Linke klagt vor Bundesverfassungsgericht:Karlsruhe soll Regierung zum Reden bringen

Parlamentarier dürfen fragen, die Regierung muss antworten - theoretisch zumindest. Praktisch hingegen verwenden die Minister zu viel Energie darauf, Anfragen nicht zu beantworten, findet die Linksfraktion - und klagt deshalb in Karlsruhe. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Regierung von den Verfassungsrichtern rügen lassen müsste.

Daniel Brössler, Berlin

Wenn Abgeordnete etwas wissen wollen, herrschen zwischen Bundestag und Bundesregierung - im Prinzip - klare Verhältnisse. Die Parlamentarier dürfen jederzeit fragen, die Regierenden müssen immer antworten. Die Praxis sehe allerdings anders aus, beklagt die Linksfraktion. Wegen einer "Verletzung des parlamentarischen Fragerechts" hat sie deshalb Organklage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht.

60 Jahre Bundesverfassungsgericht

Wegen Verletzung des parlamentarischen Fragerechts hat die Linke Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

(Foto: dapd)

"Die Bundesregierung spielt mit den Abgeordneten Katz und Maus", sagt der Justiziar der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic. In sensiblen Politikbereichen wie der Terrorbekämpfung, dem Waffenexport oder dem Lobbyismus mache es sich die Bundesregierung "offenbar zur Aufgabe, eine klare, umfassende Antwort im Rahmen des rechtlich Möglichen zu vermeiden", sagt Neskovic.

Abgeordnete können sich laut Geschäftsordnung des Bundestags mit mündlichen oder schriftlichen Fragen an die Regierung wenden. Besonders wichtig ist das Instrument der "kleinen Anfrage". Genutzt wird es fast nur von Oppositionsfraktionen. Sie schicken Fragenkataloge an den Bundestagspräsidenten, der sie an die Bundesregierung weiterleitet. Diese muss innerhalb von 14 Tagen antworten.

Das tut sie in der Regel auch. Allerdings entstehe, moniert Neskovic, "häufig der Eindruck, als investierten die Ministerien mehr Energie dafür, Anfragen nicht zu beantworten, anstatt Parlament und Öffentlichkeit so sorgfältig und wahrheitsgetreu wie möglich zu informieren". In dieser Legislaturperiode habe es bei Bundestagspräsident Norbert Lammert bereits 44 Beschwerden wegen ungenügender Antworten gegeben.

Schon 2009 hatte sich die Regierung von den Verfassungsrichtern rügen lassen müssen. Abgeordnete der Grünen hatten geklagt, weil ihnen 2006 Antwort verweigert worden war auf die Frage, ob Parlamentarier von Nachrichtendiensten ausspioniert werden. Mit dem pauschalen Verweis auf Geheimhaltungsbedürftigkeit dürften die Abgeordneten nicht abgespeist werden, entschieden die Richter.

In dem Fall, den nun die Linksfraktion nach Karlsruhe gebracht hat, geht es um einen umstrittenen Polizeieinsatz in Dresden. Dort hatten sich am 19. Februar 20.000 Demonstranten gegen einen Nazi-Aufmarsch versammelt. Dabei gerieten sie an Polizisten, die mit Wasserwerfern oder Pfefferspray gegen sie vorgingen.

Weil auch Bundespolizisten an dem Einsatz beteiligt waren, wandten sich Abgeordnete der Linksfraktion in zwei "kleinen Anfragen" an die Bundesregierung. Die gab zwar Auskunft, dass 1818 Beamte in ihrer "originären Aufgabenwahrnehmung" und 1003 Bundespolizisten zur Unterstützung der sächsischen Polizei vor Ort gewesen seien, ansonsten verwies sie aber weitgehend darauf, zu Polizeieinsätzen der Länder nehme sie keine Stellung.

Ganz zu Unrecht, wie die Linken in ihrer Organklage argumentieren. Der Verantwortungsbereich der Bundesregierung sei immer dann berührt, wenn eine ihr nachgeordnete Behörde wie die Bundespolizei tätig werde. Es gehe mit der Klage grundsätzlich darum, "einer weitgehenden Aushöhlung des parlamentarischen Fragerechts wirkungsvoll begegnen zu können".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: