Liberalen-Führung:Aufbruch einer neuen FDP

German Economy Minister Roesler and leader of the FDP casts his vote during a convention in Berlin

Aufbruchstimmung: Die FDP hat einen Schlussstrich unter die Personaldebatten gezogen.

(Foto: REUTERS)

Es war die Nacht der langen Messer. Und eine voller Überraschungen. Aber auch eine Nacht der beispiellosen Emanzipation der Parteibasis von ihrer Führung. Philipp Rösler ist jetzt Chef einer Partei, die Führung mal eben neu definiert hat.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Philipp Rösler hat es einfach laufen lassen. Es sei dahingestellt, ob eine echte Strategie dahinter stand. Jedenfalls hat er die Streithansel in der Partei einfach mal brutal aufeinander zu rennen lassen. Den treuen Sachsen Holger Zastrow gegen die streitlustige Baden-Württembergerin Birgit Homburger. Den robusten Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel gegen seinen smarten Ministerkollegen Daniel Bahr und die norddeutsche Lästerbacke Wolfgang Kubicki.

Rösler wollte sich auf keine Seite stellen. Sollen die doch zusehen, wie sie ihre Mehrheiten organisieren. Ihm hat in seinem privaten Machtkampf gegen Rainer Brüderle am Ende auch keiner geholfen. Den hat er ganz alleine gewonnen.

Es war der Weisheit des Parteitages überlassen, die neue Führung zusammenzusetzen, die Machtgewichtung neu verteilen. Die Partei des Wettbewerbs lässt Wettbewerb zu. Das hat es dieser Form lange nicht gegeben in der FDP.

Unter dem autoritären Westerwelle war die Partei fest in der Hand des Vorsitzenden. Was werden konnte nur, wer den übermächtigen Parteichef auf seiner Seite hatte und zugleich die großen Landesverbände.

Relikt aus der Vergangenheit

Westerwelle ist passé. Seine wenigen Auftritte und Reden hier wirkten so aus der Zeit gefallen wie Telefone mit Wählscheiben. Diesmal hatten die Delegierten die Wahl und sie haben sie genutzt.

Nicht, dass es keine so genannten Absprachen gegeben hätte. Hinter den Kulissen, am Rande des Parteitages, in kleinen und größeren Runden wurde gemauschelt und gedealt was das Zeug hielt. Die Vorderen aus NRW und Bayern hatten Homburger fest versprochen, dass ihre Delegierten sie wählen würden. Niebel und Bahr konnten sich beide noch gute Chancen ausrechnen mit den jeweils größten Landesverbänden im Rücken.

Nur hatten die Delegierten offenbar keine Lust auf Absprachen. Sie wählten den Ossi Zastrow statt Homburger zum Parteivize. Worüber kaum einer mehr überrascht war als Zastrow selbst. Sie wählten den Haudegen und Charmeur Kubicki nach einer unterhaltsamen wie inhaltlich, sagen wir mutigen Rede. Er forderte mehr Frauen in die Führung, einen Mindestlohn und Zerschlagung der großen Banken. Der hölzerne Raufbold Niebel unterlag ebenso wie der brave Bahr.

Damit finden sich in der neuen FDP-Spitze mit Christian Lindner und Kubicki die erfolgreichsten Wahlkämpfer der Partei. Die Partei hat in einem Akt der Befreiung Birgit Homburger die Flügel gestutzt und sie vom Platz der ersten Stellvertreterin zur dritten Beisitzerin degradiert. Der Hammer, das wird sie jetzt wissen, hängt nicht mehr bei ihr.

Die Besseren haben gewonnen

Die Delegierten haben auch Niebel zurück ins Glied geschickt. Der ist noch Minister, aber ohne Platz im Präsidium nach der Wahl wohl eher nichts mehr. Zu sehr hat er die Partei mit seinen verbalen Angriffen auf die eigene Führung verstört. Und Bahr? Der war einfach zu harmlos, um gegen Kubickis Wort-Feuerwerk anzukommen.

Es gewannen einfach die besseren Leute. Daraus können auch andere Parteien lernen. Es lohnt sich zuweilen, das Personaltableau in offenen Abstimmungen von einem Parteitag bestimmen zu lassen. Und nicht wie üblich in aufwendigen Proporz-Verfahren schon vorher die wichtigsten Personalfragen geklärt zu haben. Es muss ja nicht immer ein Mitgliederentscheid sein, wie ihn die Grünen jüngst gemacht haben, um ihr Spitzenduo festzulegen. Es reicht, einfach den Delegierten zu vertrauen. Die FDP hätte unter den gegeben Umständen ein besseres Team kaum zusammenstellen können.

Rösler hat es jetzt vielleicht mit einer neuen FDP zu tun. Einer, in der Abstimmungen nicht mehr so kontrollierbar und vorhersehbar sind. Wenn Rösler noch mehr von seiner auf diesem Parteitag gezeigten Souveränität gewinnt, dann kann er locker damit umgehen. Was jetzt noch Zufall gewesen sein mag, müsste er zur Maxime erheben. Es wäre der FDP zu wünschen, wenn sie auf diesem Wege zu sich zurückfindet. Dann hätte der Liberalismus sich seine Daseinsberechtigung zurück erkämpft.

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