Wahl in Liechtenstein:Ein Trump-Fan an der Spitze?

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Wäre mit seinen 68 Jahren der älteste Regierungschef in der Liechtensteiner Geschichte: Ernst Walch, Kandidat der Fortschrittlichen Bürgerpartei. (Foto: FBP)

Am Sonntag wählen die Liechtensteiner ein neues Parlament. Gute Chancen auf einen Sieg haben die konservative FBP und ihr Kandidat Ernst Walch – der nicht nur durch rechtspopulistische Sprüche auffällt.

Von Uwe Ritzer, Vaduz

Ernst Walch, 68, will hoch hinaus. Ende des Jahres, spätestens Anfang 2026 hebt er an Bord einer Rakete ins Weltall ab. Das Ticket zum sechsstelligen Preis hat er schon gekauft, zwei Stunden dauert der Flug. Aber vorher will der ehemalige Außenminister von Liechtenstein noch neuer Regierungschef des Landes werden. An diesem Sonntag wählt das Fürstentum das nächste Parlament, und wenn die Fortschrittliche Bürgerpartei (FBP) die einfache Stimmenmehrheit schafft, hat ihr Spitzenkandidat Walch beste Chancen.

Dann stünde an der Spitze des kleinen, aber eng mit Deutschland und der EU verflochtenen Fürstentums im oberen Rheintal ein Politiker, der Donald Trumps Außenpolitik als „absolut super“ und „die beste seit Jahrzehnten“ bewundert. Die unmittelbar an Liechtenstein angrenzende EU hält Walch hingegen für zu undemokratisch und die meisten europäischen Politiker ohnehin für rückgratlose Wesen – vom Schweizer Rechtsaußen Christoph Blocher einmal abgesehen. Nur notgedrungen, so Walch sinngemäß, müsse man als exportorientiertes Land mit dem Rest Europas zusammenarbeiten.

„Zweifelsohne ein gewisser Hang zur Selbstdarstellung.“

Mit seinen 68 Jahren wäre Walch der älteste Regierungschef in der Liechtensteiner Geschichte. Im Wahlkampf ist das ein Thema, das er mit häufigen Hinweisen auf seine Leistungskraft bei Liegestützen und beim Eisbaden abzuräumen versucht. Überhaupt besitzt Walch ein robustes Selbstvertrauen. „Ernst, dass du kandidierst, ist ein Geschenk des Himmels“, habe ein alter Mann zu ihm gesagt, erzählte er stolz im Lokalradio. „Mit dir kann man nicht nur ein Land regieren, mit dir kann man einen ganzen Erdteil regieren.“ Walch habe, so Christian Frommelt, Politologe und Rektor der Liechtensteiner Universität, „zweifelsohne einen gewissen Hang zur Selbstdarstellung“.

Seine Gegenkandidatin Brigitte Haas, 60, tritt zurückhaltender und unprätentiöser auf, um nicht zu sagen: unscheinbarer. Sie wäre die erste Frau im Regierungschef-Amt. Was allein deshalb bemerkenswert wäre, weil Frauen in Liechtenstein erst seit 1984 wählen dürfen. Haas ist als Geschäftsführerin der Liechtensteiner Industrie- und Handelskammer in der Wirtschaft gut verdrahtet, politisch aber ohne Erfahrung. Sie tritt für die Vaterländische Union (VU) an, die seit vier Jahren mit Daniel Risch, 46, den Regierungschef stellt. Doch der will nicht mehr. Außer ihm hören mit einer Ausnahme auch alle Minister der amtierenden Regierung auf.

Der Kurs ging Richtung Europa, Berlin, Wien. Das könnte sich ändern

Risch war es ein Anliegen, das Nicht-EU-Mitglied und latent etwas eigenbrötlerische Liechtenstein international stärker zu integrieren. Vor allem lag ihm an engen Beziehungen zu Berlin und Wien. Schneller als die darüber irritierte Nachbarin Schweiz schloss sich das Fürstentum den westlichen Sanktionen gegen Russland an. Die Regierung Risch setzte 2023 auch den Beitritt zum Internationalen Währungsfonds (IWF) durch. Doch seit geraumer Zeit mehren sich die Stimmen im Land, die wieder größere Distanz und mehr Abschottung gegenüber dem Ausland verlangen. Viele Treuhänder sehnen sich ohnehin in die Zeit zurück, als Liechtenstein noch als Paradies für Steuerhinterzieher jedwede Kooperation mit ausländischen Finanzbehörden ablehnte.

