Liberale in der Krise:Röslers Patient heißt FDP

Lesezeit: 3 Min.

Der designierte FDP-Chef und Gesundheitsminister Philipp Rösler ist bemüht, Zuversicht auszustrahlen bei seinem ersten Auftritt als neuer Hoffnungsträger der Partei. In seiner Führungsmannschaft gärt es indes weiter. Während einer durchatmen kann, ist für eine andere das Zittern noch längst nicht vorbei.

Thorsten Denkler und Lena Jakat, Berlin

Keine Fragen zum neuen Amt, bitte: Die Ansage von Röslers Pressesprecher ist deutlich. Natürlich werden sie trotzdem gestellt. Die meisten Journalisten haben an diesem Dienstag nicht eine halbe Stunde auf Gesundheitsminister Philipp Rösler gewartet, um ihn über den Kampf gegen den Ärztemangel sprechen zu hören. Sie wollen ihn am Tag eins nach Verkündung seiner Kandidatur für das Amt des Bundesvorsitzenden der Freien Demokratischen Partei Deutschlands zu seiner neuen Rolle befragen.

Machtkampf um die Westerwelle-Nachfolge: Generalsekretär Christian Lindner, den viele wollten, wollte nicht. Brüderle, der möglicherweise gewollt hätte, wollten viele wiederum nicht. So muss der 38-jährige Stabsarzt Phllipp Rösler ran - ob er will oder nicht. (Foto: dpa)

Einer will wissen, wie seine Kandidatur im Kreis der Landesgesundheitsminister aufgenommen wurde. Ein anderer will wissen, warum Rösler vor kurzem noch behauptet hat, sein Amt als Gesundheitsminister und der Parteivorsitz, das ginge nicht zusammen, jetzt aber doch.

Das ärgert den Sprecher. Er bricht die Konferenz nach der dritten Frage ab. Das scheint sogar den designierten Chef-Liberalen zu überraschen: Mit einem Lächeln und einem Schulterzucken fügt sich Rösler der Planänderung seines Sprechers. Gut möglich aber, dass er seinen Sprecher angewiesen hat, die Pressekonferenz streng auf Sachfragen zu fokussieren.

Machtkampf mit Brüderle

Die gestellten Fragen beantwortet Rösler aber noch: "Ich habe mein Amt immer gerne ausgeführt", sagt er. Vor ein paar Tagen noch erweckte Rösler einen ganz anderen Eindruck. Er soll sogar gedroht haben, das Parteiamt nur zu übernehmen, wenn er von Rainer Brüderle das Wirtschaftsministerium bekommt.

Den Machtkampf mit Brüderle hat Rösler verloren. Parteichef will er jetzt trotzdem werden. Nicht weil das schon immer sein Ziel gewesen wäre. Rösler erklärt den Schritt lieber mit "Verantwortung" und "Leidenschaft für die Partei".

Es bleib ihm kaum eine andere Wahl. Generalsekretär Christian Lindner, den viele wollten, wollte nicht. Brüderle, der möglicherweise gewollt hätte, wollten viele wiederum nicht. So muss der 38-jährige Stabsarzt ran - ob er will oder nicht.

Es ist, das muss ihm zugestanden sein, eine höchst undankbare Ämterkombination: Als Parteivorsitzender soll er eine verstörte und verunsicherte Partei wieder aufbauen. Als Vizekanzler will er - so seine eigenen Worte - die "FDP in der Koalition" lenken. Als Gesundheitsminister wiederum muss er die medizinische Versorgung neu ordnen. Im schlimmsten Fall mit der Folge, dass ein FDP-Parteichef Beitragserhöhungen in der Pflege oder der Krankenversicherung zu verkünden hat.

Wäre Brüderle gegangen, hätte jetzt auch Fraktionschefin Birgit Homburger einen leichteren Stand. Sie wäre der erfahrene Kopf, den die junge Garde um Rösler nicht auch aufs Altenteil hätte schicken können.

