Linke im Chaos:Lafontaines letzte Schlacht

Die Linke fliegt aus den ersten Parlamenten, verliert scharenweise Protestwähler an die Piraten und leistet sich jetzt auch noch einen Kleinkrieg zwischen Ex-Parteichef Lafontaine und Reformer Bartsch. Jeder will Einigung. Aber keiner will klein beigeben.

Thorsten Denkler, Berlin

Veni, vedi, vici - ich kam, ich sah, ich siegte. Der römische Kaiser Julius Caesar soll diesen Satz seinem Freund Gaius Matius nach der Schlacht bei Zela im Jahr 47 vor Christus geschrieben haben. So in etwa dürfte sich das auch Oskar Lafontaine vorgestellt haben, als er sich Anfang der Woche auf den Weg vom Saarland nach Berlin machte. Die Sitzung der Partei- und Landesvorsitzenden am Dienstag sollte seine erneute Inthronisierung begründen.

Linke, Lafontaine

Oskar Lafontaine will Vorsitzender der Linken werden. Aber das läuft nicht so, wie er es geplant hatte. Dietmar Bartsch macht ihm Konkurrenz.

(Foto: dapd)

Damit wäre sein Plan aufgegangen, die gegenwärtigen Parteivorderen der Linken die Karre erst mal gehörig vor die Wand fahren zu lassen - um dann wie Phönix aus der Asche zu steigen und sich auf dem Parteitag im Juni vom jubelnden Parteivolk als Heilsbringer erneut in das Amt des Parteivorsitzenden tragen zu lassen.

Aber: Lafontaine hat sich verrechnet.

Es gibt keine Einigung, stattdessen kracht es weiter gewaltig in der Partei. Die ostdeutschen Reformer um Fraktionsvize Dietmar Bartsch proben den Aufstand. Sie wollen nicht länger zusehen, wie ihre Partei an der Rolle der Beton-Opposition zerbricht, die Lafontaine der Partei aufgedrückt hat.

Die Truppen um Lafontaine dagegen wollen die Linke als Protestpartei etablieren. Gegen Hartz IV, gegen Krieg - diese einfache Formel soll reichen. Inzwischen aber schicken sich die Piraten an, die Linke zumindest im Westen als Sammelbecken der Unzufriedenen abzulösen. Ein Rezept dagegen hat die Linke noch nicht gefunden.

Bartsch will selbst Parteichef werden, um die Partei programmatisch auf neuen Kurs zu bringen. Lafontaine aber will nur antreten, wenn es keinen Gegenkandidaten gibt. Er will klare Nummer eins sein. Alles andere sei nicht gerade eine "Krönung meiner Karriere", sagte er. Ein Einwurf, der zeigt: Als Parteivorsitzender will er unbedingt die Linke erneut in den Bundestag führen. Es wird seine letzte große Schlacht sein. Den Parteivorsitz will er sich da nicht auch noch erkämpfen müssen.

Gregor Gysi, Linken-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, empfiehlt beiden, sich zusammenzusetzen. Bartsch solle seine Kandidatur zurückziehen und Lafontaine im Gegenzug Bartsch als seinen Bundesgeschäftsführer akzeptieren.

Gut gemeint, aber Bartsch sieht nicht ein, warum er für Lafontaine zurückstecken soll. Lafontaine ist seit seinem gesundheitsbedingten Abgang 2010 nicht mehr unangefochten. Die von ihm mitausbaldowerte Nachfolgelösung hat sich als schwer verdaulich erwiesen. Gesine Lötzsch und Klaus Ernst an der Spitze waren schnell als Duo Infernale verschrien. Lötzsch machte einen politischen Fehler nach dem anderen. Und Porsche-Klaus muss sich wieder und wieder wegen seines Lebensstils rechtfertigen.

Lötzsch hat im Herbst als Erste ihre Absicht erklärt, erneut zu kandidieren. Zu Jahresbeginn hat sie das Ziel überraschend aufgegeben. Sie brauche Zeit, um sich um ihren erkrankten Mann zu kümmern. Seitdem steht Ernst allein an der Spitze. Was der Partei auch nicht geholfen hat - siehe Wahlergebnisse.

