Linke:Bitte zusammenreißen

Heike Haensel

Deutliche Töne auf Schwäbisch: Heike Hänsel, die vehement linke Positionen vertritt, soll Fraktionsvize werden.

(Foto: Thomas Trutschel/photothek)

Die Linke verordnet sich Friedfertigkeit - so sollen Pragmatiker und Poltergeister gemeinsam die neu zu wählende Fraktion führen können.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Der Generationswechsel bei den Linken spricht Schwäbisch, er liebt das Angeln und soll Friedfertigkeit herstellen. Ob das allerdings gelingt, bleibt abzuwarten. Am Dienstag wählt die Linkspartei im Bundestag einen neuen Fraktionsvorstand, und es dürften da Gesichter nach vorne rücken, von denen mindestens eines fürs Vorrücken bislang nicht vorgesehen war: Die ultralinke Entwicklungspolitikerin Heike Hänsel soll stellvertretende Fraktionschefin werden, zusammen mit dem Reformer Jan Korte. Die beiden, die als persönliche Stellvertreter der Fraktionschefs vor allem für Vollzug sorgen sollen, sind - vorsichtig ausgedrückt - ein recht ungleiches Duo. Aber Teams wie Feuer und Wasser haben bei der Linken jetzt Konjunktur.

Sevim Dağdelen vom linken Flügel verzichtet nach interner Kritik auf eine Kandidatur

Seit Gregor Gysi sich von der Fraktionsspitze der Linken zurückgezogen hat, um Jüngeren Platz zu machen, haben Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch die Führung übernommen. Ihr Motto: auskommen miteinander, irgendwie. Bisher lagen sich die Linksaußenspielerin Wagenknecht und der Pragmatiker Bartsch regelmäßig in den Haaren, auch bei zentralen Themen wie Militäreinsätzen, Europa oder dem Sparpaket für Griechenland. Schon am Tag ihrer Wahl aber machten die beiden klar, dass sie dem Publikum nicht den Gefallen zu tun gedenken, in öffentlichen Zank auszubrechen. Es gebe zwar gewisse Differenzen, sagten sie, etwa bei der Beurteilung des Euro, den Wagenknecht im Grunde ablehnt, Bartsch nicht; ansonsten aber sei man sich zu 90 Prozent einig, versicherten beide.

Zusammenreißen ist die Devise bei der Linken, auch bei den Abgeordneten, die bis zuletzt noch gehadert haben mit dem neuen Führungsduo. Statt hemmungslos übereinander zu lästern wie früher, üben die Gesinnungsgruppen sich in Disziplin. Schon zwei Wochen nach der Wahl der Fraktionschefs aber brach der erste Konflikt auf. Als herausgehobene persönliche Stellvertreter für den elfköpfigen Fraktionsvorstand schlug Bartsch den Innenpolitiker Korte vor. Wagenknecht favorisierte Sevim Dağdelen - ein rotes Tuch für den Mittelbau der Fraktion.

Dağdelen, Duisburgerin mit außenpolitischer Mission, gilt bei den Gemäßigten der Fraktion als Poltergeist vom linken Flügel. In der Ukraine-Krise schimpfte sie auf die "Kumpanei der Bundesregierung mit Faschisten" und redete Wladimir Putin im russischen Staatsfernsehen nach dem Mund. Mal ging sie auf die "verwelkten Grünen" los oder auf Reformer in den eigenen Reihen, die es gewagt hatten, die Rolle der UN im Kampf gegen die islamistische Terrormiliz IS zu betonen. Dafür gab es einen bösen Brief von Gregor Gysi.

Sevim Dağdelen in herausgehobener Funktion in der Bundestagsfraktion? Ausgerechnet auf einem Posten, der für Arbeitsfähigkeit sorgen soll? Wenn das passiere, ziehe er sich aus der Fraktionsarbeit zurück, soll der Abrüstungsexperte Jan van Aken gedroht haben. Auch andere protestierten. Da verzichtete Dağdelen. Sahra Wagenknecht, die mit Dağdelen befreundet ist, zeigte sich enttäuscht, musste so aber keine erste Abstimmungsniederlage riskieren. "Ich finde es schade. Sevim Dağdelen macht eine sehr gute Arbeit", sagte sie der SZ. "Aber sie hat leider ihre Kandidatur zurückgezogen, sie wollte nicht, dass es gleich zu Beginn einen unnötigen Konflikt an dieser Stelle gibt."

Nun soll eine andere Lösung her, das kleinere Übel, sagen manche. Die wenig bekannte Heike Hänsel aus Tübingen soll Wagenknechts Sachwalterin werden. Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin und hörbar Schwäbin, hat Ernährungswissenschaft studiert und in Lateinamerika zu Friedensgruppen gefunden. Sie gehört zur lauten, wenn auch kleiner werdenden Gruppe derer, die auf Reinerhaltung der linken Lehre pochen, etwa bei Militäreinsätzen. Zuletzt landete sie auf der Antisemiten-Liste des Simon-Wiesenthal-Zentrums. Hänsel war beim "Toilettengate" dabei, als israelfeindliche Publizisten Gregor Gysi durch den Bundestag hetzten.

In dieser Gesellschaft wirkt Jan Korte von nahezu eherner Solidität. Der Politologe, der als Vize von Dietmar Bartsch kandidiert, stammt aus Osnabrück und war bei den Grünen, bevor der Jugoslawienkrieg ihn in die PDS trieb. Auch außerhalb der Linksfraktion gilt der Datenschutzexperte als vernünftiger Kopf, der für rot-rot-grüne Planspiele zu haben ist, gegen Vorratsdatenspeicherung eintritt und für Bürgerrechte. Korte tut das meist differenziert, wenn auch selten hörbar. Neulich aber wurde der passionierte Angler mal lauter. "Sie ticken ja völlig aus", rief er im Bundestag einem CSU-Politiker zu, der die Kanzlerin für ihre Flüchtlingspolitik attackierte. Dann versicherte er Angela Merkel die "Unterstützung der Linken gegen die Extremisten in Ihren Reihen". Das fanden viele -aber nicht alle- lustig in der Linken.

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