Linke:In der widerspenstigen Nische

Die Linke hat besonders um junge Wähler geworben - mit ein bisschen Erfolg. Doch ihre Führungsrolle in der Opposition ist verloren.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Ein einstelliges Ergebnis und hinter AfD, FDP und Grünen auf dem letzten Platz - für die Linkspartei zeichnete sich am frühen Sonntagabend ein bitteres Ergebnis ab. Nach den ersten Prognosen der ARD kam sie auf 8,9 Prozent, beim ZDF auf neun Prozent. Das wäre, bei aller Unsicherheit früher Vorhersagen, nur eine minimale Verbesserung im Vergleich zu 2013. Damals holte die Linke 8,6 Prozent. Und schon früh am Abend stand fest, dass sie weder dritte Kraft im Bundestag wird noch ihre Oppositionsführerschaft behaupten kann. Linken-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn sprach von einer "Zäsur für die Bundesrepublik".

"Zehn Prozent plus x" und drittstärkste Kraft im Bundestag, mit diesem Ziel war die Linke in den Wahlkampf gezogen. Mit Blick auf die Ergebnisse der AfD allerdings hatten sich die Parteioberen lange vor der Schließung der Wahllokale auf einen eher ungemütlichen Wahlabend eingestellt. In Berlin traf man sich im Festsaal Kreuzberg, einem ehemaligen Autohaus, das neben alten Fabriken und selbstgezimmerten Clubs an der Spree steht. Früher stand an dieser Nahtstelle zwischen Kreuzberg und dem Ost-Bezirk Treptow die Mauer, heute blüht hier eine unfrisierte, ziemlich hippe Freizeitlandschaft.

Neue Anhänger kommen oft aus Bewegungen wie Blockupy oder aus Antifa-Gruppen

Alt und Jung, Ost und West gemeinsam in einer widerspenstigen Nische - so oder so ähnlich konnte man die Botschaft des Ortes verstehen, den die Linke sich für ihre Wahlparty ausgesucht hatte. Oder anders ausgedrückt: Die Linke wildert gern in fremden Jagdgründen, hier am Rand der Grünen-Hochburg Kreuzberg.

German federal elections, Berlin, Germany - 24 Sep 2017

Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht kritisierte über Monate hinweg die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Parteifreunde warfen ihr vor, bald selbst wie die AfD zu klingen. Zuletzt änderte sie ihren Kurs ein wenig.

(Foto: BABANI/EPA-EFE/REX/Shutterstock)

Es kam anders. Nach ersten Prognosen schnitten die Grünen besser ab als erwartet, die Linke hingegen schlechter. Dabei hatte sie gehofft, besonders bei Wählern aus dem grünen Umfeld zu punkten. Die Linke, der viele ostdeutsche Stammwähler aus Altersgründen abhanden kommen, setzte auf Wählerzuwachs in Studenten-Milieus. 2017 seien mehr als 1000 neue Parteimitglieder eingetreten, netto, also unter Abzug der Abgänge, hieß es. Die meisten Neuen seien jünger als 35 Jahre und stammten oft aus Bewegungen wie Blockupy, Antifa-Gruppen oder dem Umfeld der Piraten, deren digitale Agenda sich die Linke einverleibt hat. Zudem, so hoffte man, würde die Aussicht auf ein Jamaika-Bündnis grüne Wähler zur Linken treiben.

Klar war aber auch schon vor der Wahl, dass die Linke befürchten musste, Wähler an die AfD zu verlieren. Bei den Landtagswahlen im Osten hatte sie hier erheblich Federn gelassen, übertroffen nur von der CDU. Gerade Menschen mit Abstiegserfahrungen und -ängsten nehmen die Linkspartei immer weniger als Protestpartei wahr. Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht suchte der Misere mit scharfer Kritik an der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zu begegnen. Sie klinge bald selbst wie die AfD, warfen Parteifreunde ihr vor. Der Ärger in der Linken war groß. Zuletzt korrigierte Wagenknecht ihren Kurs etwas, sprach von Solidarität mit gut integrierten Geflüchteten - wohl auch, um Grünen- Anhängern den Wechsel zur Linken zu erleichtern.

Mit Ende der Option Rot-Rot-Grün wurde es leichter, Wahlkampf mit Maximalforderungen zu machen

Umstritten war in der Linkspartei auch, wie stark man sich von der SPD abgrenzen sollte. Die Parteichefs Bernd Riexinger und Katja Kipping rieten hier zur Vorsicht. Denn bei aller Konkurrenz um soziale Themen wie Rente, Löhne, Mieten oder Pflege: Ohne eine starke SPD hat auch die Linke keine Machtperspektive im Bund. Doch die Hoffnung linker Reformer, mit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zu einem rot-rot-grünen Regierungsbündnis zu kommen, zerstob schnell. Mit der Wagenknecht-Partei, ließen SPD-Obere wissen, sei bundespolitisch kein Staat zu machen. Mit sinkenden Umfragewerten der SPD erledigte sich das Thema bald schon allein aus rechnerischen Gründen.

Der Linken hat das Fehlen einer Regierungsoption den Wahlkampf allerdings eher erleichtert. Spitzenkandidatin Wagenknecht etwa, die nie viel von einer Regierungsbeteiligung hielt, kam es entgegen, dass bald keiner mehr an ein Linksbündnis glaubte. Ihre Partei spielte in Fernsehdebatten zwar nur noch eine Nebenrolle. Dafür wurde es umso leichter, mit linken Maximalforderungen auf die Straße zu gehen. "Wer so ungeniert die Wähler verarscht, der sollte am Wahltag wirklich eine Quittung erhalten", sagte Wagenknecht kürzlich auf einer Kundgebung in Berlin - gemeint waren Union und SPD. Für Triumphgeheul allerdings bot die Wahlnacht dann wenig Anlass.

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