Die Zeit wird knapp

Sogar als Wahlkämpfer hat Lafontaine es schwer, zu überzeugen. Die Wahl an der Saar hat der Linken zwar noch knapp 16 Prozent eingebracht. Aber das waren ausgerechnet in Lafontaines Heimat fünf Prozentpunkte weniger als 2009.

Unter Lafontaine als Bundesgeschäftsführer zu arbeiten, muss für Bartsch überdies eine grauenhafte Vorstellung sein. Mit dem Saarländer verbindet Bartsch nichts außer gegenseitiger Abneigung.

Bartsch war bis 2010 bereits Bundesgeschäftsführer unter Lafontaine. Zum Zerwürfnis kam es, als Lafontaine Bartsch verdächtigte, für eine Indiskretion verantwortlich zu sein, die zu Spekulationen über eine Affäre von Lafontaine mit der Kommunistin Sahra Wagenknecht führte. Auf dem Jahresauftakt der Linken im Januar 2010 kam es zum Eklat, als Fraktionschef Gregor Gysi den Vorwurf der Illoyalität in seiner Rede im Berliner Congress Centrum öffentlich machte. Bartsch zog darauf seine erneute Kandidatur für das Amt des Bundesgeschäftsführers zurück.

Inzwischen treten Lafontaine und Wagenknecht offiziell als Paar auf, was der innerparteilichen Lage nicht gerade guttut. Im Gespräch war schon, dass beide die Doppelspitze der Partei bilden sollten. Oder dass Wagenknecht Gysi als Fraktionschef ablöst. Politisch wären das durchaus reizvolle Konstellationen. Vor allem die Reformer aber können sich kaum vorstellen, dass Lafontaine und Wagenknecht zur gleichen Zeit wichtige Rollen in der Partei übernehmen. Das würde den Eindruck noch verstärken, die Partei wäre so etwas wie Lafontaines privater Hobbykeller, in dem er schalten und walten kann, wie er will.

Als wollte er klarmachen, wie ernst es den Reformern mit der Verhinderung von Lafontaine ist, hat jetzt Sachsens Linken-Chef Matthias Höhn seine Kandidatur als Bundesgeschäftsführer erklärt - und zugleich Dietmar Bartsch seine Unterstützung zugesichert.

Neben dem Clinch der Männer hat die Partei ein akutes Frauenproblem. Laut Satzung muss in der Doppelspitze der Partei wenigstens eine Frau vertreten sein. Wagenknecht gehört zwar zweifelsohne zu den profiliertesten Frauen in der Linken. Sie zeigt aber keine entsprechenden Ambitionen. Und auch auch alle anderen in Frage kommenden Frauen haben abgesagt. Manche wie Parteivize Katja Kipping aus guten Gründen - sie will sich erst mal um ihre kleine Tochter kümmern. Andere winken ab, weil sie neben einem möglichen Ko-Vorsitzenden Lafontaine wohl untergehen würden.

Kipping hat wohl auch deshalb jetzt eine Frauen-Doppelspitze ins Spiel gebracht - ohne allerdings eine Antwort auf die Frage geben zu können, wer dafür denn in Frage käme.

Die Zeit wird knapp: Bis zum Bundesparteitag Anfang Juni in Göttingen müsste die Linke eine Lösung finden. Die Partei steht vor einer Zerreißprobe. Die Suche nach einer neuen Führung komme einem "Schmierentheater" gleich, schimpft der Thüringer Fraktionschef Bodo Ramelow. Dabei gäbe es für die Linke durchaus etwas zu feiern: Vor fünf Jahren schlossen sich in Berlin Linkspartei/PDS und WASG zur neuen Partei "Die Linke" zusammen. Die Jubiläumsfeier sollte eigentlich in Göttingen steigen.

Doch Partystimmung will einfach nicht aufkommen in diesem verflixten fünften Jahr.

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