Libyen:Bomben auf Menschenschmuggler

Mit Drohnenangriffen und Massenverhaftungen gehen libysche Sicherheitskräfte gegen Menschenhändler und Migranten vor. Und Europa schweigt.

Von Mirco Keilberth, Tunis

Schwarze Rauchwolken schweben über den Mittelmeer-Häfen der westlibyschen Küstenstädte Zawiya und Zuwara. Libysche Sicherheitskräfte bombardieren mit Bayraktar-Drohnen, die aus türkischer Herstellung stammen, die Treibstofflager und Unterkünfte von Menschenhändlern. In Zawiya zählten dortige Krankenhäuser nach den Drohnen-Angriffen fünf Tote und mehrere verletzte Migranten, die in Unterkünften am Strand auf die Abfahrt nach Europa gewartet hatten. Man wolle Westlibyen von Menschen- und Drogenschmugglerbanden säubern, sagte ein Sprecher der libyschen Armee in Tripolis, dabei seien sieben Boote zerstört worden. Der Krieg im Sudan und eine Hass-Kampagne gegen Migranten im benachbarten Tunesien lockt trotz Folter und Entführungen wieder massenhaft Flüchtlinge und Migranten an die mehr als 2000 Kilometer lange libysche Mittelmeerküste.

In Zawiya ringen bewaffnete Gruppen um die Macht und haben aus der einst ruhigen Stadt eine Art Mafiametropole am Mittelmeer gemacht. Zawiya liegt nur 30 Kilometer westlich von der libyschen Hauptstadt Tripolis entfernt. Die Regierung von Premier Abdul Hamid Dabaiba verfügt nur über wenige loyale Armeeeinheiten und erkauft sich die Loyalität der meisten Hauptstadtmilizen mit Geld. Seit dem Ende des Krieges um Tripolis vor drei Jahren garantiert auch die in Libyen stationierte türkische Armee die Sicherheit von Premier Dabaiba.

Es ist unklar, ob türkische oder libysche Piloten die in Westlibyen eingesetzten Bayraktar-Drohnen steuern. Aus europäischen Hauptstädten kam bisher keine Kritik an dem militärischen Vorgehen. Die Drohnenangriffe trafen auch Farmen und Gebäude der in Zawiya mächtigen Großfamilie Buzriba. Beobachter werten dies als Versuch von Präsident Dabaiba, aus dem Krieg gegen die Menschenhändler auch politisch Kapital zu schlagen. Das Mandat des ehemaligen Geschäftsmannes ist seit Dezember 2021 abgelaufen, die Vereinten Nationen und westliche Staaten fordern Neuwahlen. Der Parlamentsabgeordnete Ali Buzriba gilt als scharfer Kritiker der Regierung in Tripolis und als Anhänger von Feldmarschall Khalifa Haftar, der 2019 Tripolis im Frühjahr 18 Monate lang erfolglos belagert hatte. Die von Buzribas Cousins angeführten Milizen halten aus Protest die einzige Ölraffinerie Westlibyens und die Verbindungsstraße von Tripolis an der tunesischen Grenze besetzt. In der libyschen Hauptstadt kam es sogar zu Kämpfen, nachdem der Kommandeur der regierungstreuen Brigade 444 verhaftet worden war. Erst als die Milizionäre der Rada-Gruppe den Offizier freiließen, hörte der Einsatz von Luftabwehrgeschützen mitten in Wohngebieten auf. Rada kontrolliert Libyens internationalen Flughafen Mitiga und steht den Buzribas nahe.

"Viele Libyer haben genug von dem Diktat der Waffen. Sie haben erlebt, wie schnell jede Spirale der Gewalt auch sie trifft."

"Obwohl es gegen legitime Ziele wie Menschenhändler geht, eskaliert die Lage", sagt der libysche Journalist Mouataz Mathi aus Tripolis. "Die wirkliche Macht haben lokale Gruppen. Auch die ausländischen Militärs können daran nur wenig ändern." Das Schweigen der europäischen Hauptstädte nach den Drohnenangriffen interpretiert Mathi wie viele Libyer als klammheimliche Zustimmung zu dem Krieg gegen die Menschenhändler.

Wie mächtig die Menschenhändler sind, muss derzeit auch der in Ostlibyen herrschende Feldmarschall Haftar erleben. Während eines Staatsbesuchs in Rom Anfang Mai konnte der 79-Jährige seinen durch Kriegsverbrechen während des Tripolis-Krieg ramponierten Ruf wieder aufpolieren. Im Gegenzug zur Einstellung der Ermittlungen gegen ihn versprach Haftar, die aus Libyen nach Italien ablegenden Trawler mit bis zu 500 Migranten an Bord zu stoppen. Am Wochenende standen dann auch in Ostlibyen Rauchwolken über den Camps der Menschenhändler. Haftars Armee trieb mehr als 1500 Arbeitssuchende aus Bangladesch, Syrien und Ägypten in einem Fußmarsch in sengender Sonne an die Grenze. Die ägyptischen Behörden verweigern die Einreise der Migranten.

Wegen der Spannungen mit den bewaffneten Schmuggler-Milizen erließ Haftar in der libyschen Hafenstadt Tobruk eine Ausgangssperre. Doch erstmals widersetzen sich nun auch die Bürger der Cyrenaika Provinz den Befehlen der dort einst beliebten Armee. Auch der Versuch einer Armeebrigade von Haftars Sohn Khaled, den Flughafen Labraq zu besetzen, schlug fehl. Bewaffnete Kämpfer aus den Nachbarorten vertrieben die Soldaten nach einem stundenlangen Feuergefecht. Journalist Mathi ist von dem Widerstand gegen die Machthaber in Ost- und Westlibyen nicht überrascht. "Viele Libyer haben genug von dem Diktat der Waffen. Sie haben erlebt, wie schnell jede Spirale der Gewalt auch sie trifft."

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