Offenbar aber will es die Parteispitze zwar vorerst dabei belassen, dass der Parteivorsitz von Westerwelle auf Rösler übergeht. Zumindest Homburger kann sich aber deswegen noch lange nicht in Sicherheit wiegen.

In der gemeinsamen Sitzung von Fraktion, Bundesvorstand und Präsidium der FDP am Dienstag hatte Westerwelle das Personaltableau den Anwesenden zur Disposition gestellt. Das Motto: Wer jetzt nicht die Hand dagegen hebt, dass er Außenminister, Brüderle Wirtschaftsminister und Homburger Fraktionschefin bleibe, der solle für immer schweigen.

Der Bestandschutz ist aber wohl zeitlich begrenzt. Für Westerwelle und Brüderle soll er nach der Lesart von Sitzungsteilnehmern bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 reichen. Für Homburger sieht die Lage etwas komplizierter aus: Im Oktober wird turnusgemäß der Fraktionsvorstand neu gewählt. Homburger erklärte, dass sie sich dort wieder zur Wahl stellen werde. Sie gehe davon aus, das Vertrauen der Fraktion zu haben.

Gut möglich. Bis dahin aber wird in Bremen, in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin gewählt. Anders gesagt: Der FDP drohen drei weitere krachende Wahlniederlagen. Der dann wohl neue Parteichef Philipp Rösler wird dafür kaum als Sündenbock herhalten können. Brüderle und Westerwelle auch nicht.

Homburgers wackliger Stuhl

Brüderle nicht, weil er in der Partei und Fraktion nach wie vor die uneingeschränkte Unterstützung des mächtigen wirtschaftsliberalen Flügels hat. Er repräsentiere den "Markenkern der FDP", verteidigen getreue Vasallen Brüderles sein Amt. Westerwelle auch nicht, weil ihm vor lauter Dankbarkeit, dass er sein Amt als Parteichef zur Verfügung gestellt hat, jetzt keiner mehr ans Zeug flicken will.

Homburgers Stuhl ist damit wackeliger geworden. Ihr wird zwar attestiert, die Fraktion zusammenzuhalten. Doch in der Außenwahrnehmung gilt sie als "Fehlbesetzung", wie ihr Lieblingsfeind Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein, gerne betont.

In Berlin geben viele in der Fraktion Kubicki in der Sache Recht. Angeblich ist schon ausgemacht, dass Homburger seltener in Bundestagsdebatten ans Pult treten soll. Sie solle öfter weitaus besseren Rednern wie Generalsekretär Christian Lindner oder dem noch zu wählenden Parteichef Rösler das Feld überlassen. Es wäre besser, wenn Homburger sich "voll und ganz" auf die Fraktionsarbeit konzentriert, sagt ein führendes Fraktionsmitglied gegenüber sueddeutsche.de.

Ob Homburger und Brüderle noch eine erfolgreiche Zukunft in der Partei haben, wird wohl auf dem Bundesparteitag der FDP Ende Mai in Rostock entschieden. Brüderle hält sich noch offen, ob er erneut für einen Posten des stellvertretenden Parteivorsitzenden kandidiert. Homburger hat immerhin den Anspruch des Landesverbandes Baden-Württemberg auf einen Stellvertreterposten angemeldet. Ob sie für das Bundespräsidium antritt, habe sie zwar entschieden, wie sie sagt, will es aber noch nicht verkünden.

Beide werden wohl auch sondieren, ob sie eine Chance auf ein gutes Ergebnis haben. Mit 60 Prozent will sich keiner ins Präsidium der Partei bugsieren lassen. Sollten sie nicht antreten, ist das Signal der Partei deutlich: Die alte Garde muss weg. Für den im Moment mehr als unwahrscheinlichen Fall, dass die FDP nach der Bundestagswahl 2013 noch mitregiert, hieße das: Westerwelle, Brüderle, und Homburger wären auf keinen Fall mehr dabei.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: