Bürgerkrieg in Libyen:UN erlauben Luftangriffe gegen Gaddafis Regime

Kampfansage Gaddafi: Die UN beschließt ein Flugverbot über Libyen - und macht den Weg frei für Luftangriffe. Libyens Führung erklärt sich nun zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit den Rebellen bereit.

Über Libyen gilt ab sofort an ein Flugverbot . Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete am Donnerstagabend eine entsprechende Resolution. Die internationale Gemeinschaft kann nun militärische Gewalt anwenden, nicht nur gegen Muammar al-Gaddafis Luftabwehr, sondern auch gegen andere Ziele im Land. Deutschland enthielt sich bei der entscheidenden Abstimmung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Der Vorstoß zeigt Wirkung: Libyen will über einen Waffenstillstand mit den Rebellen verhandeln - und die feiern die UN-Entscheidung auf den Straßen von Bengasi.

Mit der Resolution soll die Luftwaffe des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi am Boden gehalten werden. Demnach sollen keine Flugzeuge im libyschen Luftraum erlaubt sein, es sei denn, sie verfolgen ein "humanitäres" Ziel. Das Papier erlaubt aber auch Luftschläge und andere "erforderliche Maßnahmen" zum Schutz von Zivilisten - "mit Ausnahme von Okkupationstruppen", wie es in dem Text heißt. Ausländische Bodentruppen werden also nicht eingesetzt. Die UN-Mitgliedstaaten dürfen auch individuell eingreifen.

Damit ist der Weg frei für Luftschläge gegen das libysche Regime. So sollen vor allem im Osten des Landes die gegen die Aufständischen vorgehenden Truppen Gaddafis gestoppt werden. Gaddafi hatte zuvor mit Vergeltungsschlägen im Mittelmeerraum gedroht, falls ausländische Truppen sein Land angreifen sollten.

Vor allem die USA, Frankreich und Großbritannien hatten die Resolution vorangetrieben. Für den Entwurf stimmten zehn Mitglieder des Sicherheitsrats, Russland und China, die als ständige Mitglieder mit ihrem Veto das Vorhaben hätten zu Fall bringen können, enthielten sich, ebenso wie Deutschland, Brasilien und Indien. Chinas Außenamtssprecherin Jiang Yu sprach von "ernsthaften Vorbehalten" gegenüber der Libyen-Resolution und sagte: "Wir lehnen die Anwendung militärischer Gewalt in internationalen Beziehungen ab."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte in Berlin, die Bundesregierung begrüße und unterstütze die in der Resolution enthaltene "wesentliche Verschärfung" der internationalen Sanktionen gegen die Regierung von Gaddafi. "Aber wir sehen die in der Resolution ebenfalls vorgesehene Option einer militärischen Intervention in Libyen weiterhin äußerst skeptisch", erklärte Westerwelle.

"Deutsche Soldaten werden sich nicht beteiligen"

"Wir verstehen diejenigen, die aus ehrenwerten Motiven für ein internationales militärisches Eingreifen in Libyen entschieden haben", sagte der Außenminister. "Wir sind aber in der Abwägung auch der Risiken zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns mit deutschen Soldaten an einem Krieg, an einem militärischen Einsatz in Libyen nicht beteiligen werden." Westerwelle rief Gaddafi erneut auf, die Gewalt gegen sein eigenes Volk sofort zu beenden. "Er muss gehen und für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden."

In einer ersten Reaktion bezeichnete die libysche Führung die Resolution als Bedrohung der Einheit des Landes. Die Entscheidung sei "ein Aufruf an die Libyer, sich gegenseitig zu töten", sagte der libysche Vize-Außenminister Chaled Kaim. Kaim sprach von einem "Komplott" der internationalen Gemeinschaft gegen sein Land. Staaten wie Frankreich, Großbritannien und die USA hätten "den Willen", Libyen zu spalten.

Kurze Zeit später erklärte sich die libysche Führung jedoch grundsätzlich zu einem Waffenstillstand mit den Rebellen bereit. Vize-Außenminister Kaim sagte auf einer Pressekonferenz in Tripolis, zunächst müsse aber über die Details einer solchen Vereinbarung diskutiert werden. Kaim fügte hinzu, dass sein Land "positiv" auf die Resolution des UN-Sicherheitsrates reagieren werde und Zivilisten schütze wolle.

In Bengasi selbst löste die UN-Resolution Begeisterung aus. Menschen verfolgten im Zentrum der Stadt das mit Spannung erwartete Votum des Weltsicherheitsrates auf einer Großbildleinwand mit. Als das Ergebnis verkündet wurde brachen sie in laute Freudenstürme aus. Sie riefen "Libyen! Libyen!" und schwenkten die rot-schwarz-grünen Fahnen der Vor-Gaddafi-Ära. Viele schossen in die Luft, auch Feuerwerksraketen stiegen hoch.

Die ersten Luftangriffe stehen währenddessen möglicherweise kurz bevor: Frankreichs Premierminister François Fillon hatte sich am Donnerstag für eine militärische Aktion in Libyen "in den kommenden Stunden" ausgesprochen, wenn der Sicherheitsrat die Resolution verabschieden sollte. Norwegens Verteidigungsministerin Grete Faremo kündigte eine Beteiligung ihres Landes an der Militärintervention an. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, wegen der kritischen Lage vor Ort ewarte er "unmittelbares Handeln".

