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Treffen in Berlin:Was bei der Libyen-Konferenz erreicht werden soll

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Bei der Libyen-Konferenz prallen die Interessen von Türken, Arabern, Russen, Amerikanern und Europäern aufeinander. Deutschland kommt eine besondere Rolle zu.

Von Daniel Brössler, Berlin

Wenn die Außenminister aus etlichen Ländern sich an diesem Mittwochmittag zur zweiten Berliner Libyen-Konferenz im Weltsaal des Auswärtigen Amts versammeln, mögen sie nicht genau sagen können, wie ihre Begegnung enden wird. Wohl aber: wann. US-Außenminister Tony Blinken, nicht der unwichtigste Teilnehmer, hat einen Anschlusstermin. Um 16.30 Uhr wird der Amerikaner von Angela Merkel im Kanzleramt erwartet. Für die Bundeskanzlerin hat das den Vorteil, dass sie sich gleich aus erster Hand erkundigen kann, wie "Berlin II" gelaufen ist.

"Berlin II" wird die Konferenz genannt, weil sie eine Fortsetzung jenes Gipfeltreffens ist, zu dem Merkel im Januar 2020 Staats- und Regierungschefs aus etwa 20 Staaten zur Befriedung des libyschen Bürgerkriegs geladen hatte. Merkel entsprach damit damals einer Bitte von UN-Generalsekretär António Guterres. In Libyen prallten und prallen die Interessen von Türken, Arabern, Russen, Amerikanern und Europäern aufeinander. Seit Jahren ist das Wüstenland Schauplatz mehrerer Stellvertreterkonflikte.

Die Wahl fiel auf die Deutschen, weil sie keine offenkundigen Eigeninteressen in Libyen verfolgen - außer dem, über Libyen verlaufende Flüchtlingsbewegungen zu stoppen. Anders als die einstige Kolonialmacht Italien und als Frankreich konkurriert Deutschland nicht um Einfluss vor Ort und muss auch keine Rücksicht nehmen auf alte Verbündete. So konnten sich Merkel und Außenminister Heiko Maas als ehrliche Makler präsentieren, schickten die deutsche Diplomatie aber in der Folge in ein weltpolitisches Minenfeld - und nach Ansicht nicht weniger in eine fast unmögliche Mission.

Fortschritte, mit denen niemand gerechnet hat

"Berlin II" beweist nach Ansicht von Maas schon vor Konferenzbeginn, dass sie dennoch zumindest teilweise geglückt ist. Kurz vor dem Ende der Amtszeit der Bundesregierung will Maas einen außenpolitischen Erfolg feiern. Die deutsche Diplomatie hält sich zugute, dass es in Libyen Fortschritte gegeben hat, mit denen Anfang 2020 nicht gerechnet worden war. Es gibt einen Waffenstillstand, eine einheitliche Regierung unter Ministerpräsident Abdulhamid Dbeibah und auch die blockierte Ölförderung konnte wiederaufgenommen werden. Am 24. Dezember sollen Wahlen stattfinden.

Das sei nun sicher nicht alles das Verdienst von "Berlin I" oder deutscher Diplomaten, meint Tarek Megerisi, Libyen-Experte des European Council on Foreign Relations (ECFR). Wesentlich sei das von den Türken durch ihr militärisches Eingreifen herbeigeführte Patt zwischen den Konfliktparteien gewesen. Die Berliner Konferenz und der dort vereinbarte Prozess habe aber einen nützlichen "diplomatischen Rahmen" geschaffen. Das habe auch dazu beigetragen, einen direkten Konflikt zwischen der Türkei, Russland und Ägypten zu verhindern.

In Berlin hatten sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Kremlchef Wladimir Putin und die anderen Konferenzteilnehmer verpflichtet, sich "nicht in den bewaffneten Konflikt in Libyen und in die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen". Die von allen unterzeichnete Erklärung versprach auch einen "umfassenden Prozess der Demobilisierung und Entwaffnung bewaffneter Gruppierungen und Milizen" sowie die Einhaltung des UN-Waffenembargos. Nichts davon ist umgesetzt worden. Noch immer strömt Kriegsgerät ins Land. Nicht abgezogen sind auch ausländische Soldaten und Söldner, etwa von der offiziell privaten russischen Wagner-Truppe.

Das Hauptziel heißt: Wahlen

Auch nach der zweiten Berliner Konferenz dürfte sich daran zunächst wenig ändern. Als Erfolg würde schon verbucht werden, wenn es gelänge, nicht mehr benötigte syrische Söldner nach Hause zu schicken. Viel ist von der richtigen "Sequenzierung" die Rede. Davon also, einen für die Beteiligten akzeptablen Abzugsfahrplan zu entwickeln, der nicht daran scheitert, dass alle sagen: "Du zuerst."

Das Hauptziel der Konferenz ist ohnehin bescheidener. Sie soll den Wunsch der internationalen Gemeinschaft demonstrieren, dass am 24. Dezember tatsächlich Wahlen stattfinden. Anders als bei "Berlin I", wo die konkurrierenden Machthaber Fayez al-Serraj und Khalifa Haftar nur als Zaungäste zugegen waren, ist die libysche Regierung diesmal ganz offizieller Teilnehmer. Sie soll darauf verpflichtet werden, angesichts einer chaotischen Rechtslage rechtzeitig die Weichen für die Wahlen im Dezember zu stellen.

Von der Konferenz verspreche man sich ein "entscheidendes Momentum" für die Wahl, sagte denn auch der Libyen-Beauftragte der US-Regierung und gleichzeitig Botschafter in Tripolis, Richard Norland, vor Blinkens Abflug nach Berlin. Wesentliche Entscheidungen müssten im Juli fallen, "wenn die Wahlen wie geplant im Dezember stattfinden sollen". Die USA seien Deutschland dankbar für die Ausrichtung der Konferenz. Was ja aus deutscher Sicht auch schon ein Erfolg ist.

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