
Am Ende lief es auf die eine Frage hinaus, auf die Linda Teuteberg keine Antwort hätte geben können. Schon seit Wochen war es kein Geheimnis mehr, dass FDP-Chef Christian Lindner nach nur etwas mehr als einem Jahr die Abberufung seiner Generalsekretärin betrieb. Teuteberg wollte bleiben, aber sie hätte erklären müssen, wie das gegen den Willen und ohne das Vertrauen des Parteichefs funktionieren soll. Sie wolle, verkündet die 39-Jährige aus Brandenburg schließlich am Montag in der Sitzung des Parteiführung, der FDP eine Hängepartie ersparen. Auf dem Parteitag am 19. September stelle sie ihr Amt zur Verfügung.
Damit ist ein Führungsstreit beendet, der in der Partei für wachsenden Unmut gesorgt hatte. Als Lindner kurz danach vor die Presse tritt, hat er seinen neuen Wunsch-Generalsekretär bereits an seiner Seite. Es ist der rheinland-pfälzische FDP-Chef und Wirtschaftsminister Volker Wissing. Auch in der Bundespolitik ist der 50-Jährige kein neues Gesicht: 2004 kam er erstmals für die Liberalen in den Bundestag. Seit 2013 sitzt er im Präsidium der Partei. Die Partei wolle von Wissings Regierungserfahrung und "wirtschaftlicher Expertise" profitieren, sagt der Parteichef. Wissing soll verkörpern, was Lindner sich vorgenommen hat, um die FDP aus dem Umfragetief zu führen. "Wenn sich die Lage im Land und die Themen, über die diskutiert wird, verändern, dann muss sich auch die Teamaufstellung einer Partei daran orientieren", sagt er. Die FDP sei in "großer Sorge hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung im Land" und fürchte eine schwere wirtschaftliche Krise aufgrund der Corona-Pandemie und der Politik der Bundesregierung. Das Land drohe in einen "Schuldensumpf" zu geraten.
Jetzt gehe es um die Wirtschaft, meint Parteichef Lindner. Eine Migrationsexpertin passt da nicht
Vergangenes Jahr noch hatte Lindner die Migrationspolitikerin Teuteberg zu seiner Generalsekretärin erwählt, um die FDP "personell breiter, vielfältiger mit unterschiedlichen Temperamenten, Themen und Talenten sichtbar" zu machen. Ein Fehler sei das nicht gewesen, beharrt er nun, aber die neue Lage erfordere eben eine neue Aufstellung. "Ganz offen" sagt er aber auch: "In dieser Lage brauche ich in der Führung der Partei mehr Hilfe und Unterstützung". Gegenwärtig rangiert die Partei in den Umfragen nur relativ knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. Es wächst die Sorge, nicht wieder in den Bundestag zu kommen. Den künftigen Generalsekretär preist Lindner deshalb auch als erfolgreichen Wahlkämpfer. Volker Wissing habe dazu beigetragen, die FDP aus der "doppelten außerparlamentarischen Opposition" im Bund wie auch in den Ländern zu führen.
In Rheinland-Pfalz amtiert Wissing noch bis März als stellvertretender Ministerpräsident einer Ampel-Koalition mit SPD und Grünen, was Lindner allerdings nicht als Signal für eine solche Option im Bund verstanden wissen will. "Nein", das sei "zu weitreichend spekuliert", sagt er. Man sei "bereit zur Übernahme von Verantwortung, wenn wir inhaltliche Akzente setzen können". Die FDP schließe nichts aus, sie koaliere in Schleswig-Holstein mit Union und Grünen und in Nordrhein-Westfalen mit der Union. Für die FDP komme es auf faire Zusammenarbeit und die Möglichkeit an, eigene Anliegen einzubringen. "Wenn das möglich ist, ist es besser zu regieren als nicht zu regieren", betont er. 2017 hatte Lindner Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition mit der Begründung beendet, es sei besser nicht als schlecht zu regieren. Wissing widerspricht Lindner nicht, setzt aber einen ersten eigenen Akzent. Mit der Ampel-Koalition in Mainz habe man der FDP "ein Stück Freiheit" auch für neue Bündnisse erarbeitet, betont er.
Später twittert er: "Die CDU nach so langer Zeit abzulösen, könnte ein wichtiges Signal des Aufbruchs für unser Land sein." Als neuen Schatzmeister präsentiert Lindner den Unternehmer Harald Christ, der nach langen Jahren als SPD-Mitglied im März der FDP beigetreten war. Wegen der "kruden" rot-rot-grünen Koalitionsüberlegungen fühle er sich in seiner Entscheidung bestätigt, sagt Christ. Der Finanzexperte Solms hatte vergangene Woche nach insgesamt 26 Jahren im Amt seinen Rückzug als Schatzmeister der Partei verkündet.