Libyen:Glückloser Architekt

Libyen: International ist Fayez Serraj als Premier Libyens anerkannt.

International ist Fayez Serraj als Premier Libyens anerkannt.

(Foto: Leonhard Foeger/AP)

Das Parlament hat die Einheitsregierung von Fayez Serraj überraschend abgelehnt. Seit dem Sturz von Muammar al-Gaddafi ist das Land gespalten. Die Hoffnungen, die in den Regierungschef Serraj gesetzt wurden, reichen bislang nicht für einen Erfolg.

Von Moritz Baumstieger

Als der Chef der libyschen Einheitsregierung kürzlich Journalisten des Spiegel empfing, bat er seine Besucher, das Interview zu einem Appell nutzen zu dürfen. "Das Parlament in Tobruk muss endlich die entscheidende Sitzung stattfinden lassen", flehte Fayez Serraj dann schon fast, "damit die Abgeordneten ihr demokratisches Recht ausüben und sich zur Regierung äußern können."

Das Interview erschien am vergangenen Samstag, offenbar wurde Serraj erhört: Am Montag trat das Parlament völlig überraschend zusammen, um abzustimmen, ob es die nach UN-Vermittlung im Dezember eingesetzte Einheitsregierung um Premier Serraj akzeptiert. Ergebnis: negativ. 61 der 101 anwesenden Abgeordneten votierten gegen das Kabinett. Es gab nur eine Ja-Stimme sowie 39 Enthaltungen.

Seit dem Aufstand gegen Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ist Libyen zersplittert. Das Land wird von verschiedenen Milizen beherrscht, die ihre Waffen auch nach dem Sturz des Diktators nicht abgegeben haben. In der Folge wählten die Libyer zwar ein Parlament, das dann aber vor islamistischen Milizen nach Tobruk im Osten floh. Die Islamisten installierten in der Hauptstadt Tripolis eine Gegenregierung, das Machtvakuum in der Mitte nutzte der sogenannte Islamische Staat, um hier eine Filiale seines Kalifats zu etablieren. Inzwischen konnten die Dschihadisten zwar fast vertrieben werden - die politische Einheit des Landes ist aber fraglicher denn je.

Er war für die schwierige Mission gewählt worden, weil er als unkorrupt und neutral gilt

Fayez Serraj und seine Minister landeten dann im März mit einem Schiff von Tunis kommend in Tripolis. Zunächst versuchte die Einheitsregierung um den ehemaligen Architekten von einem Marine-Stützpunkt aus, das zersplitterte Land zu einigen - ohne eigenes Budget, wie Ferraj im Spiegel-Interview berichtete. Erst in den vergangenen Wochen gelang es der Einheitsregierung, offiziell die Regierungsgebäude in Tripolis zu beziehen und mit einem vorläufigen Etat von 1,5 Milliarden Dinar (nach offiziellem Wechselkurs etwa eine Milliarde, auf dem Schwarzmarkt höchstens 300 Millionen Euro) die nötigsten Maßnahmen wie etwa Reparaturen der maroden Stromversorgung anzuschieben.

Serraj wurde für die schwierige Mission gewählt, weil er als nicht korrupt gilt und als neutral in den Machtkämpfen zwischen den verschiedenen Stämmen. Weil viele Mitglieder des demokratisch gewählten Parlaments in Tobruk diese Einschätzung zu teilen schienen, galt die Zustimmung eigentlich als sicher. "Es gibt ja kein Problem zwischen uns und dem Parlament im Osten", meinte Serraj kürzlich. Nur sei bisher "die Abstimmung über die Legitimation der Regierung verhindert" worden.

Diese Blockade ging vor allem auf Khalifa Haftar zurück. Der ehemalige General Gaddafis wechselte während des Aufstandes gegen den Diktator rechtzeitig die Seiten und ist nun Chef dessen, was von der libyschen Armee übrig ist. Beobachtern zufolge möchte er einen Erfolg von Fayez Serraj verhindern, weil er selbst gerne ein vereintes Libyen regieren würde.

Die unerwartete Wendung, die das Ringen um die Macht in Libyen nun durch die Abstimmung im Parlament nahm, könnte ebenfalls auf den General zurückgehen. Der Abgeordnete Galal Saleh, der die Einheitsregierung unterstützt, witterte einen Trick der Gegner: "Das ist Betrug", sagte er, die Parlamentsleitung habe die Abstimmung nicht auf dessen Agenda angekündigt. Der regierungstreue Block der Abgeordneten sei lediglich zu Beratungen mit den Gegnern eingeladen worden, nicht aber zu einem Votum über dessen Legitimität. In der Folge reisten mehrere Dutzend Abgeordnete nach Kairo, um dort um Unterstützung für Serraj zu bitten, der ägyptische Präsident, der Ex-Militär Abdel Fattah al-Sisi, hält bisher zu General Haftar.

Wie es in Libyen politisch nun weitergeht, ist völlig offen. Im Spiegel-Interview hatte Serraj gesagt, die Denkweise der Architekten helfe ihm beim Aufbau des neuen libyschen Staates. Seine bisherigen Versuche haben sich jedoch noch nicht als tragfähig erwiesen.

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