Generalsekretärin Teuteberg:Das zweite Gesicht der FDP

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Empathisch liberal: Linda Teuteberg (Foto: dpa)

Linda Teuteberg hat etwas, was ihrer Vorgängerin fehlte - etwas, das es bei den Liberalen so wahrscheinlich noch nie gegeben hat. Mit ihrer ersten Rede sorgt die Generalsekretärin dafür, dass sich die anderen Parteien sie ganz genau ansehen werden.

Von Stefan Braun, Berlin

Natürlich ist Linda Teuteberg vorher ein bisschen nervös gewesen. Eine solche Rede hat sie noch nie halten müssen. Nicht vor diesem Publikum, den gut 600 Delegierten eines Parteitags; nicht in dieser Rolle, der Rolle einer neuen FDP-Generalsekretärin. Wer wäre da ohne Nervosität reingegangen.

So gesehen ist es auch verständlich, dass die 38-jährige Brandenburgerin nicht in Christian-Lindner-Manier wie eine fröhlich-freie Moderatorin auftritt. Teuteberg liest ihre gut 30-minütige Rede weitgehend ab. Aber das tut der Wirkung ihres Auftritts keinen Abbruch. Die Delegierten bejubeln ihre neue Generalsekretärin, als sie mit einem "vielen Dank" endet.

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Und das nicht etwa, weil Teuteberg genauso forsch und selbstbewusst und angriffsbereit auftritt, wie das einst Guido Westerwelle oder Lindner bei ihren Premierenreden getan haben. Teuteberg spricht leiser, Teuteberg greift niemanden an, Teuteberg wirbt selbstbewusst für ihre FDP und redet trotzdem mit Empathie auch über jene Menschen, die noch kein FDP-Parteibuch haben. So hat es das bei den Liberalen schon lange nicht mehr gegeben.

Das heißt nicht, dass die Bundestagsabgeordnete sich von den Grundüberzeugungen ihrer Partei verabschiedet hätte. Sie verteidigt die freiheitliche Gesellschaft im Kampf gegen russische Interventionen genauso wie gegen Chinas wuchtige Versuche, Pekings Version einer gelenkten Gesellschaft und Wirtschaft über die Welt auszubreiten. "Wir stehen vor einem neuen Systemwettbewerb", sagt Teuteberg, "und den werden wir nur gewinnen, wenn wir die besseren Angebote machen."

Mut, Zuversicht, Risikobereitschaft - von allem fehle es

Gemeint ist damit nicht nur so ziemlich alles, was laut Teuteberg eine moderne, freie, weltoffene Gesellschaft ausmacht, sondern auch das, was Deutschland laut Teuteberg verloren gegangen ist. Mut, Zuversicht, Risikobereitschaft, vor allem aber die Lust am Wettbewerb - all das fehle, zum Teil fehle es sogar dramatisch.

Dass die derzeitige Regierung "bestenfalls das Vorhandene verwaltet", sei zwar "ehrenwert", aber nicht ausreichend. Laut Umfrage seien 60 Prozent der Menschen in Deutschland nicht mehr der Überzeugung, dass es ihren Kindern mal bessergehen werde als ihnen. Das zeige, wie wichtig es sei, was zu ändern. "Stark sind liberale, freiheitliche Gesellschaften, weil wir im Wettbewerb die stärksten Lösungen finden", sagt die Generalsekretärin. "Wettbewerb ist das beste Entdeckungsverfahren."

Teuteberg spricht so gut wie alles an, was Liberale zurzeit umtreibt. Sie plädiert unter anderem dafür, Infrastrukturen bei Bahn und Internet auszubauen, Gründer zu ermutigen, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern und überhaupt den Menschen bei der Gestaltung ihres Lebens zwischen Job und Kindern mehr Freiheiten zu gewähren, zum Beispiel durch die Möglichkeit, an manchen Tagen auch zuhause arbeiten zu können.

