aussichten zu haben, als großer Präsident in die Historie einzugehen. Dazu wird es nicht kommen, und die Geschichtsbücher werden ihn auch noch als jenen Gaullisten erwähnen, der den Senat an die Linke verlor.

Machtpolitisch wäre das an sich nicht allzu schlimm, da das Oberhaus Gesetze nur verzögern, nicht aber verhindern kann. Symbolisch wirkt der Verlust des Palais du Luxembourg jedoch schwer. Sarkozys konservativ-liberales Lager ist verstört. Die Abgeordneten des Unterhauses - der Nationalversammlung - bangen nun um ihre Wiederwahl im kommenden Frühjahr. Immer mehr Gaullisten zweifeln an ihrem Präsidenten. Die Linke erhält dagegen einen Schub im Präsidentschaftswahlkampf. Er könnte einen Sozialisten bis in den Élysée führen.

Eine praktische Konsequenz hat die Senatswahl bereits. Sarkozy muss seinen Plan aufgeben, eine Schuldenbremse in die Verfassung einzubauen. Gegen den nunmehr roten Senat ist das nicht mehr möglich. Die Linke lehnt die Schuldenbremse ab. Das könnte einen Fingerzeig auf ihre künftige Politik geben und Euro-Rettern in anderen Ländern Sorge bereiten. Denn es ist nicht garantiert, dass ein linker Präsident die von Sarkozy eingeleitete, unpopuläre Politik der Haushaltssanierung weiterführen würde.

Wie es derzeit aussieht, dürften die Sozialisten im Frühjahr die Wahlen zur Präsidentschaft und zur Nationalversammlung gewinnen. Sie hätten dann eine so umfassende Macht in Frankreich, wie sie auch Mitterrand nicht besaß. Sie würden die Regierung, beide Häuser des Parlaments sowie die meisten Gemeinden, Départements und Regionen kontrollieren. So könnten sie Frankreich prägen.

Sarkozys Schicksal müsste die Linke dabei vor Übermut warnen. Die Franzosen sind schnell bereit, ihre Gunst wieder zu entziehen - und la douce France bleibt im Herzen ohnehin konservativ.

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