Libyen:Internationale Gemeinschaft für Waffenlieferungen an Libyen

Libyen: Der libysche Premier al-Serraj mit US-Außenminister John Kerry in Wien.

Der libysche Premier al-Serraj mit US-Außenminister John Kerry in Wien.

(Foto: AP)
  • Vertreter der Internationalen Gemeinschaft haben beim Außenministertreffen in Wien Waffenlieferungen und weitere Unterstützungsmaßnahmen für Libyen zugesagt.
  • Es geht darum, das Land vor dem Islamischen Staat zu schützen und es vor einem Auseinanderbrechen zu bewahren.

Von Paul-Anton Krüger, Wien

Die internationale Gemeinschaft hat Libyen Unterstützung und auch Waffenlieferungen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zugesagt. Bei einem Außenministertreffen in Wien, gemeinsam geleitet von dem Amerikaner John Kerry und seinem italienischen Kollegen Paolo Gentiloni, beschlossen die fünf UN-Vetomächte und 15 weitere Staaten am Montag in Wien, der Einheitsregierung von Premierminister Fayez al-Serraj beim Aufbau einer einheitlichen Armee zu helfen. Unterstützt werden soll auch die Ausbildung und Ausrüstung einer Präsidentengarde.

Das Treffen, an dem alle Nachbarstaaten und wichtige Regionalmächte wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder die Türkei teilnahmen, soll zugleich das Kabinett des Premiers politisch stärken und helfen, ein Auseinanderbrechen des Landes zu verhindern. In der gemeinsamen Abschlusserklärung hieß es weiter, man wolle mit der Einheitsregierung gegen Bedrohungen zusammenarbeiten, die sich im Mittelmeer und an den Landgrenzen Libyens durch "kriminelle Organisationen stellen". Dabei geht es um Organisationen, die an Formen des Schmuggels beteiligt sind - darunter Schlepperbanden, die Flüchtlinge an die Strände von EU-Staaten bringen.

Laut Premier al-Serraj geht nicht um den Einsatz ausländischer Soldaten

Serraj sagte, er werde den UN so bald wie möglich eine Liste mit den benötigten Waffen und Ausrüstungsgegenständen zukommen lassen. Er stellte zugleich klar, es gehe nicht um den Einsatz ausländischer Soldaten in Libyen. In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Spekulationen über eine Militärintervention westlicher Staaten auf mögliche Bitten der Einheitsregierung hin gegeben. Spezialeinheiten Frankreichs, der USA und mutmaßlich auch Großbritanniens sind allerdings mit kleinen Kontingenten bereits im Lande.

Der UN-Sicherheitsrat hat ein Waffenembargo gegen Libyen verhängt, das aber in bestimmten Fällen Ausnahmen zulässt. Anfragen der Einheitsregierung solle nun stattgegeben werden, hieß es in der Abschlusserklärung. Zugleich, so betonten Kerry und Gentiloni, soll das Lieferverbot gegenüber allen andern konkurrierenden Regierungen und Milizen besser überwacht werden. In diesem Zusammenhang könnte die EU-Marinemission Eunavor Med, auch bekannt als Operation Sophia, bald neue Aufgaben übernehmen. Das deuteten europäische Diplomaten an. Zudem gibt es Überlegungen, beim Aufbau einer Küstenwache in Libyen zu helfen.

Zu früh ist es dagegen dem Vernehmen nach noch für die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte Ausbildungsmission der Bundeswehr für Soldaten der noch zu schaffenden neuen libyschen Armee. Dafür könnten bis zu 200 Deutsche in das Nachbarland Tunesien entsandt werden; ein Einsatz in Libyen selbst gilt wegen der schlechten Sicherheitslage dort derzeit als nicht realistisch.

Die Terrormiliz Islamischer Staat hatte jüngst aus ihrer Hochburg Sirte heraus einen Vorstoß nach Westen und Süden unternommen und dabei mehrere Checkpoints von Milizen aus Misrata überrannt, der drittgrößten und reichsten Stadt Libyens, die etwa 250 Kilometer westlich von Sirte liegt. Das hat die Sorge befeuert, dass sich die Dschihadisten noch weiter in Libyen ausbreiten. Sie kontrollieren bereits einen Küstenstreifen von mehr als 300 Kilometern Länge und hatten zuletzt auch mehrmals Ölanlagen im Osten von Sirte attackiert. Das politische Chaos in dem Land am Mittelmeer spielt ihnen dabei in die Hände.

Die Angst, dass der IS am Ende der "lachende Dritte" ist

In Libyen gibt es derzeit drei konkurrierende Regierungen. Neben der Einheitsregierung existiert ein weiteres, von Islamisten dominiertes Kabinett in Tripolis, das allerdings an Einfluss verliert. Zudem gibt es in der Stadt Bayda im Osten des Landes eine weitere Regierung, in der General Khalifa Haftar die starke Figur ist. Er bekämpft mit seinen Truppen islamistische Gruppen, zuletzt in Bengasi, der zweitgrößten Stadt.

Das Parlament im Osten mit Sitz in Tobruk, bislang international anerkannt, muss laut dem von der UN vermittelten Friedensabkommen erst noch die Einheitsregierung bestätigen. Obwohl eine Mehrheit der Abgeordneten schriftlich ihre Unterstützung bekundet hat, weigert sich der mit Haftar verbündete Parlamentspräsident, die nötige Abstimmung anzusetzen.

Die Regierung al-Serraj ist laut UN der legitime Empfänger der Unterstützung

Alle drei Regierungen haben nun Operationszentralen zum Kampf gegen den IS eingerichtet und angekündigt, sie wollten Sirte von der Terrormiliz befreien. In Wien bekräftigten die anwesenden Staaten, die Einheitsregierung sei der einzig legitime Empfänger von Sicherheitszusammenarbeit. "Unkoordinierte Aktionen führen zu Verwirrung und internen libyschen Auseinandersetzungen und der lachende Dritte wird der Islamische Staat sein", sagte der UN-Sondergesandte Martin Kobler der Süddeutschen Zeitung nach dem Treffen in Wien - genau diese Befürchtung aber wuchs in den vergangenen Tagen.

Die Einheitsregierung müsse deshalb nun möglichst rasch eine einheitliche Armeestruktur einrichten, sagte Kobler weiter. Diese Leitlinie werde nun von allen in Wien anwesenden Staaten unterstützt. Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate haben bislang Haftar unterstützt und auch das UN-Embargo gebrochen, die Türkei und Katar dagegen Milizen im Westen.

Kerry kritisierte, persönliche Rivalitäten und interne Auseinandersetzungen forderten einen inakzeptablen Preis von der libyschen Bevölkerung. Die Wirtschaft steht vor dem Kollaps und in vielen Teilen des Landes ist die humanitäre Lage verheerend. Auch hier soll die Einheitsregierung Unterstützung erhalten, etwa um die Lage in Bengasi zu verbessern, der zweitgrößten Stadt, in der es bis vor Kurzem schwere Kämpfe gegeben hatte. Verurteilt werden in der Abschlusserklärung ausdrücklich Versuche, Öl an der von der Einheitsregierung kontrollierten Nationalen Ölgesellschaft vorbei zu exportieren sowie Waffen nach Libyen zu liefern.

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