Nach Angaben eines UN-Diplomaten haben sich auch Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate bereit erklärt, sich an einem Militäreinsatz zu beteiligen. Beide Staaten sind Mitglieder der Arabischen Liga, die in der Resolution explizit um ihre Mithilfe gebeten wird.

Italien stellt Luftwaffenbasen zur Verfügung

Die Europäische Union erklärte, die UN-Resolution biete der internationalen Gemeinschaft eine "klare Grundlage" für den Schutz von Zivilisten. Die EU sei bereit, die Resolution umzusetzen, erklärten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Außenministerin Catherine Ashton in einer gemeinsamen Stellungnahme. Diese Äußerung bezieht sich aber eher auf die Umsetzung finanzieller Sanktionen sowie auf die Maßnahmen zur Durchsetzung des Waffenembargos.

Bürgerkrieg in Libyen: Regierungsgegner in Bengasi feiern die UN-Resolution zum Flugverbot über Libyen.

Regierungsgegner in Bengasi feiern die UN-Resolution zum Flugverbot über Libyen.

(Foto: AFP)

Die Nato will sich am Freitag mit ihrer Haltung zur Resolution befassen. Ein Nato-Diplomat sagte, jede Entscheidung werde sich an den drei Bedingungen messen müssen, die Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen gestellt habe: Die Notwendigkeit eines Einsatzes müsse eindeutig sein, es müsse ein juristisch klares Mandat geben, und die regionalen Organisationen müssten einverstanden sein.

Diese Bedingungen seien nun erfüllt, erklärte der britische Außenminister William Hague. Mitglieder der Arabischen Liga hätten ihre Bereitschaft erklärt, sich an der Durchsetzung der Flugverbotszone zu beteiligen. Nach Angaben eines UN-Diplomaten haben sich Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate zur Teilnahme an einem Militäreinsatz bereit erklärt. Kanada will sich laut Medienberichten mit sechs Kampfflugzeugen an der Durchsetzung der Flugverbotszone beteiligen.

Die Resolution sei notwendig, um "ein größeres Blutvergießen zu verhindern", erklärte Hague. Großbritannien wolle seine Verantwortung wahrnehmen. Frankreichs Außenminister Alain Juppé hatte zuvor gesagt, seine Regierung wolle die Resolution nach dem Votum umgehend umsetzen. Die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice, sagte, der Sicherheitsrat habe auf den Hilferuf des libyschen Volkes reagiert.

Luftangriffe aus Sizilien

Aus Londoner Parlamentskreisen verlautete, britische Einheiten für Luftangriffe könnten sofort mobilisiert werden. Aus US-Regierungskreisen in Washington hieß es, man werde bis Sonntag oder Montag erste Einheiten einsatzbereit haben. US-Luftwaffenchef Norton Schwartz sagte, es könne bis zu einer Woche dauern, bis das Flugverbot von Einheiten aus Europa und den USA durchgesetzt werden könne.

US-Präsident Barack Obama habe bereits mit seinem französischen Kollegen Nicolas Sarkozy und dem britischen Premierminister David Cameron telefoniert, teilte das Weiße Haus in Washington mit. Die drei seien sich einig gewesen, dass Libyen umgehend alle Beschlüsse der Resolution befolgen und die Gewalt gegen Zivilisten beenden müsse. Sie hätten vereinbart, sich eng über die weiteren Schritte abstimmen zu wollen.

Italien kündigte an, seine Luftwaffen- und Marinebasen in Sizilien für Angriffe in Libyen zu Verfügung zu stellen, berichtet der britische Guardian - auch wenn die Regierung Silvio Berlusconis von allen europäischen Ländern die besten Beziehungen zu Gaddafi unterhält.

Gaddafi will der Welt "das Leben zur Hölle machen"

Gaddafi selbst hat angekündigt, im Falle eines internationalen Eingreifens der Welt "das Leben zur Hölle zu machen." "Er (der Westen) würde nie wieder Frieden haben", sagte der Diktator in einem am späten Donnerstagabend gesendeten Interview des portugiesischen Fernsehsenders RTP.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen habe kein Mandat, um sich in Libyen einzumischen, sagte Gaddafi weiter. "Wir werden keine Resolutionen oder Entscheidungen befolgen. Es ist nicht so, dass es Krieg zwischen zwei Ländern gibt", erklärte der Diktator, der Libyen seit mehr als 40 Jahren regiert. Nach der UN-Charta, so Gaddafi, dürfe sich der Sicherheitsrat nicht in interne Angelegenheiten eines Landes einmischen. Ein Angriff auf Libyen würde "einer Kolonisierung ohne Rechtfertigung" gleichkommen.

Gaddafi hatte am Abend in einer vom Fernsehen gesendeten Audiobotschaft einen Angriff auf Bengasi angekündigt: "Bereitet euch vor, wir kommen ab heute Abend", sagte Gaddafi. Es werde keine Gnade geben, die "Verräter" würden "aus jedem Viertel, aus jeder Straße, aus jedem Haus" verjagt werden. Zugleich sagte Gaddafi in der Ansprache, wer seine Waffen niederlege und die Stadt verlasse, werde verschont. "Wir werden ihn nicht verfolgen."

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