Libyen:Kampf ums Öl

Im nordafrikanischen Bürgerkriegsland droht eine Eskalation zwischen zwei Machtblöcken. Es geht vor allem um die Ölhäfen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Neue Kämpfe um die Ölhäfen Libyens gefährden alle Versuche externer Vermittler, die politische Krise in dem nordafrikanischen Land beizulegen und könnten sogar zu einem neuen Bürgerkrieg führen. Überwiegend islamistische Brigaden aus Benghasi, der zweitgrößten Stadt, hatten Ende vergangener Woche mit einem Aufgebot von angeblich 1000 Mann und 200 Fahrzeugen die Ölterminals von Ras Lanuf und el-Sidr unter ihre Kontrolle gebracht. Sie vertrieben Einheiten des mächtigen Kriegsherrn General Khalifa Haftar, der vom international anerkannten Parlament in Tobruk unterstützt wird und sich Kommandeur der libyschen Nationalarmee nennt. Haftars Truppen kontrollieren den Großteil Ostlibyens, nicht aber den Westen mit der Hauptstadt Tripolis.

Die dort ansässige international anerkannte Regierung unter Premier Fayez al-Serraj, der mit Haftar im Clinch liegt, erklärte zwar, sie habe mit den Kämpfen nichts zu tun. Eine mit ihr verbündete Miliz übernahm aber die beiden Ölterminals von den Gruppen aus Benghasi. Diese wiederum haben angekündigt, auf ihre Heimatstadt zu marschieren und Haftar von dort zu vertreiben. Er hatte sie Ende 2016 nach zweijährigen teils schweren Gefechten unter seine Kontrolle gebracht, seiner Lesart nach Teil des Kampfes gegen islamistische Terroristen. Tatsächlich hat mindestens eine der Gruppen aus Benghasi Kontakte zu al-Qaida; die Brigaden umfassen aber ein weites Spektrum von Kämpfern. Sie werden von Milizen aus der Hafenstadt Misrata im Westen unterstützt, andere Gruppen von dort stehen hinter Serraj.

Das von den UN vermittelte Friedensabkommen wurde aufgekündigt

Ägypten, Tunesien und Algerien, allesamt Nachbarn Libyens, hatten zuletzt versucht, unter Führung Kairos einen Kompromiss zwischen Serraj und Haftar zu vermitteln, der das gespaltene Land wieder einen und bis Februar 2018 zu landesweiten Parlaments- und Präsidentenwahlen führen sollte. Der Versuch, wieder eine einheitliche und handlungsfähige Zentralmacht zu etablieren war aber schon in Probleme gelaufen, als Haftar Mitte Februar ein geplantes Treffen mit Serraj in Kairo verweigerte, zumindest vor den Augen der Öffentlichkeit. Ägyptische Medien berichteten später unter Berufung auf Quellen im Militär, die beiden hätten sich getroffen.

Als Reaktion auf die Kämpfe um die Öl-Anlagen an der Mittelmeerküste hat nun das mit Haftar verbündete Parlament in Tobruk das von den UN vermittelte Friedensabkommen von Skhirat aufgekündigt. Das sollte nach Vorstellung der internationalen Gemeinschaft und auch der Nachbarländer in abgeänderter Form die Grundlage für einen Aussöhnungsprozess und die Stabilisierung Libyen sein. Am Donnerstag rief das Repräsentantenhaus einseitig Neuwahlen für Anfang 2018 aus und sprach Serrajs Kabinett die Legitimität ab.

Zugleich flogen Kampfjets im Dienste Haftars den fünften Tag in Folge Angriffe auf die Benghasi-Brigaden. Seine Truppen bereiteten nach eigenen Angaben eine große Gegenoffensive am Boden vor, für die angeblich mehr als 3000 Kämpfer mobilisiert worden sind. Diese Angaben sind unabhängig kaum zu überprüfen. Haftar hatte die Ölanlagen aber im September erobert - kurz nachdem Serraj einen Deal mit einer Miliz geschlossen hatte, die zuvor die Terminals kontrolliert und Exporte für 18 Monate blockiert hatte. Zuletzt hatte Libyen wieder 700 000 Fass Öl pro Tag ausgeführt, die einzige Devisenquelle des auf die Staatspleite zuschlitternden Landes.

Haftar hatte die Einkünfte der Nationalen Ölgesellschaft überlassen und damit den direkten Konflikt mit Serraj vermieden. Er hatte aber seine politische Position durch die Eroberung so weit gestärkt, dass es auch westlichen Staaten als unausweichlich gilt, dass er in der künftigen Machtverteilung in Libyen ein zentrale Rolle spielen würde. Gespräche über eine mögliche Struktur der Regierung und der Armee waren bereits im Gange. Zugleich hatte die Nationale Ölgesellschaft neue Förder- und Investitionsverträge mit dem russischen Staatskonzern Rosneft geschlossen.

Moskau unterstützt Haftar, hat zumindest bislang aber an dem UN-Friedensabkommen festgehalten und versucht, als Vermittler zwischen Haftar und Serraj seinen Einfluss zu stärken. Der Kreml strebt neben wirtschaftlicher Kooperation auch einen oder zwei Militärstützpunkte in Libyen an. Ägypten und die Vereinigtem Arabischen Emirate stehen ebenfalls auf Haftars Seite. Die Eskalation könnte nun dazu führen, dass diese Länder voll auf Haftar setzen, dem Ambitionen nachgesagt werden, mit militärischen Mitteln das gesamte Land unter seine Kontrolle zu bringen. Ein Kompromiss mit den mächtigen Milizen aus Misrata, der als Schlüssel für eine Befriedung Libyens gilt, würde dann in weite Ferne rücken.

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