Aus dieser Gemengelage heraus prophezeien Experten einen knappen Wahlausgang. Die konservativen VU und FBP regieren seit Kriegsende gemeinsam. Den Regierungschef stellte dabei jeweils die Partei, die bei der Wahl mehr Stimmen sammelte. 2021 gab es ein Patt, FBP und VU kamen auf jeweils 35,9 Prozent. Am Ende entschieden 42 Stimmen Mehrheit die Cheffrage zugunsten von VU und Risch. Die rot-grüne Oppositionspartei Freie Liste spielt keine Rolle.

Bleiben die rechtspopulistischen Demokraten pro Liechtenstein (DpL). Im Wahlkampf traten sie gemäßigt auf; trotzdem prophezeien Beobachter ihr deutliche Stimmenzuwächse zulasten von FBP und VU. Die DpL ähnelt in vielem stark der AfD; sie speist sich aus der Impfgegner-Bewegung und plädiert im Zweifel für weniger Europa. Beobachter in der Hauptstadt Vaduz erwarten, dass sie FBP und VU Sitze rauben und künftig mit mehr als den bisher zwei Abgeordneten im Parlament vertreten sein wird. „Auch bei uns schlägt der rechtspopulistische Mainstream durch“, sagt ein Ex-Abgeordneter.

Niemand vom Establishment der beiden großen Parteien wollte kandidieren

Der Wahlkampf geriet wenig kontrovers. Die Medienpolitik war zwischendurch Top-Thema, was allein schon etwas aussagt über ein Land, das nur noch eine Tageszeitung hat und gerade als erstes in Europa seinen öffentlich-rechtlichen Radiosender per Volksentscheid abgeschafft hat. Wirtschaftsfreundliche, marktliberale Wirtschaftspolitik, restriktive Einwanderungspolitik – hierin unterscheiden sich die großen Parteien nur in Nuancen. Und für soziale Verteilungskämpfe gibt es keinen Grund. Mit 40 000 Einwohnern ist Liechtenstein zwar eines der kleinsten, aber auch eines der reichsten Länder der Welt. Etwa das Dreifache des Staatshaushalts hat man als Rücklage. Den enormen Wohlstand garantiert außer dem auf Vermögensverwaltung spezialisierten Finanzplatz vor allem eine starke Industrie mit Konzernen wie dem Baumaschinen-Riesen Hilti.

Dass niemand aus den Establishments der zwei großen Parteien für das Amt des Regierungschefs kandidieren wollte und sich deshalb eine Quereinsteigerin und ein aus dem Ruhestand geholter Ex-Politiker um das Amt bewerben, hat viele im Fürstentum irritiert. Während Brigitte Haas sich als neu und unverbraucht positioniert, argumentiert Walch mit seiner Erfahrung. Wenngleich seine Zeit als Politiker mehr als 20 Jahre zurückliegt. In den eigenen Reihen ist er nicht unumstritten. Und zu allem Überfluss holt ihn im Wahlkampfendspurt seine Vergangenheit ein.

Denn obwohl Außenminister, arbeitete er 2001 bis 2005 nebenher als Anwalt und Treuhänder. Politik fürs Land und eigenes Geschäft – nicht immer waren bei Walch die Trennlinien scharf zu erkennen. Zum Beispiel, als die USA auf Basis eines geltenden Rechtshilfeabkommens Konten des korrupten ukrainischen Regierungschefs Pawlo Lasarenko sowie eines Drogenbarons sperren wollte. Walch war doppelt involviert.

„Alle diese Fälle hängen mit Stiftungen aus Liechtenstein zusammen, bei denen Walchs Kanzlei entweder als Treuhänder oder als Rechtsvertreter einer Partei auftaucht“, schreibt die Vaduzer Zeitung Vaterland. „Zum Teil, während er gleichzeitig als Außenminister tätig war.“ Als solcher habe er das Rechtshilfeabkommen mit den USA ausgehandelt. Trotzdem habe er versucht, für Lasarenko und den Drogenbaron die Kontosperrung abzuwenden. Das habe ihm im Landtag den Vorwurf der „Doppelmoral“ eingebracht. Er selbst fühlte sich als Opfer einer Intrige.

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