Was das für sie im Detail bedeuten könnte, lässt Teuteberg offen. Das gilt vor allem für das, was sie als nächstes in neue Regeln oder den Abbau von Pflichten gießen würde. Auf Details muss die Öffentlichkeit bei ihr fürs Erste warten. Eines aber lässt sich bei ihrem Auftritt erkennen: sie redet nicht in Floskeln, die ihr jemand aufgeschrieben hat. Teuteberg will das selber leben, was sie aufgezählt hat. Und sie vermittelt zugleich nicht den Eindruck, dass sie schon jetzt und überhaupt am besten wüsste, was für alle der beste Weg sein müsste.

Besonders deutlich wird dies, als sie über die bevorstehenden Wahlen in Ostdeutschland redet. Mit Blick darauf beklagt die gebürtige Brandenburgerin, dass viele andere Parteien gerade mit "altväterlichen Versprechungen" Wahlkampf machen würden. Dabei wollten die meisten Menschen im Osten "keine Sonderbehandlung und keine milden Gaben", sondern einfach nur "das gleiche wie die ganze Republik".

Die Menschen in Ostdeutschland nämlich hätten selten andere Probleme wie die im Rest des Landes. Sie würden nur "früher, schneller, deutlicher" mit ihnen konfrontiert werden. Dass strukturell immer wieder vieles zusammenbreche und man sich wieder und wieder neu erfinden müsse, gehöre im Osten dazu. Angesichts dessen sei es aber nicht hilfreich, wenn man wie andere Parteien die Unterschiede herauskehre. Stattdessen müsse man neue Ziele entwerfen.

Teuteberg möchte dazu auch etwas beisteuern, was bislang in der FDP ziemlich undenkbar war: "Wir wollen verstehen, warum Menschen Veränderungen nicht als neue Chance, sondern als nächste Sturmflut empfinden." Solche Sätze hat es bei den Liberalen so wahrscheinlich noch nie gegeben. "Wir brauchen eine offene Diskussion auf Augenhöhe", sagt Teuteberg. Das in diesem Zusammenhang derart hervorzuheben, macht ihren Auftritt außergewöhnlich.

Union und Grüne werden Teuteberg genau studieren

Zumal selten eine Nachfolgerin so anders gewirkt hat als ihre Vorgängerin. Bei Teuteberg wirkt kaum etwas antrainiert oder künstlich oder bemüht selbstbewusst wie bei Nicola Beer, die das Amt als EU-Spitzenkandidatin freimachen musste. Teuteberg spricht lieber von einem "ehrlichem Angebot", sie will nichts versprechen und sagt zum Schluss, dass sich die FDP "bemühen" werde, "ein Leuchtfeuer für Demokratie und Freiheit" anzustoßen.

Man ahnt an diesem 27. April, was es bedeutet hätte, wenn Teuteberg schon 2013 das geworden wäre, was sie seit dem Vorabend ist: das zweite Gesicht der FDP neben dem Parteichef. Schon vor sechs Jahren war sie im Gespräch gewesen. Damals aber hatten sich beide, Lindner wie Teuteberg, nicht getraut, diesen Sprung schon zu machen.

Union und Grüne werden Teuteberg genau studieren, zumal die Generalsekretärin mit ihrem nicht-aggressiven Auftritt dort andockt, wo die Grünen mit ihrem Parteichef Robert Habeck derzeit punkten. Wie die aktuell so beliebten Grünen sendet sie eine interessante, bislang im Politbetrieb eher selten gebliebene Botschaft: Nicht alles zu wissen, sondern freundlich und zugewandt etwas anzubieten. Habeck und andere werden sich Teuteberg sehr genau ansehen.

Das dürfte im Übrigen auch für Lindner, den eigenen Parteichef, gelten. Und das nicht nur, weil Teuteberg bei ihrer Wahl mehr Stimmen erhielt als ihr Parteichef. Die neue Generalsekretärin zeigt, dass ein Parteitag nicht nur dann jubelt, wenn man wie ein über-selbstbewusster Weltenretter auftritt.

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