Süddeutsche Zeitung

Linke:Bitte mal herhören

Die Partei erhofft sich nun eines: mehr Aufmerksamkeit.

Von Christian Gschwendtner

Wer am Montag in Berlin erfahren will, was die Linkspartei jetzt am meisten braucht, bekommt es bei der Bundespressekonferenz vorgeführt: Es fehlt vor allem an öffentlicher Aufmerksamkeit. Gerade mal ein halbes Dutzend Journalisten sind zur Pressekonferenz der Linken-Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger erschienen. Viele leere Klappsitze, kaum Fragen - anders als bei den übrigen Bundestagsparteien und den Vertretern der neuen Bundesregierung, die von Hunderten Presseleuten seit dem Morgen belagert werden, interessieren sich nur Auserwählte für die Linkspartei. Deren Vorsitzende gleichen die zurückhaltende Nachfrage durch forsche Stellungnahmen aus.

Den neuen Koalitionsvertrag teilt die Linken-Chefin Kipping am Anfang in drei Kategorien ein: dort, wo zu wenig passiere, dort, wo gar nichts passiere, und dort, wo das Falsche passiere. Damit ist die Tonlage vorgegeben.

Die große Koalition stehe nur für das "Treten nach unten", sagt Kipping - gemeint sind damit auch die Bemerkungen des designierten CDU-Gesundheitsministers Jens Spahn, dass Hartz-IV-Empfänger in Deutschland wahrlich nicht befürchten müssten zu verhungern. Wer so etwas behauptet, sei "ein größter Ignorant gegenüber sozialer Not", konstatiert Kipping. Sie fordert eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze. Das sei nötig, zumindest wenn man es mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland ernst meine.

Die Linke will sich in der Opposition als stärkste soziale Stimme profilieren. Parteichef Riexinger spricht bei der Pressekonferenz von Umverteilung und armutsfesten Renten, die es mit der neuen Regierung natürlich nicht geben werde. "Die Reichen müssen von dieser Koalition keine schlaflosen Nächte befürchten." Ob Abschaffung der Leiharbeit, bezahlbarer Wohnraum oder Steuergerechtigkeit - "nichts davon werden Union und SPD leisten", so Riexinger weiter. Auch die Ankündigung von Union und SPD, 8000 neue Stellen in der Pflege zu schaffen, sei völlig unzureichend. Bei 13 000 Altenpflegeeinrichtungen sei das gerade mal ein Stellenzuwachs von 0,6 Prozentpunkten. Unklar ist, wie es innerhalb der Partei weitergeht. Schon länger streitet die Linke über Zuwanderung. Die Fraktionschefin im Bundestag, Sahra Wagenknecht, will stärker auf ehemalige Linkenanhänger zugehen, die AfD wählen. Die Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger hingegen warnen vor zu viel Nähe zum rechten Rand und werben um Solidarität mit Flüchtlingen. Wagenknecht bringt immer wieder die Idee einer neuen linken Sammelbewegung ins Spiel - ein Vorschlag, den die Parteispitze scharf ablehnt. Rot-Rot-Grün sei "tot", sagte Wagenknecht kürzlich. Kipping hingegen betonte am Montag, man streite weiter darum, "dass es eine andere Mehrheit gibt, und zwar eine linke". Etwas Zuversicht immerhin sollte nicht fehlen. Bei jüngeren Wählern komme die Linke gut an, und er rechne mit Stimmenzuwachs bei der nächsten Wahl, sagte Riexinger. Eine Hoffnung, von der am Montag noch wenig zu spüren war.

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Quelle:
SZ vom 13.03.2018
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