Libyen:EU will Embargo überwachen

Die Außenminister einigen sich auf eine neue Mission, die mit Satelliten, Flugzeugen und Schiffen Waffenlieferungen verhindern soll. Die Operation "Sophia" wird dagegen beendet.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Konflikt in Libyen

Neun Jahre Bürgerkrieg: Ein Mann vor seinem zerstörten Haus in einem verlassenen Vorort von Tripolis.

(Foto: Amru Salahuddien/dpa)

Es ist ein symbolischer Erfolg, den Heiko Maas verkünden kann. Die EU-Außenminister haben sich in einer "Grundsatzentscheidung" auf eine neue Mission geeinigt, das Waffenembargo gegen Libyen zu überwachen. Diese soll auch "eine maritime Komponente haben" und sich an den Routen jener Kräfte orientieren, die Waffen nach Libyen bringen, erklärt der Bundesaußenminister. Die EU-Schiffe sind laut Maas für ein "Komplettbild" nötig und sollen im östlichen Mittelmeer eingesetzt werden - und nicht vor der Hauptstadt Tripolis, aus deren Umgebung viele Schlepperboote mit Flüchtlingen ablegen.

Die Ausarbeitung der rechtlich verbindlichen Details dürfte Wochen dauern, dennoch spricht Maas von "einer großen Unterstützung für den von der Bundesregierung initiierten Berliner Prozess". Er hofft, dass es nun gelingen könnte, die Bürgerkriegsparteien von ihren Unterstützern zu trennen. Man müsse die Waffenlieferungen an den abtrünnigen Kriegsherrn General Khalifa Haftar ebenso unterbinden wie jene an die international anerkannte Regierung von Premier Fayez al-Serraj. Sowohl die Türkei als auch die Vereinigten Arabischen Emirate liefern Kriegsgerät; zudem sind russische Söldner aktiv.

Nur Sekunden, nachdem Maas zur Geberkonferenz für Albanien aufgebrochen ist, tritt der Österreicher Alexander Schallenberg vor die Mikrofone. Die Regierung des christdemokratischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz hatte eine Wiederaufnahme der EU-Marineoperation "Sophia" blockiert; Wien sieht sie als "Pull-Faktor" für Flüchtlinge an, was zu mehr Migration führe. Also betont Schallenberg andere Punkte als der Sozialdemokrat Maas. "Lange und schwierig" sei die Debatte gewesen, aber nun stehe fest: "Mission Sophia wird beendet." Es gebe einen "Grundkonsens", dass man "eine militärische Mission wolle und keine humanitäre Mission". Der Fokus liege auf der Luftraumüberwachung.

Um klarzumachen, dass man alles tun werde, um mehr Flüchtlinge zu verhindern, betont Schallenberg nicht nur, dass Schiffe nur "außerhalb des bisherigen Einsatzbereichs, sprich im Osten von Libyen" eingesetzt werden sollen. Er spricht ausführlich über Punkt 7 des Konsenspapiers, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt: "Sollten Pull-Faktoren bezüglich der Migration festgestellt werden, können die maritimen Elemente abgezogen werden." Im Klartext heißt dies: Wenn die Schlepper ihre Routen anpassen, dann würde die noch namenlose neue Mission gestoppt. Zudem solle die Ausbildung der libyschen Küstenwache fortgesetzt werden. Natürlich würden Menschen aus dem Meer gerettet werden, wie es das Völkerrecht vorsieht, sagt Schallenberg. Bei welcher Zahl an geborgenen Menschen er von einem "Pull-Faktor" sprechen würde, sagte er nicht. Hier einen konsensfähigen Mechanismus auszuarbeiten, dürfte den EU-27 nicht leichtfallen.

Dass die Operation Sophia endet, war auch Italien wichtig. Dorthin werden die meisten Flüchtlinge gebracht, die auf dem Mittelmeer gerettet werden. Wegen des Streits über deren Verteilung war die Mission 2019 gestoppt worden. Experten sollen nun bis März Vorschläge vorlegen, verkündet Jean Asselborn aus Luxemburg. Es wäre eine "Katastrophe" gewesen, wenn die Europäer wegen der Bedenken weniger Länder - neben Österreich war dies vor allem Ungarn - und des Prinzips der Einstimmigkeit heute nichts hätten vorweisen können, so Asselborn. Mit "diplomatischer Vaseline" sei ein Kompromiss gelungen. Dieser ist auch der Verdienst von Josep Borrell, dem neuen Außenbeauftragten der EU. Der Spanier hatte am frühen Morgen separat den Österreicher Schallenberg getroffen und viel politisches Kapital investiert, damit die Europäer eine größere und vor allem einheitliche Rolle bei der Lösung des Konflikts in Libyen spielen. Noch vor Beginn der Sitzung habe er gedacht, eine Einigung sei unmöglich, sagte er später in der Pressekonferenz. Die Lage in Libyen bezeichnete Borrell als "sehr, sehr schlecht". Die Blockade des Ölverkaufs durch General Haftar schwäche die Wirtschaft enorm. Momentan gingen dem nordafrikanischen Land pro Tag Einnahmen von 60 Millionen Dollar verloren, was die Gefahr einer weiteren Destabilisierung erhöhe. Russlands Außenminister Sergej Lawrow findet hingegen nicht, dass die Situation in Libyen nach der Berliner Konferenz "wieder außer Kontrolle geraten" sei, wie er der italienischen Zeitung La Stampa sagte. Die Differenzen zwischen den Konfliktparteien seien so groß, "dass es unmöglich ist, sie bei einem einzigen Treffen zu lösen, selbst bei einem so repräsentativen Forum wie dem Berliner". Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz hatten sich die Außenminister der zwölf beim Berliner Prozess beteiligten Länder sowie Vertreter von EU, Afrikanischer Union und Arabischer Liga erneut zum Ziel bekannt, das seit 2011 bestehende UN-Waffenembargo vollständig umzusetzen.

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