Krieg in Libyen:Rebellen zählen zehntausend Tote

Die Aufständischen in Libyen nennen dramatische Opferzahlen des Krieges - während regimetreue Truppen weiterhin die Stadt Misrata belagern und gezielt Zivilisten beschießen. Einziger Lichtblick für die Menschen: Machthaber Gaddafi erlaubt den Vereinten Nationen, Hilfsmittel zu liefern.

Bei den Kämpfen in Libyen hat es nach Angaben der Aufständischen bereits zehntausend Tote und etwa 55.000 Verletzte geben. Das sagte Italiens Außenminister Franco Frattini in Rom. Er berief sich auf Informationen des Vorsitzenden des Nationalen Übergangsrats, Mustafa Abdel Dschalil. Frattini hatte sich in Rom mit Dschalil getroffen.

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Rebellenkämpfer im belagerten Misrata: Die UN darf offenbar Helfer schicken, doch der Beschuss dauert an.

(Foto: Getty Images)

Besonders dramatisch ist die Lage in der heftig umkämpften Stadt Misrata im Westen Libyens. Die Truppen des Machthabers Muammar al-Gaddafi belagern weiterhin die Stadt - obwohl Gaddafi den Vereinten Nationen nun erlaubt hat, Hilfslieferungen nach Misrata zu bringen.

Eine entsprechende Einigung hätten UN-Vertreter mit der Regierung von Diktator Muammar al-Gaddafi getroffen, sagte eine Sprecherin des UN-Nothilfebüros OCHA am Montag in New York.

Zunächst wollen die UN ein Erkundungsteam entsenden, um festzustellen, welche Hilfe gebraucht und wie sie zu den Notleidenden geschafft werden kann. So schnell wie möglich sollen dann Lebensmittel, Wasser und Medikamente geliefert werden.

OCHA-Chefin Valerie Amos und der UN-Sonderbeauftragte Abdul Ilah Chatib hatten am Wochenende mit libyschen Vertretern verhandelt. Nach Amos' Worten haben Tausende Menschen in der Stadt nichts zu essen und kein Wasser. Zudem seien Tausende Ausländer in der Stadt, die wegen der Kämpfe nicht wegkönnten. Ihre Lage sei verzweifelt.

Nato-Oberbefehlshaber erhebt schwere Vorwürfe

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte zuvor in Budapest gesagt, dass die Vereinten Nationen mit Gaddafi eine Vereinbarung über eine "humanitäre Präsenz" der UN in der Hauptstadt Tripolis getroffen hätten. Eine ähnliche Einrichtung gibt es bereits in Bengasi. Beide Vereinbarungen sehen aber keine Feuerpause vor. Ban und andere UN-Vertreter hatten immer wieder die sofortige Einstellung der Kämpfe gefordert.

Die Truppen Gaddafis setzten am Montag den Raketenbeschuss von Misrata unvermindert fort. Die Stadt 210 Kilometer östlich von Tripolis wird seit sieben Wochen von den Regierungssoldaten belagert.

Der Oberbefehlshaber über den Nato-Militäreinsatz in Libyen, Generalleutnant Charles Bouchard, hat Gaddafis Truppen beschuldigt, in Misrata auf Zivilisten zu schießen. Die Streitkräfte stünden auf den Dächern von Moscheen und feuerten von dort auf Menschen, sagte Bouchard am Montag dem kanadischen Fernsehen. Sie versteckten sich in der Nähe von Krankenhäusern und hätten gepanzerte Wagen in Schulen abgestellt. Manchmal zögen die Gaddafi-Verbündeten auch ihre Uniformen aus, damit niemand sie in der eingekesselten Rebellenbastion erkennen könne.

Der Kanadier Bouchard kritisierte dieses Vorgehen als "unmoralisch" und "hinterhältig". Zugleich betonte er, dass er sich um die Situation der Menschen in der belagerten Stadt Misrata sorge. Ihre Lage gilt als kritisch, obwohl es zuletzt gelang, mit Schiffen Hilfslieferungen in den Hafen zu bringen.

Enttäuschung bei den Rebellen

Am Montag wurden UN-Angaben zufolge etwa 900 Menschen - vor allem Ghanaer und verletzte Libyer - mit Schiffen aus Misrata herausgeholt und nach Bengasi gebracht. Mehr als 3000 Ausländer warteten noch darauf, in Sicherheit gebracht zu werden.

Großbritannien kündigte Hilfe für die eingeschlossenen Gastarbeiter in Misrata an. Sie sollten mit Hilfe der International Organisation for Migration (IOM) in Sicherheit gebracht werden. Zudem werde man wichtige medizinische Hilfe in Libyen finanzieren, sagte Entwicklungshilfeminister Andrew Mitchell am Montag bei einem Besuch bei den Vereinten Nationen in New York.

Die Bundesregierung stockt ihre humanitäre Hilfe für Libyen von fünf auf sieben Millionen Euro auf. Das teilte das Auswärtige Amt in Berlin mit. Eine Million Euro des zusätzlich bereitgestellten Geldes geht an IOM, die andere Million je zur Hälfte an das World Food Programme und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR).

Unter den Aufständischen wächst zwei Monate nach Beginn des Aufstandes gegen Gaddafi die Enttäuschung darüber, dass die Nato-geführte Allianz den Rebellen nicht Waffen und Ausbilder schickt. Außerdem sind viele der Aufständischen der Meinung, die Nato müsste die Regierungstruppen mit Luftangriffen so weit bedrängen, dass diese die Belagerung Misratas beenden. Manche fordern auch, dass Frankreich die Führung des internationalen Militäreinsatzes übernehmen sollte.

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