Süddeutsche Zeitung

Libyen:Söldner an seiner Seite

Rebellen-General Haftar nutzt verstärkt die Hilfe ausländischer Kämpfer. Mit dabei: eine Gruppe aus Russland.

Von Paul-Anton Krüger

Als sie an der Front nahe Tripolis auftauchten, änderte das schlagartig das militärische Gleichgewicht in Libyen zu Gunsten des abtrünnigen Kriegsherrn Khalifa Haftar. Nun sind die russischen Söldner der eng mit dem Kreml verbundenen Gruppe Wagner laut Berichten aus dem nordafrikanischen Land zunächst in die 150 Kilometer südlich von Tripolis gelegene Stadt Bani Walid zurückgezogen und von dort auf den Luftwaffenstützpunkt al-Jufra ausgeflogen worden, das logistische Drehkreuz für Haftars Truppen. Der Rückzug folgt Vorstößen von Milizen, die loyal zur international anerkannten Einheitsregierung unter Premier Fayez al-Serraj stehen. Möglich wurden diese durch militärische Unterstützung der Türkei, maßgeblich mit Kampfdrohnen und Luftabwehr.

Offen ist, ob es sich um einen taktischen Rückzug handelt, etwa um Haftars Nachschublinien zu sichern, die zuletzt immer wieder von türkischen Drohnen attackiert wurden. Zuletzt waren etliche Kampfjets russischer Bauart von Russland auf den Stützpunkt überführt worden - eine baldige neue Offensive mit überlegenem Gerät zur Eroberung von Tripolis gilt als möglich; Haftars Luftwaffenchef hat massive Angriffe auf türkische Ziele angekündigt.

Das Afrikakommando der US-Streitkräfte veröffentlichte am Dienstag Aufklärungsbilder von den russischen Maschinen der Typen MiG-29 und Su-35, beides relativ moderne Kampfjets, über die bislang keine der Konfliktparteien verfügte. Sie sollen von Russland nach Syrien geflogen und auf dem von Moskau betriebenen Stützpunkt Khmeimim umlackiert worden sein, um ihre Herkunft zu verschleiern. "Russland versucht ganz klar, die Kräfteverhältnisse in Libyen zu seinen Gunsten zu verändern", sagte General Stephen Townsend, Chef des in Stuttgart beheimateten US-Afrikakommandos. Weder die sogenannte Libysche Nationalarmee Haftars noch die Militärdienstleister der Wagner-Gruppe seien in der Lage, diese Flugzeuge ohne die Unterstützung eines Staates zu bewaffnen, zu betreiben oder zu warten, sagte Townsend - und "diese Unterstützung bekommen sie von Russland".

Haftars wichtigste Unterstützer sind die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten, die wiederholt Luftangriffe auf Ziele in Libyen geflogen haben. Die Emirate hatten vergangenes Jahr Luftabwehrsysteme des russischen Typs Pantsir nach Libyen verlegt und zudem chinesische Wing-Loong-Kampfdrohnen. Auch Jordanien lieferte Waffen. Die Türkei setzte dem Kampfdrohnen und Luftabwehrraketen entgegen, schickte Tausende syrische Söldner, die gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad und die Kurden gekämpft hatten.

Auch auf Seiten Haftars spielen ausländische Kämpfer eine immer wichtigere Rolle. Nach Aussagen syrischer Milizionäre rekrutierte das russische Militär Kämpfer von Rebellengruppen, die sich dem Assad-Regime unterworfen haben. Von ihrer Zahl weit wichtiger für Haftar sind allerdings einige Tausend Söldner aus Tschad und Sudan, wie aus Berichten der Vereinten Nationen über Verstöße gegen das UN-Waffenembargo hervorgeht.

Eins skurrile Episode förderte der jüngste Bericht der UN-Experten zutage, die Verstöße gegen das Embargo dokumentieren: Die Emirate hatten demnach 2019 eine Truppe von 20 Söldnern aus Südafrika, Australien, Großbritannien und den USA rekrutiert. Für zugesagte 80 Millionen Dollar sollten sie Waffenlieferungen der Türkei nach Tripolis verhindern. Sie brachten dafür sechs gebrauchte Hubschrauber aus Südafrika über Botswana ins Land und zudem Festrumpfschlauchboote, wie sie Spezialeinheiten benutzen. Allerdings überwarf sich die Truppe, die laut den UN unter dem Kommando des Südafrikaners Steve Lodge gestanden haben soll, mit Haftar und floh nach nur vier Tagen per Boot nach Malta. Die Firmen im Hintergrund, registriert in den Emiraten, soll der Australier Christiaan Durrant kontrollieren, ein Ex-Kampfpilot mit engen Beziehungen zu Erik-Prince, dem Gründer der inzwischen aufgelösten US-Söldnertruppe Blackwater.

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SZ vom 27.05.2020
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