Liberale in der Krise:FDP-Chef Rösler erklärt NRW zur Schicksalswahl

"Froh und dankbar" zeigt sich FDP-Chef Rösler, dass sein früherer Generalsekretär Lindner die Spitzenkandidatur bei der NRW-Wahl übernimmt - und verquickt den Urnengang an Rhein und Ruhr mit der Zukunft seiner ramponierten FDP. Anders sieht das sein jetziger Generalsekretär Döring.

Christian Lindner ist zurück als liberale Spitzenkraft - dabei ist es gerade einmal drei Monate her, dass er als Generalsekretär der FDP hingeschmissen hat und dafür von Parteifreunden kräftig verbal verprügelt wurde. Drei Monate, in denen Lindner nicht über die Motive seines Rückzugs sprach, obwohl den meisten klar war: Es hatte etwas mit dem Vorsitzenden Philipp Rösler zu tun.

Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef: Philipp Rösler

Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler

(Foto: dpa)

Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister hat an diesem Freitagmorgen einen Termin im ARD-Morgenmagazin, bei dem er über seinen ehemaligen Mitarbeiter demonstrativ positiv spricht. "Froh und dankbar" sei er, dass Lindner die Spitzenkandidatur im nordrhein-westfälischen Wahlkampf übernehme. Und weiter: Es sei eine Frage der Glaubwürdigkeit, einen Kandidaten ins Rennen zu schicken, der klar für das Bundesland stehe. Lindner war früher Landtagsabgeordneter in Düsseldorf und wollte eigentlich demnächst den FDP-Bezirk Köln übernehmen, was nun wohl hinfällig ist.

Aber Rösler machte noch etwas anderes klar: Er deklarierte den Urnengang an Rhein und Ruhr zur Schicksalswahl für seine malade FDP: "Jedem ist klar, es geht hier um Nordrhein-Westfalen, aber es geht auch um die Frage: Wird es in Zukunft eine liberale Partei geben?" Deswegen müssten "alle an Bord sein" und sich einsetzen für Wachstum, für wirtschaftliche Vernunft und für gesellschaftliche Freiheit.

Warme Worte für Lindner kamen auch von Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle. Die Kandidatur sei eine "gute Entscheidung - auch für die Bundespartei", sagte Brüderle, der vielen als starker Mann der FDP gilt. Er werde Lindner im Wahlkampf "gern voll und ganz" unterstützen.

Röslers landläufig geteilter Aussage, dass von der Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland auch das Wohl und Weh der FDP abhängig ist, widersprach kurioserweise sein Generalsekretär Patrick Döring: "Dieser Schluss ist nicht zulässig. Die NRW-Wahl hat eine ausgeprägte Landesspezifik, die mit dem Scheitern von Rot-Grün zu tun hat", sagte Döring zur Leipziger Volkszeitung. "Sie wird die Arbeit der schwarz-gelben Regierung im Bund nicht beeinflussen." Es gebe keinen Grund, egal wie das Wahlergebnis ausfalle, die Führungsmannschaft zu verändern.

Man erinnere sich: Döring hatte Lindners Posten übernommen - und sich kurz darauf zu der These verstiegen, sein Vorgänger habe es auf Röslers Parteivorsitz abgesehen.

Kubicki-Effekt und Lindner-Prozente

Rösler zeigte sich insgesamt zuversichtlich mit Blick auf die anstehenden drei Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Schleswig-Holstein. Manche mögen seinen Optimismus für übertrieben halten. "Die Wahrscheinlichkeiten sind unheimlich groß, dass wir in allen drei Landtagswahlen sehr erfolgreich sein werden", behauptete der FDP-Chef, wohlwissend, dass Umfragen etwas anderes ergeben: Die Liberalen in NRW und an der Saar sind zwar in den Landesparlamenten vertreten. Bei aktuellen Umfragen liegen die Werte der FDP aber in beiden Bundesländern dort, wo sie auch auf Bundesebene zu finden sind: stabil unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Für die Wahl zum Saarbrücker Landtag haben die meisten Mitglieder in der Parteiführung ohnehin kaum Hoffnung. Eine Stimme aus dem Vorstand sagte unlängst zu Süddeutsche.de, es wäre schön, wenn man ein Ergebnis "näher an vier, als an zwei Prozent erhielte".

In Schleswig-Holstein, wo der ewige Querulant Wolfgang Kubicki antritt, malt man sich noch bessere Chancen aus. Mit dem bundesweit bekannten Frontmann kommt die Nord-FDP derzeit immerhin auf vier Prozent. So wie man in Kiel auf einen Kubicki-Effekt hofft, setzt man in Düsseldorf auf Lindner-Prozente.

"Wir schicken den besten Mann"

Die FDP in Nordrhein-Westfalen hatte am Donnerstagabend auf einer außerordentlichen Sitzung des Landesvorstands in Düsseldorf entschieden, Lindner die Spitzenkandidatur zu überlassen. Er soll auch den Landesvorsitz von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr übernehmen. Der kennt Lindner schon lange. Zusammen mit Rösler galten sie noch vor einem Jahr als die "Boygroup" der FDP, die Guido Westerwelle zum Verzicht auf Vorsitz und Vizekanzlerschaft gezwungen hatte. Nun sagte der ebenfalls hochambitionierte Bahr mit Blick auf Lindners Kandidatur: "Wir schicken den besten Mann".

Vor allem schicken sie einen, der versucht hat, die weitgehend als Ein-Themen-Partei wahrgenommene FDP zu verändern. Lindner wollte als Generalsekretär unter dem Schlagwort "ganzheitlicher Liberalismus" die Freidemokraten nicht nur für jene wählbar machen, die die Steuern senken wollen; Lindner wollte auch andere Felder wieder besetzen, die unter Westerwelle brachlagen, oder, wie die Bürgerrechte, jahrelang nur noch von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger glaubhaft vertreten wurden.

Die Bundesjustizministerin und Vizevorsitzende meldete sich inzwischen auch zu Wort. Lindner werde die "Herzen" der Bürger in Nordrhein-Westfalen erreichen, sagte Leutheusser-Schnarrenberger und pries sein "ganzheitliches Freiheitsverständnis". Ob sich ihre Hoffnung erfüllt, wonach die FDP "ihren historischen Platz zwischen Union und SPD verteidigen" sollte, wird der Mai zeigen.

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