Linken-VorsitzDie vierte Kandidatin

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Heidi Reichinnek ist die Vorsitzende der Linken in Niedersachsen. Geboren und aufgewachsen ist sie aber in Sachsen-Anhalt.
Heidi Reichinnek ist die Vorsitzende der Linken in Niedersachsen. Geboren und aufgewachsen ist sie aber in Sachsen-Anhalt. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Auch die Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek will Vorsitzende der Linken werden - und fordert damit Parteichefin Janine Wissler heraus.

Von Boris Herrmann, Berlin

Heidi Reichinnek, die frauenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, bewirbt sich um den Parteivorsitz der Linken. Am Mittwochmittag teilte sie mit: "Wenn wir die Krise unserer Partei überwinden wollen, muss sich die viel beschworene Erneuerung auch im Parteivorstand widerspiegeln. Es darf kein Weiter-so geben." Schon da klingt an, dass sich Reichinneks Kandidatur auch gegen die bisherige Parteichefin Janine Wissler richtet, die ebenfalls wieder antritt.

Die Linke wählt auf ihrem Parteitag Ende Juni in Erfurt ihren kompletten Bundesvorstand sowie ihre Parteivorsitzenden neu. Laut Satzung muss der Doppelspitze mindestens eine Frau angehören. Bislang haben neben Wissler der Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann und der Europaparlamentarier Martin Schirdewan ihre Kandidaturen erklärt. Reichinnek hat nun angekündigt, für den weiblich quotierten Platz anzutreten. Damit fordert sie Wissler direkt heraus. Die Parteivorsitzende steht nach einer Serie von Wahlniederlagen in der Kritik, gleichzeitig befürworteten maßgebliche Köpfe der Linkspartei ihre erneute Kandidatur.

Rein theoretisch könnten Wissler und Reichinnek auch wieder eine weibliche Doppelspitze bilden. Wisslers ehemalige Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow war im April nach nur 14 Monaten an der Parteispitze zurückgetreten.

Reichinnek, 34, zog 2021 erstmals in den Deutschen Bundestag ein und schaffte es direkt in den Fraktionsvorstand. Bereits 2019 wurde sie zur Landesvorsitzenden der Linken in Niedersachsen gewählt. Geboren und aufgewachsen ist sie aber in Sachsen-Anhalt, was immerhin die Möglichkeit eröffnet, in einer Doppelspitze mit der Hessin Wissler den in dieser Partei besonders wichtigen Ost-West-Proporz zu wahren.

Unmissverständliche Kritik an Wissler

Bevor Reichinnek in der Mutterpartei Karriere machte, war sie die Landessprecherin der Linksjugend Solid in Niedersachsen. Die Jugendorganisation liegt mit dem Parteivorstand seit geraumer Zeit über Kreuz. In der jüngsten Me-too-Debatte griffen führende Solid-Vertreter Parteichefin Wissler scharf an und warfen ihr vor, Fälle von Sexismus und sexuelle Übergriffe in Kreisen der Partei allzu schleppend aufgeklärt zu haben. Wissler weist diese Vorwürfe vehement zurück.

Aber Reichinneks Verwurzelung in der Jugendorganisation sowie ihre aktuelle Aufgabe als Frauenbeauftragte der Bundestagsfraktion dürften nicht unbedingt für ein ungetrübtes Verhältnis zwischen den beiden Kandidatinnen für den Parteivorsitz sprechen.

Ihr Bewerbungsschreiben garnierte Reichinnek mit unmissverständlicher Kritik an Wissler: "Das Eintreten für Feminismus heißt auch, unsere eigenen Probleme in den Griff zu bekommen. Es muss unmissverständlich klar werden: Sexismus und erst Recht sexualisierte Gewalt haben Konsequenzen und werden auf keiner Ebene unserer Partei toleriert."

Die Linke befindet sich in einer existenzbedrohenden Situation. Bei der zurückliegenden Bundestagswahl schaffte sie nur dank dreier Direktmandate den Wiedereinzug ins Parlament. In bundesweiten Umfragen liegt sie mittlerweile stabil unter der Fünf-Prozent-Hürde. Bei den bisherigen Landtagswahlen in diesem Jahr, im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen scheiterte die Linke an dieser Hürde jeweils kläglich.

Auf dem Erfurter Parteitag, da sind sich ausnahmsweise alle einig, muss unbedingt eine Trendwende gelingen. Als niedersächsische Landesvorsitzende wird Heidi Reichinnek in diesem Jahr aber noch eine weitere Gelegenheit haben, den Trend umzukehren. In Niedersachsen wird im Oktober ein neuer Landtag gewählt. In der jüngsten Umfrage lag die Linke dort bei 2,5 Prozent.

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