Lied der Deutschen:Heidewitzka, Frau Kanzlerin

Die Nationalhymne soll im Grundgesetz verankert werden. Es wäre das Ende einer Debatte, die bereits Kanzler Adenauer und Bundespräsident Heuss führten.

Von Robert Roßmann

Der Wunsch der Jungen Union kommt ziemlich unscheinbar daher, er findet sich erst auf Seite 123 des Antragsbuchs für den CDU-Parteitag. Aber das Ansinnen könnte Furore machen. Denn die JU will erreichen, dass die Nationalhymne ins Grundgesetz aufgenommen wird. Weil die Antragskommission empfiehlt, den JU-Vorstoß zu billigen, gilt die Annahme durch den Parteitag kommende Woche als sicher. CDU-Chefin Angela Merkel müsste sich dann darum bemühen, dass die Regierung Merkel die nötige Mehrheit dafür findet. Sollte die Kanzlerin dabei Erfolg haben, würde eine Regelungslücke im Grundgesetz geschlossen, mit der sich Generationen von Schülern in Prüfungen befassen mussten.

Neben der Flagge ist die Nationalhymne das bekannteste Staatssymbol. Die vielen Väter und wenigen Mütter des Grundgesetzes schrieben in Artikel 22 aber trotzdem nur die schwarz-rot-goldene Bundesflagge fest, auf eine Regelung der Hymne verzichteten sie. Diese Lücke ist bis heute nicht geschlossen, das will die JU jetzt ändern. In ihrem Antrag heißt es etwas sperrig: "Die CDU fordert die Bundesregierung auf, die Initiative zur Änderung des Grundgesetzes durch die Aufnahme der Nationalhymne in den Art. 22 GG zu ergreifen." Der Artikel solle durch folgenden Absatz ergänzt werden: "Die Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland ist die dritte Strophe des Liedes der Deutschen mit dem Text von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben und der Melodie von Joseph Haydn."

Sollte das Grundgesetz derart geändert werden, wäre die beliebte Prüfungsfrage hinfällig: "Warum ist das Lied der Deutschen die Nationalhymne, obwohl das in der Verfassung gar nicht geregelt ist?" Der deshalb berühmt gewordene Briefwechsel aus dem Jahr 1952 zwischen Konrad Adenauer und dem damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss würde wohl in Vergessenheit geraten.

Heuss hatte wegen der Diskreditierung des Liedes der Deutschen durch die Nazis erhebliche Vorbehalte, das Lied wieder zur Nationalhymne zu erklären. Er brachte deshalb 1950 eine neue Hymne ins Spiel, Adenauer favorisierte dagegen die alte. In dem Streit forderte der damalige Kanzler immer druckvoller eine Entscheidung. Er fand die Kakofonie peinlich, die die Hymnen-Lücke ausgelöst hatte. So war Adenauer bei einem USA-Besuch mit dem Lied "Heidewitzka, Herr Kapitän" empfangen worden.

Nach längerem Streit gab Heuss auf. Bundespräsident und Kanzler verständigten sich 1952, die Regelungslücke durch einen vorabgesprochenen Schriftwechsel zu schließen. Darin bat Adenauer Heuss, "das Hoffmann-Haydn'sche Lied als Nationalhymne anzuerkennen", bei "staatlichen Veranstaltungen" solle aber nur die dritte Strophe gesungen werden - also auf die "Deutschland, Deutschland über alles"-Strophe verzichtet werden. Am 2. Mai 1952 entsprach Heuss dieser Bitte in einem Antwortbrief an Adenauer. Nach der Wiedervereinigung legten Helmut Kohl und Richard von Weizsäcker in einem ähnlichen Briefwechsel fest, dass die Nationalhymne nur noch aus der dritten Strophe besteht. Verfassungsrang erlangte aber auch diese Vereinbarung nicht. Das will die JU jetzt mithilfe Merkels nachholen.

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