Libyen-Krise:Kampfjet über Bengasi abgeschossen

Von wegen Waffenruhe: Trotz des angekündigten Waffenstillstandes steht die Rebellenhochburg Bengasi unter Beschuss, ein Kampfjet soll abgeschossen worden sein. Die internationale Gemeinschaft droht Libyens Diktator Gaddafi derweil mit einem Militärschlag "binnen Stunden".

Truppen des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi haben einem Fernsehbericht zufolge die Rebellen-Hochburg Bengasi angegriffen. Unter Berufung auf ihren Korrespondenten berichtet Al-Dschasira, die Streitkräfte befänden sich in den westlichen Vororten der Stadt. Die Stadt sei mit Flugzeugen bombardiert worden, die Lage unübersichtlich, sagte ein Korrespondent.

Libyen-Krise: Schwarzer Rauch über Bengasi: Über der Stadt wurde am Samstag ein Militärflugzeug abgeschossen, nachdem Regierungstruppen die ostlibysche Rebellenhochburg angegriffen hatten.

Schwarzer Rauch über Bengasi: Über der Stadt wurde am Samstag ein Militärflugzeug abgeschossen, nachdem Regierungstruppen die ostlibysche Rebellenhochburg angegriffen hatten.

(Foto: AFP)

"Gaddafis Streitkräfte rücken vor. Wir hören, dass sie sich 20 Kilometer vor Benghasi befinden", sagte ein Einwohner der Nachrichtenagentur Reuters. Zudem habe er ein Flugzeug gesehen.

Ein Krankenhausmitarbeiter und Unterstützer der Rebellen sagte, Kampfjets beschössen die Straße zum Flughafen. Zwei bewaffnete Söldner seien in einem Auto voll mit Handgranaten durch die Stadt gefahren und hätten das Feuer auf Einwohner eröffnet. Laut einem Rebellen wurden die Männer getötet.

Am frühen Samstagmorgen sollen in der libyschen Rebellenhochburg Bengasi Augenzeugen zufolge starke Explosionen zu hören gewesen sein, berichtete auch AFP. Das Gebiet südwestlich der libyschen Stadt am Samstagmorgen von einem Flugzeug aus angegriffen wurde. Nach Beobachtungen von Journalisten stiegen zwei Rauchwolken über dem Gebiet auf. Zudem soll über der ostlibyschen Rebellenhochburg am Samstag ein Militärflugzeug abgeschossen worden sein, wie auf einem Foto der BBC zu sehen ist.

Die libysche Regierung dementiert, in Kämpfe verwickelt zu sein. Ein Sprecher der libyschen Regierung erklärte, die Regierung halte sich an die Waffenruhe. Der stellvertretende Außenminister Chalid Kaim warf auf einer Pressekonferenz in Tripolis den Aufständischen seinerseits die Missachtung der Waffenruhe vor. Die Rebellen hätten regierungstreue Truppen bei El Magrun rund 80 Kilometer südlich von Bengasi angegriffen, sagte er. "Bewaffnete Milizen haben vor wenigen Minuten angefangen zu schießen. Das Bombardement hält an."

Intervention "binnen Stunden"

Doch an diesen Schilderungen hat die Internationale Gemeinschaft erhebliche Zweifel: Mit einer Militäraktion gegen Libyen ist deshalb möglicherweise schon an diesem Wochenende zu rechnen. Die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice warf Gaddafi vor, die Waffenruhe zu missachten.

Sie sagte dem US-Nachrichtensender CNN, dass er deshalb auch die Konsequenzen zu tragen habe. Die USA und ihre Alliierten seien zum Handeln bereit. Er gehe davon aus, dass eine Intervention "binnen Stunden" nach dem Libyen-Gipfel beginnen könne, sagte der französische UN-Botschafter Gérard Araud dem britischen Sender BBC. Der französische Außenminister Alain Juppé sagte, alle Vorbereitungen für Luftschläge seien getroffen.

