Libyen-Gipfel:Mission Frieden

Bundesaussenminister Heiko Maas (L), SPD, trifft General Chalifa Haftar. Bengasi, 16.01.2020. Bengasi Libya *** Federal

Handschlag in Bengasi: Heiko Maas und General Khalifa Haftar.

(Foto: imago images/photothek)

Außenminister Heiko Maas will einen Waffenstillstand für Libyen verhandeln. Dazu muss er alle an einen Tisch bringen. Auch General Chalifa Haftar.

Von Daniel Brössler, Paul-Anton Krüger, Berlin

Bevor Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag sein Flugzeug Richtung Libyen bestieg, war ihm eine Botschaft wichtig. "Seit Monaten verhandeln wir darüber, wie wir den tödlichen Strom von Waffen und Kämpfern aus dem Ausland stoppen können. Um dazu eine Einigung zu finden, haben wir für Sonntag alle relevanten internationalen Akteure an den Tisch geholt", sagte er. Was die Welt von dem Treffen in Berlin am Sonntag zu erwarten hat, soll das heißen, ist kein Schnellschuss, sondern eine sorgsam vorbereitete diplomatische Initiative. Tatsache ist, dass seit Monaten Spitzendiplomaten über das Gipfeltreffen verhandeln.

Tatsache ist aber auch, dass wenige Tage vor der Konferenz nicht einmal klar ist, wer sicher dabei ist. Auch deshalb flog Maas ins libysche Bengasi, dem Sitz von General Khalifa Haftar, der große Teile Libyens kontrolliert, vor allem im Osten und Süden. Haftar, dessen Truppen seit Monaten die Hauptstadt Tripolis belagern, ist nach Berlin eingeladen, wie auch der Premier der international anerkannten Übergangsregierung, Fayez al-Serraj - den Haftar stürzen will. Sein Kommen hatte Haftar bis Donnerstag noch nicht zugesagt. Am Montag war er erzürnt aus Moskau abgereist, ohne die Vereinbarung für eine Waffenruhe zu unterschreiben, die Russland und die Türkei ausgehandelt hatten.

"Wir sind fest davon überzeugt: Militärisch ist dieser Konflikt nicht zu gewinnen", sagte Maas nach der Landung. Benötigt werde eine "politische Lösung unter der Ägide der Vereinten Nationen". Deshalb solle nach der Berliner Konferenz ein politischer Prozess beginnen. Ziele seien "ein Waffenembargo, ein Waffenstillstand und damit auch Friede in Libyen". Wert legte Maas, der vergangene Woche bereits mit al-Serraj gesprochen hatte, auf die Feststellung, dass er "auch im Auftrag der EU-Außenminister" unterwegs sei.

Eingeladen zu der Konferenz hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Staats- und Regierungschefs aus den USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China sowie aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), der Türkei, der Republik Kongo, Italien, Ägypten und Algerien. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte seine Teilnahme zu, auch der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan will kommen, ebenso offenbar Russlands Präsident Wladimir Putin. Von US-Präsident Donald Trump war dergleichen zunächst nicht bekannt.

Nach seinem dreistündigen Gespräch mit Haftar in dessen Hauptquartier verkündet Maas einen ersten Erfolg: "Er hat zugesagt - unabhängig davon, dass er die Waffenstillstandsvereinbarung Anfang der Woche in Moskau nicht unterschrieben hat -, den Waffenstillstand einzuhalten. Das ist außerordentlich wichtig." Außerdem sei Haftar grundsätzlich dazu bereit, am Sonntag zum Libyen-Gipfel nach Berlin zu kommen. Allerdings gibt es verschiedene Versionen, warum Haftar nicht unterschrieben hat.

General Haftar reiste erzürnt aus Moskau ab. In Bengasi sagte er Maas nun seine Kooperation zu

Eine lautet, er habe einen roten Teppich und ein Treffen mit Putin erwartet, habe sich dann aber im Gästehaus des Außenministeriums wiedergefunden. Eine andere, wesentlich problematischere, bestätigte der UN-Sondergesandte Ghassan Salamé im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: Haftar habe "substanzielle Veränderungen an dem Dokument" verlangt, darunter die Entwaffnung der Milizen, die Tripolis militärisch kontrollieren.

Das freilich ist de facto die Forderung nach einer militärischen Kapitulation der Einheitsregierung von al-Serraj. Sie stützt sich auf ein Sammelsurium von bewaffneten Gruppen, die stärksten davon aus der Hafenstadt Misrata, Gruppen, die Haftar pauschal als "Terroristen" bezeichnet und des islamistischen Extremismus bezichtigt. Haftar selbst nennt sich Kommandeur der "Libyschen Nationalarmee". Das soll den Schein von Legitimität erwecken. Dabei sind seine Truppen ebenso Milizen - einige der schlagkräftigsten davon rekrutieren sich im Übrigen aus Salafisten. Dazu kommt eine wachsende Zahl von Söldnern aus Tschad und dem Sudan und seit dem vergangenen Herbst auch des russischen Militärdienstleisters Gruppe Wagner, der eng mit dem Kreml verbunden ist.

Der türkische Präsident Erdoğan kündigte indes ungeachtet seiner geplanten Teilnahme in Berlin an, mit der Entsendung von Truppen nach Libyen zu beginnen. Er sieht darin keinen Verstoß gegen das UN-Waffenembargo, da er mit al-Serraj ein umstrittenes Abkommen zur militärischen Zusammenarbeit geschlossen hat und in Libyen auf Bitten der immer noch international anerkannten Regierung interveniert. Bislang hat die Türkei nach eigenen Angaben 25 Soldaten entsandt, dazu etwa 300 syrische Söldner. Zudem unterstützt Ankara die Einheitsregierung mit Kampfdrohnen und Waffenlieferungen.

Haftar kann sich seit Jahren auf militärische Unterstützung aus den VAE, Ägypten und Jordanien verlassen, Geld kommt auch aus Saudi-Arabien. All diese Länder sind bemüht, die von der Türkei und Katar unterstützte Muslimbruderschaft zurückzudrängen, die stärkste islamistische Bewegung der Region. Deren libysche Ableger wiederum kontrollieren einen Teil der Milizen, auf die sich al-Serraj stützt.

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