Man muss die Linkspartei nicht mögen. Und es gibt haufenweise Gründe, ihr mit Distanz zu begegnen. Das alte Nichtberührungsgebot aber, wonach sich jeder mit Schmutz besudelt, der mit der "Nachfolgepartei der SED" zusammenarbeitet, muss fallen. Bei SPD und Grünen ist das längst geschehen. Jetzt müssen auch CDU und FDP umdenken, und zwar schnell und bis hinauf in ihre Bundesvorstände. Denn spätestens seit der Thüringen-Wahl ist klar: Wenn die demokratischen Parteien nicht zusammenrücken, ist nicht nur Ostdeutschland in Gefahr. Es ist das ganze Land.
Drei Mal ist die AfD jetzt zweitstärkste Kraft bei ostdeutschen Landtagswahlen geworden. Zuletzt reüssierte sie mit dem Thüringer Spitzenkandidaten Björn Höcke, der seine faschistische Rhetorik mit dem Appell verbindet, dem angeblich so verrotteten demokratischen System den Garaus zu machen. Es gibt Rechtsterror in Deutschland, bewaffnete Angriffe auf Juden und Menschen mit dunkler Haut. Ein engagierter Lokalpolitiker wurde erschossen. Und was machen die CDU-Oberen in Berlin? Stellen nach dem Desaster der Thüringen-Wahl fest, dass auch ihre Partei dort für eine Mehrheit gegen die AfD gebraucht wird. Über eine Kooperation mit dem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow aber, igitt, dürfe in Erfurt gar nicht erst nachgedacht werden.

Junge AfD-Wähler:Die Wütenden und die Enttäuschten
Nach dem Wahlerfolg der AfD richtet sich der Fokus auf junge Wähler. Doch eine bessere Erklärung könnte ein sozialpsychologischer Ansatz liefern.
Im Jahr 30 nach dem Mauerfall aber drängen sich Fragen in den Vordergrund, die schwerer wiegen als das, was war
Keine Frage, für die christlich geprägten Unionsparteien waren SED, PDS und Linkspartei, mithin der Kommunismus, über Jahrzehnte der wichtigste ideologische Gegner. In der alten Bundesrepublik wie in der DDR lieferte der Systemstreit zwischen Sozialismus und freiheitlicher Grundordnung den strukturkonservativen Eliten ihre Existenzberechtigung. Zu ihnen zählte immer auch die SED . Sich aus dieser Fundamentalopposition zu lösen ist schwer. Zumal die Linkspartei es ihren Kritikern immer leicht gemacht hat, sie in die alte SED-Kiste zu sperren.
Nein, es gab kaum echte Aufarbeitung von DDR-Unrecht durch die Linkspartei. Stasi-Spitzelei, Verrat und Menschenrechtsverletzungen wurden mal verdrängt, mal weggelogen. Auch Talente wie Gregor Gysi haben ihren Einfluss im Osten nicht für historische Aufräumarbeiten genutzt. Und der kämpferische Ton einer Sahra Wagenknecht führte von Kapitalismuskritik zuletzt aufs Feld der Ressentiments gegen Migranten.
All das muss man nicht gut finden. Im Jahr 30 nach dem Mauerfall aber drängen sich Fragen in den Vordergrund, die schwerer wiegen als das, was war. Wie zimmert man eine demokratische Mehrheit, wo jeder Vierte rechtsextrem wählt? Wie anfechtbar ist die Demokratie geworden? Wer jetzt nicht anpackt in den längst nicht mehr neuen Ländern und sich aufs Gestern rausredet, handelt verantwortungslos. Das gilt auch für die FDP, deren Bundesvorsitzender nach der Thüringen-Wahl erklärte, seine Partei mache sich die Hände nicht schmutzig an einer Koalition mit der Linken. Die Liberalen können das: sich überflüssig machen.
Wegducker aber braucht das Land nicht, sondern Parteien, die mutig Abschied nehmen von Befindlichkeiten der Vergangenheit. In einer bedrohlich gewandelten politischen Landschaft muss mehr Grips auf das verwendet werden, was demokratische Parteien verbindet statt trennt. Auch die Linke ist eine demokratische Partei. Sie wird jetzt gebraucht.