Gaddafi: Wutrede im TV

Spitzenvertreter der Europäischen und Afrikanischen Union, der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga beraten heute in Paris das weitere Vorgehen gegen das Regime in Libyen. Die libysche Regierung bestritt derweil, gegen die Resolution verstoßen zu haben und lud internationale Beobachter ins Land, um die Einhaltung der Feuerpause zu überwachen.

Libyen-Krise: In Bengasi feiern Aufständische die UN-Resolution. Am Samstagmorgen soll es dort trotz der angekündigten Waffenruhe wieder Explosionen gegeben haben.

In Bengasi feiern Aufständische die UN-Resolution. Am Samstagmorgen soll es dort trotz der angekündigten Waffenruhe wieder Explosionen gegeben haben.

(Foto: AFP)

Gaddafi selbst meldete sich am Samstag im Fernsehsender Al-Dschasira zu Wort. Für die UN-Resolution gebe es keine Rechtfertigung, sagte er. "Das ist unverhohlener Kolonialismus. Es gibt keine Rechtfertigung. Es wird ernsthafte Folgen für den Mittelmeerraum und Europa haben."

Es müsse unter allen Umständen sicheren Flug- und Schiffverkehr geben. "Im Jahr 2011 kolonialisieren sie uns, sie massakrieren uns, verhängen eine Flugverbotszone nach der anderen und planen eine Militäraktion nach der anderen. Was ist das? Rassismus? Hass?"

An dem Treffen in Paris werden neben UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Außenministerin Hillary Clinton teilnehmen. Deutschland will sich anders als Großbritannien, Spanien, Frankreich oder auch Katar nicht an Militäraktionen beteiligen.

Die USA, Großbritannien, Frankreich und arabische Länder hatten Gaddafi am Freitag ein Ultimatum gestellt. Der libysche Staatschef wurde aufgefordert, unverzüglich die Waffen ruhen zu lassen. Alle Angriffe auf Zivilisten sollten unverzüglich eingestellt werden, hieß es in einer Mitteilung des Élysée-Palastes in Paris. Die Truppen müssten aus den Schlüsselpositionen Adschdabija, Misurata und Al-Sawija abgezogen werden. Der Vormarsch seiner Soldaten auf die Rebellenhochburg Bengasi müsse gestoppt werden. Zudem solle dort die Strom-, Gas- und Wasserversorgung wiederhergestellt werden. Die Bevölkerung müsse ferner Zugang zu humanitärer Hilfe erhalten.

USA senden keine Truppen

US-Präsident Barack Obama sagte, der Diktator müsse sofort alle Angriffe auf sein Volk beenden, seine Truppen zurückziehen und humanitäre Hilfe in dem Land zulassen. Sonst würde er entsprechend der UN-Resolution militärische Konsequenzen zu spüren bekommen.

Zugleich machte er deutlich, dass die USA sich bei möglichen Militäraktionen lediglich als "Teil einer internationalen Koalition" sehen. "Gaddafi hat genügend Warnungen erhalten, dass er seine Kampagne der Repression stoppen muss oder zur Verantwortung gezogen wird", sagte Obama.

Nach der vom Sicherheitsrat verabschiedeten Resolution ist zum Schutz von Zivilisten bis auf Bodentruppen militärisch fast alles erlaubt. Die USA würden in Libyen weder Alleingänge unternehmen noch eine ausdrückliche Führungsrolle einnehmen. "Tatsächlich haben unsere britischen und französischen Alliierten und Mitglieder der arabischen Liga bereits zugesagt, eine Führungsrolle in der Durchsetzung der Resolution zu übernehmen", sagte Obama.

Dies sei ein Beispiel, wie die internationale Gemeinschaft funktionieren solle - dass mehr Nationen die Verantwortung und Kosten dafür tragen, internationales Recht durchzusetzen. Die USA würden keine Bodentruppen in das nordafrikanische Land entsenden, machte Obama außerdem klar. Vielmehr würde das US-Militär seine "speziellen Fähigkeiten" zur Verfügung stellen, um der Weltgemeinschaft bei der Durchsetzung einer Flugverbotszone über Libyen zu helfen. Details über die möglichen Unterstützungsmaßnahmen durch amerikanische Soldaten ließ er allerdings offen.

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