Es sieht alles so aus, wie man sich es vorstellt in Freiburg. Ein kleines Café mit Selbstbedienung, Menschen mit Rastalocken sitzen herum, auf den Tischen liegen Flyer für ein Reggae-Konzert. An einem Tisch sitzt Nicola, der so heißen will und auf dessen Wunsch das Café in diesem Text keinen Namen besitzt. Nicola ist Mitglied der "Autonomen Antifa Freiburg", über deren Arbeit er erzählen will. Er legt aber Wert darauf, dass er nicht der Sprecher ist. "Wir sind eine antiautoritäre Gruppe von Anarchistinnen und Anarchisten, bei uns gibt es keine Hierarchien", sagt Nicola.
Man hat sie oft belächelt die Antifas, die Antifaschisten, hat an Batikhemden gedacht und Gruppen, die nach langer Diskussionen beschließen, dass es mit diesem faschistoiden Staat so nicht weitergehen kann und darf.
So ist das Klischee - doch die Antifa Freiburg hat damit nichts zu tun. Nicola hat einen Laptop mitgebracht und zeigt die Erfolge der vergangenen Monaten: Sie haben den NPD-Kreisverband Freiburg zerschlagen und eine rechtsextreme Kameradschaft aufgedeckt. Und sie haben einen mutmaßlichen Bombenbauer mit Verbindungen zur NPD aufgespürt, bei dem die Polizei dann Baupläne und Chemikalien fand.
Informationen der Autonomen
All das kann man auf Nicolas Computer in diesem Freiburger Café nachlesen. Nicola sagt: "Ich bekomme oft die Frage gestellt, warum wir erfolgreicher sind als der Verfassungsschutz."Als die Grünen neulich im Landtag nachfragten, welche Erkenntnisse denn über die rechte Musikszene in der Region Enzkreis vorlägen, antwortete Innenminister Heribert Rech (CDU): "Nach Internetveröffentlichungen der Autonomen Antifa Freiburg sollten bei dem Konzert am 22. Mai 2010 die Musikgruppen Devils Project, Faustrecht und Angry Boots Boys auftreten." Aufgrund der vorliegenden Informationen habe die Polizei das Konzert unterbunden. Ein CDU-Innenminister nennt Informationen einer Autonomen Antifa Gruppe als Grund für einen Polizeieinsatz. Das hat es so noch nicht gegeben.
Die Homepage der Autonomen aus Freiburg liest sich wie ein Verfassungsschutzbericht. Nur dass die Autonomen gar nicht so viel von der Verfassung dieses Landes halten. Sie sind eine Mischung aus Journalist, Paparazzi, Stalker und politischem Aktivisten. "Wir recherchieren nach Rechtsextremisten und deren Verbindungen", sagt Nicola. Dann stellen sie die Informationen ins Netz, mit vollem Namen und Adresse der mutmaßlichen Nazis. Mit Bankkonto, Autokennzeichen und Bausparvertrag. Alles was sie finden können. Und Gnade kennen sie selten.
Über das Mitglied einer Nazikamaradschaft heißt es, er nutze seine Yahoo-Mailadresse für Verabredungen mit seinen Eltern, zum Tauschen von Pornobildern und für den Streit mit der Freundin: "Mir kommt es vor, dass Du Dein Ziel erreicht hast und schwanger bist, und wenn ich nicht das mach, wie Du es willst, kann ich bleiben, wo der Pfeffer wächst", wird der Mann zitiert.
Die Autonomen, die auch für Anonymität im Netz kämpfen, machen hier das Gegenteil. Sie stellen Menschen bloß, sie outen vermeintliche Nazis. Die Badische Zeitung fühlte sich schon an den "mittelalterlichen Pranger" erinnert. Die Staatsanwaltschaft startet regelmäßige Ermittlungsverfahren, die eine ganze Reihe von möglichen Straftatbeständen abdecken: Verstöße gegen das Datenschutzgesetz, Stalking, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen sowie Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz (Recht am eigenen Bild). Bisher verliefen alle Ermittlungen im Sande, weil man nie die Urheber der Texte ausfindig machen konnte. Nicola, der ja einer von ihnen ist, sagt, die Polizei habe sich aber durchaus schon ihrer Internetseite bemächtigt. "So läuft Zensur in Deutschland, die Polizei übt Druck auf den Provider aus, der will keinen Ärger und gibt nach, schaltet unsere Seiten ab." Die Autonomen mussten dann manchmal Passagen ihrer Texte streichen, zum Beispiel die Beleidigungen des örtlichen Polizeipräsidenten.
Eine Art Selbstjustiz
Seit März haben sie nun den Provider gewechselt, der neue sitzt in Island, das sich nach dem Zusammenbruch der lokalen Banken als eine Art Insel der Meinungsfreiheit einen Namen machen will . "Da kommt an unsere Seite keiner ran", sagt Nicola. So könne ihnen nun keiner mehr reinreden. Sie sind ihr eigenes Gesetz und Gericht, entscheiden, wen es trifft und wen nicht. Es ist eine Art Selbstjustiz.
"Wir akzeptieren das staatliche Gewaltmonopol nicht, haben aber schon eine Ethik", sagt Nicola, "wir machen keine Daten von Mitläufern öffentlich, nur von überzeugten Nazis. Wir haben lange über den Fall eines 18-Jährigen diskutiert: Darf man das. Wir meinen ja: Er ist ein überzeugter Nazi, er hat Strukturen aufgebaut."
Für die, die mit Namen und Adresse im Netz stehen, hat das Folgen. Der Redakteur eines lokalen Anzeigenblattes wurde entlassen, weil er sich im Internet Hakenkreuz-Pullis bestellt hatte, der NPD-Kreisverband Freiburg löste sich aus Angst vor Angriffen auf, als die Namen der Mitglieder im Netz standen.
Wie sie an ihre Informationen kommen, möchte Nicola nicht genau sagen: Manchmal schreibe man eine E-Mail, komme in Kontakt und gewinne ihr Vertrauen. Manchmal, so muss man vermuten, zapfen sie die Computer ihrer Opfer an. Auf der Homepage ist mittlerweile eine ganze Bildergalerie von Nazis zusammengekommen. Es ist letztlich eine Methode, die die Linken von den Neonazis übernommen haben. Die stellen schon seit Jahren die Namen ihrer Kritiker und anderer missliebiger Personen ins Netz.
"Wir haben nur oberflächlich betrachtet ein ähnliches Vorgehen wie die Rechten. Unsere Ideologie ist eine ganz andere. Wir machen das, um Menschen vor Nazis zu schützen. Die Nazis machen es, um Menschen zu töten. Uns geht es in erster Linie um Aufklärung." Derzeit sind sie auf der Spur eines NPD-Kaders aus Bayern. Nicola hat schon den gesamten E-Mail-Verkehr in seinem Computer. Der Betreffende hat davon bisher keine Ahnung.