Am Ende streikt selbst die Stimme des Richters. "Ich bin auch erschöpft und brauche jetzt noch mal 'ne kurze Pause", sagt Hans-Schlüter-Staats, 61, als er schon fast neun Stunden lang akribisch, ja ausufernd sein Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. begründet hat. Im Publikum sind da auch die lautesten Antifa-Aktivisten dem Erschöpfungsschlaf näher als der nächsten "Scheiß-Klassenjustiz"-Parole. Kurz vor 20 Uhr tritt er wieder aus der Tür des Richterzimmers und verkündet die Nachricht, die einem politisch aufgeheizten Prozess ein überraschendes Ende setzt: Lina E. kann das Gericht trotz fünf Jahren Haftstrafe auf freiem Fuß verlassen, ihr Haftbefehl wird gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. "Free Lina" - seit zweieinhalb Jahren auf Demos gefordert, als Parole auf zahllose Häuser in Leipzig gesprüht: Am Ende eines langen Prozesses wird dies auf einmal Wirklichkeit. Verkündet von einem Richter, der von Pöblerinnen als "Fascho-Freund" beschimpft wird.
Dresden:Detailversessen, gläubig und "Columbo"-Fan
Hans Schlüter-Staats, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht in Dresden: im Vortrag souverän, in der Verhandlungsführung nicht immer.
(Foto: Robert Michael/picture alliance/dpa/dpa-Zentral)Richter Hans Schlüter-Staats hat die Linksextremistin Lina E. erst zu fünf Jahren Haft verurteilt - und dann gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Mit Pointen kennt er sich aus.
Von Iris Mayer
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