Libyen-Konferenz in Paris:Rebellen sollen Gaddafis Geld bekommen

"Geld von gestern für den Bau der Zukunft", so nennt es Frankreichs Präsident Sarkozy: Die eingefrorenen Konten des Gaddafi-Regimes - schätzungsweise mindestens 50 Milliarden Dollar - sollen den Rebellen zugänglich gemacht werden. Das ist das wichtigste Ergebnis der internationalen Libyen-Konferenz in Paris. Der Ex-Diktator verkündet unterdessen aus dem Untergrund weiter Kampfparolen.

Die in Paris tagende Libyen-Konferenz hat sich für die Freigabe der per UN-Sanktion eingefrorenen Konten eingesetzt, damit das Land den Wiederaufbau finanzieren kann. Vertreter der Nato erklärten, dass die Luftangriffe weitergingen, solange die Anhänger von Muammar al-Gaddafi Widerstand leisteten; Gaddafi kündigte seinerseits die Fortsetzung des Kampfes an. Unterdessen haben Russland und China, die beiden wichtigsten Kritiker des Nato-Einsatzes, ihre Haltung gegenüber den Rebellen revidiert.

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy sagte nach der Konferenz, die internationale Gemeinschaft sei entschlossen, "den Libyern das Geld von gestern für den Bau der Zukunft" zur Verfügung zu stellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, dass Deutschland Libyen eine Milliarde Euro aus bislang eingefrorenen Geldern des Regimes zur Verfügung stellen dürfe - die Vereinten Nationen hätten das Geld freigegeben.

Merkel sprach sich dafür aus, die Sanktionen gegen Libyen schnell aufzuheben. "Ich habe das unterstützt", sagte die Kanzlerin. Man müsse wieder eng und ganz normal zusammenarbeiten können. Die Kanzlerin sagte den Libyern zu, bei der Ausarbeitung einer Verfassung zu helfen. "Ich habe angeboten, dass wir mit unserer Erfahrung einer deutschen Diktatur auch helfen können, Vergangenheit friedlich aufzuarbeiten", sagte sie. Darüber hinaus will sich Deutschland vor allem beim Wiederaufbau engagieren. "Unsere konkrete Hilfe kann darin bestehen, dass wir sehr akute Hilfe leisten was Krankenhäuser anbelangt, was die Wasserversorgung anbelangt, was Transporte anbelangt", sagte Merkel. Längerfristige Hilfe sei beim Aufbau der Infrastruktur möglich.

Zuvor hatte sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon für eine schnelle Entsendung einer humanitären Mission der Vereinten Nationen ausgesprochen: "Ich werde eng mit dem Sicherheitsrat zusammenarbeiten, um ein Mandat für eine UN-Mission zu entwerfen. Der Einsatz sollte so bald wie möglich beginnen", sagte Ban laut Redemanuskript.

Es wird vermutet, dass Gaddafi mindestens 50 Milliarden Dollar in aller Welt angelegt hat, britische Schätzungen gehen sogar von 110 Milliarden Dollar aus. Die EU hob am Donnerstag einen Teil ihrer Sanktionen auf. Die Konten von 28 libyschen Unternehmen und Institutionen seien wieder freigegeben, teilte der EU-Ministerrat mit. In der Nacht zum Donnerstag hatte Großbritannien Bargeld im Wert von mehr als 100 Millionen Euro nach Tripolis fliegen lassen. Frankreich gab 1,5 Milliarden gesperrtes Vermögen frei.

Der britische Premierminister David Cameron erklärte bei der Konferenz in Paris, die Nato werde ihren Luftwaffeneinsatz zum Schutz der Zivilbevölkerung auch nach der Vertreibung Gaddafis fortsetzen, solange dessen Anhänger weiterkämpften.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zeigte sich entschlossen, den Libyen-Einsatz fortzuführen, solange es dort Angriffe und Bedrohungen gebe, "jedoch keinen Tag länger als nötig". Über das UN-Mandat sagte Rasmussen: "Gleich von Beginn an hat unser Einsatz das libysche Volk geschützt". Und: "Wir haben es geschafft, ein Massaker zu verhindern, und zahllose Leben wurden gerettet."

"Wir sind keine Frauen, wir werden weiter kämpfen"

Der aus Tripolis geflohene Diktator hatte am Donnerstag erbitterten Widerstand angekündigt. Ihm ergebene Stämme seien bewaffnet. "Wir sind keine Frauen, wir werden weiter kämpfen", zitierte ihn der syrische Fernsehsender Arrai, "die Schlacht wird lang sein und Libyen brennen lassen." Gaddafi warf den "imperialistischen Mächten" vor, das libysche Volk unterjochen und sich seiner Bodenschätze bemächtigen zu wollen. "Wir sterben lieber als uns unter westliche Kontrolle zwingen zu lassen", zitierte al-Dschasira aus einer Audiobotschaft Gaddafis. Wenige Stunden zuvor hatte er seine Anhänger in einer ersten Tonbandaufnahme bereits aufgerufen, das "Land zu befreien". "Geht, greift zu den Waffen und kämpft", sagte er.

Wo Gaddafi sich aufhält, ist unklar. Gerüchten zufolge soll er in Bani Walid sein, 200 Kilometer südöstlich von Tripolis. Andere besagen, er habe sich in die Gegend von Ghadames an der Grenze zu Algerien abgesetzt. Gaddafis Frau sowie drei seiner Kinder sind in das Nachbarland geflohen. Der Gaddafi-Sohn Al-Saadi hat dem Übergangsrat Verhandlungen angeboten.

Unterdessen schloss sich Gaddafis Ministerpräsident Al-Baghdadi al-Mahmudi öffentlich den Rebellen an. Diese meldeten die Festnahme von Gaddafis Außenminister Abdelati al-Obeidi. Die Rebellen rückten weiter auf die drei Gaddafi-Hochburgen Sirte, Bani Walid und Sabha vor. Verwirrung gab es um eine angebliche Verlängerung des Ultimatums für eine Übergabe der Städte: Ein Sprecher der Rebellen in Bengasi sagte, man gebe den Gaddafi-Anhängern noch bis zum 10. September Zeit, sich zu ergeben - der Nationale Übergangsrat in Tripolis dementierte dies jedoch.

Russland erkannte am Donnerstag den Nationalen Übergangsrat offiziell an. Zu diesem Schritt konnte sich Peking noch nicht durchringen; das Außenministerium betonte aber, man werde die Bemühungen um Stabilität im Land unterstützen, der Vizeminister reiste nach Paris. China gehört zu den großen Investoren in Libyen. Russland und China hatten sich, wie Deutschland, bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat über einen Militäreinsatz in Libyen enthalten und die Luftangriffe der Nato scharf kritisiert.

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