Süddeutsche Zeitung

Finanzminister:Neuer Ärger für Christian Lindner

Eine Grußbotschaft und ein Privatkredit bei der gleichen Bank führen zu einem möglichen Verdacht der Vorteilsannahme gegen den FDP-Finanzminister. Droht Lindner die Aufhebung seiner Immunität?

Von Henrike Roßbach, Berlin

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner droht abermals Ärger wegen der Finanzierung seiner privaten Immobilie im Berliner Stadtteil Nikolassee. Laut Tagesspiegel prüft die Berliner Generalstaatsanwaltschaft, ob sie den Bundestag um Genehmigung für ein Strafverfahren gegen Lindner ersuchen solle. Dafür müsste Lindners Immunität als Abgeordneter aufgehoben werden.

Im Raum steht dem Tagesspiegel nach der mögliche Verdacht der Vorteilsannahme. Die Geschichte dahinter: Lindner hat Anfang 2021 - damals war er noch nicht Minister, sondern nur Abgeordneter und Parteichef - eine Immobilie in Berlin-Nikolassee gekauft. Dafür ließ er bei der Karlsruher BB Bank offenbar in mehreren Schritten eine Grundschuld von insgesamt 2,8 Millionen Euro für seine Immobilienfinanzierung eintragen. Zuvor allerdings hatte Lindner bereits eine Geschäftsbeziehung der anderen Art mit der Bank gepflegt: Er war in einem Image-Video für sie aufgetreten und hatte bei Veranstaltungen Vorträge gehalten, gegen Honorar. Als dieser Zusammenhang vergangenes Jahr erstmals bekannt wurde, betonten beide Seiten, der spätere Kredit sei dennoch marktüblich gewesen; Lindner habe also keinen Vorteil gehabt.

Die letzte Kredittranche erhält Lindner als Finanzminister

Das Problem: 450 000 der 2,8 Millionen Euro sollen erst im Sommer vergangenen Jahres als Grundschuld eingetragen worden sein. Und wenige Wochen davor hatte Lindner - nun nicht mehr nur als bloßer Abgeordneter, sondern als Bundesfinanzminister - ein Video-Grußwort zum hundertjährigen Bestehen der Bank aufgenommen. Der Spiegel hatte im Herbst 2022 zuerst darüber berichtet.

In dem Manuskript zu dem Grußwort, das der SZ vorliegt, heißt es: "Die BB Bank ist mir von Grund auf sympathisch, denn ihre Geschichte begann mit einem Akt der Eigeninitiative." Lindner dankte dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und lobt den aktuellen dafür, dass die Bank nun die Chancen der Digitalisierung ausschöpfen wolle. "Gerne bleibe ich dazu mit Ihnen im Austausch."

Unternehmen, Verbände oder Vereine bitten Spitzenpolitiker regelmäßig um Grußworte für Veranstaltungen oder Publikationen. Weil Lindner aber nach der freundlichen Videobotschaft noch auf andere Weise mit der Bank "im Austausch" blieb und seinen privaten Kredit ein weiteres Mal aufstockte, steht dieses spezielle Grußwort in einem Kontext, der die Berliner Generalstaatsanwaltschaft offenbar interessiert.

Das Finanzministerium verwies auf Lindners Anwalt Christian Schertz. Der teilte der Süddeutschen Zeitung mit: "Seine private Immobilienfinanzierung hat Herr Lindner lange vor der Übernahme seines Ministeramtes begonnen. Alle Konditionen waren stets marktüblich." Die Gewährung eines kurzen Grußworts zu Jubiläen wie dem hundertjährigen Bestehen einer Bank gehörten "zur regulären Amtsführung eines Ministers. Dies hielten und halten seine Vorgänger und Kollegen genauso." Schertz betonte, dass zwischen beiden Vorgängen kein Zusammenhang bestehe. Und seine frühere Tätigkeit als Referent bei Kundenveranstaltungen der Bank habe Lindner "allen Regeln des Deutschen Bundestages entsprechend" gemeldet und veröffentlicht. "Deshalb", so Schertz, "sieht Herr Lindner die heutige Berichterstattung mit Gelassenheit."

Hinweis der Redaktion: Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat am 27. Januar 2023 mitgeteilt, sie habe den Prüfvorgang geschlossen, sie sehe im Zusammenhang mit dem fraglichen Immobilienkredit keinen Anfangsverdacht strafbaren Verhaltens.

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